Schlechte Nachrichten für alle Krawalltouristen: Die Berliner Autonome Antifa hat keinen Bock mehr auf die traditionelle 1.-Mai-Demo in Berlin, sie will lieber nach Sachsen oder Stuttgart fahren.
Das jedenfalls berichteten am Mittwoch diverse Springer-Medien. Die Bild zum Beispiel versah das mit der Überschrift „Revolution ist mehr als 18 Uhr Bier trinken” – Antifa findet Berlin zu langweilig”. In dem Artikel heißt es dann, „ein früherer Krawall-Hauptakteur der linksradikalen Szene”, nämlich die „Autonome Antifa Berlin (‚A2B’)”, ziehe sich zurück. Das habe die Bild einer „Erklärung” auf indymedia entnommen, in der es heißt, man wolle sich an dem Tag lieber auf antifaschistische Aktionen im sächsischen Plauen konzentrieren oder den Parteitag der AfD in Stuttgart „angreifen”.
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Im Wortlaut zitiert der Artikel die Erklärung so: „An das Mai-Spektakel: Revolution ist mehr als 18.00 Uhr in Kreuzberg Bier trinken. Aus diesem Grund: Am 30. April nach Stuttgart und den AfD-Parteitag angreifen! Am 1. Mai nach Plauen und den Naziaufmarsch zum Desaster machen.”
Die Meldung kam aber wohl ursprünglich von der BZ. Auch in deren Artikel wird spekuliert, ob der diesjährige 1. Mai wohl „randalefrei” werden könnte, die Erklärung zitiert und der „Autonomen Antifa Berlin” zugeschrieben. Wie bei der Bild wird der Sprecher der Berliner Polizei mit den Worten zitiert, man werde das „natürlich bei unserer Lage-Einschätzung für diesen 1. Mai berücksichtigen.” Noch etwas später wurde die Nachricht vom „randalefreien 1. Mai” auch von der etwas obskuren Epoch Times übernommen, ein Online-Portal, das seine Leser vor allem mit schlechten Nachrichten über Flüchtlinge versorgt. Auch hier heißt es, das „Portal” indymedia habe das so „angekündigt”.
Die Welt und die Morgenpost berichten dann etwas differenzierter, dass die „linksextreme Szene uneinig” sei. Hier hat man nämlich herausgefunden, dass die traditionelle 18-Uhr-Demo durchaus nicht abgesagt wurde, sondern gerade eine Klage der Veranstalter läuft, um die geplante Route gegen ein Verbot der Polizei durchzusetzen. Aber auch die Welt erklärt mit Bezug auf die BZ, „die Antifa” habe dazu aufgerufen, sich lieber in Sachsen oder Stuttgart zu engagieren.
Eigenartig ist nur, dass es enorm schwer ist, diese Ankündigung auf indymedia überhaupt zu finden—weil es sie überhaupt nicht gibt. Die drei zitierten Sätze finden sich aber nach langer Suche in einem völlig anderen Artikel über eine „Antifaschistische Intervention in Berlin”, bei der es darum ging, einen in einem Linken-Kiez lebenden Neonazi-Musiker zu ärgern. Irgendwo gegen Ende des Artikels tauchen dann auch diese drei Sätze auf—aber niemand ruft explizit dazu auf, die 1.-Mai-Demo in Berlin komplett zu boykottieren. Und vor allem: Der Aufruf ist nirgends von einer Gruppe „A2B” unterzeichnet worden, nur als Autor des Artikels erscheint „autonome antifa”—was so ziemlich alles und nichts bedeuten kann. Im Artikel berufen sich die Autoren eher auf die Anti-AfD-Kampagne „Nationalismus ist keine Alternative”, in deren Rahmen Aktivisten Anfang März zum Beispiel Bauschutt aus abgebrannten Flüchtlingsheimen vor dem Berliner AfD-Büro abgelegt haben.
Kurz gesagt: Es existiert kein Aufruf einer Gruppe namens „A2B”, die Demonstrationen am 1. Mai in Berlin zu boykottieren. Allem Anschein nach hat die BZ aus einer Randbemerkung („Revolution ist mehr als 18.00 Uhr in Kreuzberg Bier trinken”) in irgendeinem beliebigen indymedia-Post einfach eine fast schon offizielle „Erklärung” gemacht. Mit dem, was dann am 1. Mai passiert oder nicht passiert, hat das aber nichts zu tun.