Willkommen zurück zu den Restaurant Confessionals, wo wir den Leuten aus der Gastronomie eine Stimme geben, die ansonsten viel zu selten zu Wort kommen. Hier erfährst du, was sich hinter den Kulissen in deinen Lieblingsrestaurants so alles abspielt.
Wer in Bars oder Restaurants arbeitet, ist jede Sekunde von Alkohol umgeben. Die ganze Zeit. Als ich anfing, hinter der Bar zu arbeiten, trank ich jeden Abend mit meinen Kollegen bis 6 Uhr morgens.
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Mitternachts machst du Feierabend, du bist ein bisschen aufgedreht und willst eigentlich nie sofort schlafen gehen, auch wenn du am nächsten Morgen noch etwas Wichtiges zu tun hast. Also denkst du dir: “Ach, ich hab’ einfach ein bisschen Spaß und geh noch auf einen Drink.”
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Und es ist nie nur einer. Niemand ist in seinem Leben je auch bei nur einem Drink geblieben, gerade in dieser Branche. Wir trinken gern zusammen, weil sich viele Gäste so aufführen, als seien sie das erste Mal auf dem Planeten Erde und würden nicht verstehen, dass ein Barkeeper nicht nur für sie arbeitet. Oder dass man auch auf nicht ganz so unhöfliche Art und Weise um etwas bitten kann. Also haben wir untereinander ziemlich viel Verständnis füreinander. Man geht nach der Schicht in eine andere Bar um die Ecke und sagt: “Ah, ich habe gerade Feierabend gemacht.” Und der Barkeeper antwortet dir meist: “Setz dich doch, trink was.”
Im Ergebnis haben Leute in dieser Branche auch meist nur Dates mit Leuten aus der Gastronomie – oder zumindest mit Leuten, die sie in einer Bar oder einem Restaurant kennengelernt haben. Ich hatte neulich ein Gespräch mit meiner Therapeutin, wo ich meinte: “Alle, mit denen ich den letzten vier Jahren gevögelt habe, sind Narzissten mit einem Alkoholproblem.” Sie fragte mich: “Warum denken Sie, ist das so?”, woraufhin ich nur meinte: “Weil ich nur mit Barkeepern vögele.”
Sie haben alle unterschiedliche Probleme und unterschiedliche ausgeprägte Depressionen, derer sie sich mal mehr, mal weniger bewusst sind – aber sie sind alle irgendwie kaputt.
Ich möchte nicht für andere Menschen sprechen, ich kenne Leute, die in einer glücklichen Beziehung mit einem Barkeeper sind. Aber dieses Muster ist mir immer wieder aufgefallen. Ich glaube einfach nicht, dass man langfristig geistig und körperlich gesund bleiben kann, wenn man so viel trinkt wie die Leute, die ich kenne. Ich glaube, dass sie sich alle denken: “Mein Leben ist jetzt zwar so, aber das wird sich bald ändern.” Aber ich sehe nicht wirklich, dass irgendjemand von ihnen auch wirklich etwas verändert.
In dem Viertel, wo ich früher gearbeitet habe, habe ich mit dem Souschef geschlafen, mit dem ich zusammenarbeitete, dann noch mit jemandem, der in unserem Partnerrestaurant ein paar Häuser weiter gearbeitet hat. Und ich bin mit einem Barkeeper aus einem Laden in der Gegend ausgegangen. Manchmal weiß keiner von denen, dass ich schon mit jedem von ihnen Sex hatte, und dann reden sie untereinander und ich würde am liebsten sterben. Deshalb musste ich vor Kurzem aus dem Viertel fliehen.
In dieser Branche sind die Grenzen bei beruflichen und persönlichen Beziehungen manchmal ziemlich komisch.
