Sex

Wenn du beim Sex grob wirst, ohne vorher zu fragen, ist das ein Übergriff

Zeit für Klartext: Ich will dein Sperma nicht in meinem Gesicht haben. Ich stehe nicht drauf, erniedrigt zu werden. Ich mag keinen Dirty Talk, der darauf hinausläuft, dass ich im Vergleich zu dir wertlos und schlecht bin. Und ich stehe ganz bestimmt nicht drauf, wenn Typen sich dafür feiern, dass ihr Schwanz an meinem Muttermund blaue Flecken verursacht hat. Aber das habe ich lange Zeit nicht so deutlich gesagt. Ich fühlte mich unter Druck, diese aggressive sexuelle Dynamik mitzumachen, um nicht als langweilig oder prüde zu gelten.

Ich erlebe das so, seit ich sexuell aktiv bin: Rauer, männlich dominierter Sex – die Art, die oft in Mainstream-Pornos vorkommt – scheint einfach die Norm zu sein. In einer Studie stellten australische Forscher fest, dass die beliebtesten Porno-Clips zu 88 Prozent Gewalt-Praktiken wie Würgen und Ohrfeigen enthielten. Eine wissenschaftliche Meta-Analyse anderer Studien legt außerdem nahe, dass Porno-Konsum mit aggressivem Verhalten beim Sex einhergeht. Das deckt sich mit meinen Erfahrungen, auch wenn ich natürlich nicht immer alle Ursachen für die Aggression kenne. In meinen frühen 20ern war ich mit einem Kerl nach dem anderen zusammen, der es für keine große Sache hielt, mich zu würgen, mir den Hintern zu versohlen, an meinen Haaren zu ziehen und/oder mich mit seinem Penis wie mit einem Presslufthammer zu bearbeiten. (Vielleicht liegt das ja teilweise daran, dass diese Männer von Pornos desensibilisiert sind, und das brauchen, um etwas zu spüren – auch dafür gibt es in der Forschung viele Hinweise.)

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All diese Dinge haben Partner mit mir gemacht, ohne mich vorher zu fragen, ob ich mich dabei wohlfühle oder diese Art von Sex mag. Sie haben vorher nie mein Einverständnis eingeholt. Diese Partner dachten entweder zu sehr an sich selbst, um überhaupt einen Gedanken an mich zu verschwenden, oder ihnen war nicht klar, dass Sex nicht dem entspricht, was man in Pornos sieht. Leider denken wohl viele, dass dieses Verhalten einfach das ist, “was Frauen wollen”.


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Jahrelang fühlte ich mich, als hätte ich nicht einmal die Option, zu solchen Praktiken Nein zu sagen. Ich fand es so schon schwierig, eine feste Beziehung mit einem Mann aufzubauen, der mir offen Zuneigung zeigt. Aus Angst, sie zu verlieren, vermied ich es, meinen Partnern zu sagen, wie es mir wirklich dabei ging. Ich war überzeugt: Wenn ich den Mund aufmache, werden sie mich verlassen, für eine Frau die nicht so “schwierig” und “anspruchsvoll” ist. Und diese Angst bestätigte sich leider häufig. Wenn ich mich doch mal beschwert habe, haben Männer es entweder ignoriert oder Schluss gemacht. Inzwischen weiß ich, dass ein Mann, mit dem ich etwas zu tun haben will, sich so nicht benimmt, und gebe einen Scheiß auf solche Typen. Aber ich habe fast meine ganzen 20er gebraucht, um an diesen Punkt zu gelangen. Weil ich mich so fühlte, als sei das alles normal und würde von mir erwartet.

Zu viele heterosexuelle Männer denken beim Sex nur an sich. Das bedeutet aber nicht nur, dass ihre Partnerin nicht das größtmögliche Vergnügen hat. Es kann auch etwas viel Ernsteres bedeuten, denn sexuelle Handlungen ohne eindeutige Zustimmung der Partnerin oder des Partners sind eine Art sexueller Übergriff. Wer nicht fragt und einfach macht, fügt jemandem vielleicht ein Trauma zu, ohne es zu merken. Denn gleichzeitig vergessen Mottos wie “Nein heißt Nein”, dass Menschen sich nicht immer so leicht trauen zu sagen, was sie denken, gerade wenn in diesem Bereich sozialer Druck herrscht. Doch selbst ein Nein wird zu oft ignoriert – im schlimmsten Fall heizt es dem Typen sogar noch ein.

Als ich danach schwieg, wertete er das wohl als Erlaubnis, bis zum Orgasmus weiterzumachen. In Wahrheit hatte ich einfach nicht mehr das Gefühl, ein Mitspracherecht zu haben.

