Der Akademikerball in der steirischen Landeshauptstadt wird vom Grazer Korporationsring, also dem Dachverband aller deutschnationalen Verbindungen der Stadt, organisiert. 2015 waren im Ballkomitee unter anderem die Burschenschaften Allemannia, Arminia, Carniola, Cheruskia, Germania und Frankonia vertreten. Für 2016 wird auf der Betreiber-Seite kein Komitee genannt.
Unterstützt wurde der Grazer Korporationsring (GKR) bei der Ballorganisation in der Vergangenheit traditionell vom Freiheitlichen Akademikerverband. Der FAV ist so etwas wie die FPÖ-Vereinigung für Rechtsextreme mit Latinum. Das Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstands sieht die FAV-Zeitschrift Aula als wichtige „Brücke von der FPÖ zu allen außerparlamentarischen Strömungen des Rechtsextremismus und Deutschnationalismus”. Laut einem Dossier der Organisation Mayday Graz zum Akademikerball wurden in der Aula Überlebende der Nazi-Konzentrationslager sogar als „Landplage” bezeichnet.
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Ein großer Teil der Burschenschaften im Ballkomitee 2015 ist Mitglied der „Burschenschaftlichen Gemeinschaft” (BG). Die BG ist ein Zusammenschluss der rechts-außen Verbindungen innerhalb der selbst bereits weit rechts stehenden „Deutschen Burschenschaft”. Die BG propagiert unter anderem Arier-Nachweise und Rassentheorien.
Gerade in der Steiermark sind auch die Schnittmengen zwischen der FPÖ, insbesondere ihren Jugendorganisationen, und der außerparlamentarischen faschistischen Rechten sehr groß. Dieses oftmals gewalttätige NS-Milieu umfasst Mitglieder der Jugendorganisationen RFS und RFJ genauso wie bekannte-NS Kader. Die Burschenschaften fungieren dabei als wesentlicher Vernetzungsort.
Nicht verwunderlich also, dass mit Luca Kerbl auch ein bekannter burschenschaftlicher Rechtsextremer im Jahr 2015 Teil des Organisationskomitees war. Kerbl begann seine Karriere beim RFJ Judenburg, ist aktuell FPÖ-Gemeinderat in Fohnsdorf und laut „Stoppt die Rechten” Mitglied der Burschenschaft Corps Austria zu Knittelfeld. Im Mai 2015 wurde er bei der Störung einer Buchpräsentation gemeinsam mit Mitgliedern der Gruppe Identitäre gesehen. Die Seite Recherche Wien sieht auch Kerbl selbst als Aktivist der Gruppe.
Der Grazer Congress, wo der Ball stattfinden soll, ist kein Privatunternehmen, sondern gehört zu 80 Prozent der Stadt Graz. Die Offensive gegen Rechts Steiermark, die zu einer Demonstration gegen den Ball aufruft, fordert von der Stadt Graz eine Auflösung des Vertrags mit den Burschenschaften und verweist auf das Beispiel Innsbruck.
In der Tiroler Landeshauptstadt gab es vor einigen Jahren eine ähnliche Situation wie in Graz. Der Dachverband „Deutsche Burschenschaft” wollte im November 2013 in der Innsbrucker Messehalle, die der Stadt gehört, eine Versammlung halten. Der Vertrag zwischen der Congress Messe Innsbruck und der einschlägig bekannten Innsbrucker Burschenschaft Brixia war bereits unterzeichnet.
Die schwarz-rot-grüne Stadtregierung als Mehrheits-Eigentümerin der Messehalle hat damals allerdings die Notbremse gezogen und den Vertrag mit den Burschenschaftern aufgelöst. Auf meine Nachfrage in Innsbruck zu den Gründen der damaligen Entscheidung wollte das Büro von Bürgermeisterin Christine Oppitz-Plörer (für Innsbruck/ÖVP) keine Stellungnahme abgeben. Zum Zeitpunkt der Vertragsauflösung meinte Oppitz-Plörer, dass es darum ginge, „Haltung zu zeigen” und äußerte die Hoffnung, dass dies „die letzte Veranstaltung dieser Art in Innsbruck” sein werde.
Anders wird die Sache in Graz gesehen. Ursprünglich wollte das Büro von Bürgermeister Siegfried Nagl (ÖVP) keine Stellungnahme abgeben. Begründet wurde das damit, dass „in einer Zeitung dazu bereits alles gesagt wurde, was zu sagen ist”.
Christof Strimitzer von der Messe Congress Graz GmbH hat in einer schriftlichen Stellungnahme festgehalten, dass „bei uns eingebuchte Veranstaltungen—egal, ob das ein Ball, Fußballspiel oder Konzert ist” generell nicht kommentiert würden. Weiters schrieb er, dass „grundsätzlich keine Veranstaltungen” angenommen würden, die „gewissen Vorhaben oder Regeln widersprechen”. Welche das sind, hat er allerdings nicht ausgeführt. Telefonisch war trotz mehrmaliger Anfragen niemand erreichbar.
Schließlich war Thomas Rajakovics, ÖVP-Gemeinderat und Pressesprecher von Bürgermeister Nagl, aber doch bereit, mit mir zu sprechen. Auf meine Frage, ob die Stadt Graz eine Auflösung des Vertrags mit den Burschenschaften überlegen würde, sagt Rajakovics: „So lange Veranstalter und Vereine nicht von der Polizei untersagt werden, ist das nicht angedacht.” Im Verlauf des Gesprächs dehnte er das darauf aus, dass das Kriterium sei, ob die Veranstalter von der Polizei beobachtet würden.
Rajakovics erklärte mir weiter, dass Räume der Stadt Graz öfter für Veranstaltungen dienen würden, mit denen die Stadt nicht glücklich sei. Aber, so Rajakovics: „Wer sagt, was ein guter Veranstalter ist und was nicht?” Weiter weist Rajakovics darauf hin, dass der Congress ein „marktwirtschaftlich tätiges Unternehmen” sei. Abschließend heißt es von Rajakovics aber auch, dass die Veranstalter—also auch der Grazer Korporationsring—aus „lauter honorigen Leuten” bestehen würden.
Beobachtet werden die Burschenschaften offiziell übrigens tatsächlich nicht, wie mir im Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung ein Sprecher des Referats für Öffentlichkeitsarbeit sagt. „Für eine Beobachtung der Burschenschaften gibt es keine Gründe”, erklärt mir der Verfassungsschutzmitarbeiter, der aus Geheimhaltungsgründen seinen Namen nicht nennen will.
Währenddessen werden immer wieder Verbindungen zwischen Burschenschaften und dem militanten Neonazismus bekannt. Tatsächlich hat die ÖVP/FPÖ-Regierung ab dem Jahr 2002 dafür gesorgt, dass der Rechtsextremismus-Bericht eingestellt wurde, wo die Burschenschaften davor noch als „potenzielles Sicherheitsrisiko” bezeichnet worden waren.
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