In der Gastronomie trifft man immer wieder viele einsame Menschen. Es ist schwer, Grenzen zu setzen, ohne dass der andere sich dabei schlecht fühlt. Manche kommen alleine her, weil sie niemanden gefunden haben, der mit ihnen Essen geht, und sie jemanden zum Reden brauchen. Und ich weiß dann nicht, wie ich ihnen klar machen soll, dass sie die Fliege machen sollen – und zwar so, dass sie danach nicht am Boden zerstört sind und ich trotzdem das Geld bekomme, das ich für meine Krankenversicherung brauche.
Wenn ich mich richtig gut mit Gästen verstehe, dann weil ich weiß, dass ich am Ende dieser Transaktion Geld verdienen werde. Ab und zu stehe ich auch auf den einen oder anderen. Es gab da diesen Unidozenten, der lange Zeit, so gut ein Jahr, jeden Mittwoch kam. Er setzte sich, aß ein Sandwich, ich servierte ihm Bier und wir hingen einfach nur ab. Einmal kam er rein, aß sein Sandwich und fragte mich nach einem Date. Dann gingen wir die Straße runter in eine Bar, um was zu trinken, und hatten Sex.
In der Woche drauf schickte er viele ziemlich lange Nachrichten, dass er gerade aus einer sechsjährigen Beziehung raus ist und so weiter. Ich meinte nur zu ihm: “Ich will nicht, dass wir sofort im Partnerlook rumrennen. Ich will einfach nur, dass du mich zum Abendessen einlädst.” Aber er hat es einfach nicht auf die Reihe bekommen. Bevor die ganze Sache den Bach runterging, erzählte ich einer Freundin, dass ich glaubte, endlich einen Typen gefunden zu haben, der mir richtig gut tut. Wir redeten über Bücher und Filme und hatten einfach Spaß zusammen. Aber meine Freundin meinte: “Der Typ fickt einfach nur die Kellnerin. Du bist eine Fantasie und er projiziert auf dich, was auch immer ihm gefällt.” Ich dachte, er wüsste, dass ich die schlaueste, schönste, bezauberndste Kellnerin der Welt bin, aber es stellte sich dann heraus, dass er tatsächlich einfach nur mit der Kellnerin vögelte, weil er mittwochs etwas zu tun brauchte.
Deshalb muss man vorsichtig sein, wenn die Gäste zu einem meinen: “Oh, wenn wir hier fertig sind, gehen wir noch in diese Bar, du solltest mitkommen, tanzen.” Das hört sich alles ziemlich spaßig an, aber ich wenn ich da mitmache, bin ich immer noch bei der Arbeit, ich muss weiter die Kellnerin spielen.
Manchmal gehe ich mit meinen richtigen Freunden nach der Arbeit was trinken und kann eine Stunde lang nicht sprechen. Ich muss erstmal den Übergang schaffen: Vorher war ich in der Rolle der Lieblingskellnerin. Ich brauche eine Zeit, das abzuschalten und meinen Freunden gegenüber mein wahres Ich zu zeigen.
Das ist auch so eine Sache, wenn man Barkeeper datet. Man fragt sich immer: “Verstellt sich einer gerade oder sind wir einfach immer so?” Natürlich gibt es ein gegenseitiges Verständnis für unsere Arbeit und warum wir gut darin sind. Aber es gibt auch eine andere Seite, à la “Du hast mir in den letzten drei Monaten kein einziges Mal zugehört, weil du so sehr mit deiner Barkeeper-Persönlichkeit beschäftigt bist.” Es ist wirklich schwer, den anderen richtig kennenzulernen, wenn beide die ganze Zeit schauspielern.
Mittlerweile komme ich an den Punkt, wo ich keine Lust mehr darauf habe. Ich versuche herauszufinden, wie ich in dieser Branche noch wachsen kann und nicht die ganze Zeit nur zu saufen. Vielleicht gibt es auch die Möglichkeit, so zu arbeiten, dass ich auch Menschen treffen kann, die nicht in diesem Bereich arbeiten. Oder mal am Wochenende an den Strand zu fahren und so.