Ich denke an den Mann, der mir mit der Hand die Kehle zuschnürte, sodass ich kaum noch Luft bekam – einfach, weil er auf so was stand. In welcher Welt ist so was OK? Er brauchte viel zu lang, um auf mich zu hören, als ich sagte, er soll loslassen. Und danach ging ich trotzdem noch auf drei Dates mit ihm.

Ich denke an den älteren Typen, von dem ich mit 22 glaubte, ich sei in ihn verliebt. Er griff mich einfach und drehte mich um, um dann von hinten zuzustoßen. Er hörte nicht auf mich, als ich sagte, es tue mir weh. Das schien ihn sogar nur noch mehr anzuturnen. Als ich danach schwieg, wertete er das wohl als Erlaubnis, bis zum Orgasmus weiterzumachen. In Wahrheit hatte ich einfach nicht mehr das Gefühl, ein Mitspracherecht zu haben.

Ich denke an die Dutzenden anderen Male, als Männer solche Dinge mit mir gemacht haben. Male, von denen ich blaue Flecken und schmerzende Körperstellen davontrug – ohne dass ich derartig rabiaten Sex gewollt hatte. Und selbst wenn mein Partner mir nicht körperlich geschadet hatte, fühlte ich mich häufig sehr mitgenommen von Dingen, die Männer taten und die irgendwie schon als Standard zu gelten scheinen: Sie spritzten ihr Sperma auf mich, schlugen mich mit der flachen Hand oder erniedrigten mich verbal.

In meinen frühen 20ern dachte ich fast jedes Mal, nachdem ich Sex hatte: “Soll das hier nicht eigentlich Spaß machen? Soll Sex nicht eigentlich mit breitem Grinsen und Euphorie enden? Oder sollten wir nicht wenigstens hinterher ein bisschen kuscheln?” Heute weiß ich: Doch, so soll es für mich sein, und wer das nicht versteht, hat in meinem Bett nichts verloren.

An dieser Stelle ein Disclaimer: An grobem Sex oder sexueller Unterwürfigkeit ist nichts Verkehrtes. Menschen, die so etwas prinzipiell genießen, sollen das auch frei praktizieren dürfen. Aber Frauen sollten nicht ungefragt und ungewollt in diese unterwürfige Rolle gedrängt werden, oder sich so fühlen, als könnten sie nur als “schlecht im Bett” gelten, wenn sie nicht unterwürfig sind. Männer sollten nicht unbedacht davon ausgehen, dass ihre Standardrolle beim Sex “dominant” ist. Und vielleicht sollten beide Geschlechter aufhören, über “Blümchensex” zu sprechen, als würden nur fantasielose Langweiler auf Zärtlichkeit stehen. Wenn in unserer Kultur spannender Sex in erster Linie bedeutet, dass sie von seinem Schwanz würgen muss, haben wir ein großes Problem.

Trau dich und verlange den besten Sex, den du mit ihm haben kannst, auch wenn das nicht seiner abgefuckten Lieblingskategorie auf Pornhub entspricht. Letzten Endes geht es hier nicht einfach darum, dass du zum Orgasmus kommst, sondern dass du selbstbestimmt leben kannst.

Inzwischen ist es mir zum Glück egal, ob mich andere aufgrund dieser Einstellung als Langweilerin abstempeln. Ich stehe dazu, dass ich Sex mag, bei dem mir niemand Gewalt antut und bei dem meine persönlichen Grenzen respektiert werden. Sex, bei dem beide wirklich Spaß haben und aufeinander achtgeben. Ich lerne heute auch immer häufiger Männer kennen, mit denen das klappt. Es fällt mir oft immer noch nicht leicht, aber ich sage, was ich denke, selbst wenn ich meine, dass mein Partner vielleicht enttäuscht sein wird.

Wenn du als Frau noch nicht denselben Punkt erreicht hast: Mach dir keine Vorwürfe. Aber bedenke, dass nur du einschreiten kannst, wenn ein Typ beim Sex etwas mit dir macht, das du nicht willst. Trau dich und verlange den besten Sex, den du mit ihm haben kannst, auch wenn das nicht seiner abgefuckten Lieblingskategorie auf Pornhub entspricht. Letzten Endes geht es hier nicht einfach darum, dass du zum Orgasmus kommst, sondern dass du selbstbestimmt leben kannst.

Und wenn du dich als Mann in meinen Beschreibungen wiedergefunden hast: Denk bitte darüber nach, wie du vögelst. Setz deine Partnerin nicht unter Druck, wenn du etwas möchtest, dass ihr nicht wirklich gefällt. Es gibt Wichtigeres, als einen besonders geilen Moment zu erleben. Zum Beispiel ausreichend Empathie für einen Menschen, der dir physisch unterlegen ist und sich vertrauensvoll in deine Hände begibt.

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