When Saints Go Machine genießen den Hass

Am Wochenende fand das c/o pop-Festival in Köln statt. Die dänische Band When Saints Go Machine spielten dort am Freitag ihre Show zum neuen Album Infinity Pool, mit dem sie gerade auf Tour sind. Ihr Zweitwerk ist bereits vor ein paar Wochen erschienen. Höchste Zeit und eine perfekte Gelegenheit also, endlich mal mit einem Künstler über ein Album zu resümieren und eine Bilanz zu ziehen. Das jedenfalls kann schon mal gesagt werden, Sänger Nikolaj genießt sowohl die Liebe als auch den Hass, den das neue Album auf sich zieht. Trotzdem wird er manchmal sauer, wenn er besonders dumme Sprüche von Journalisten liest. Aber er ist auch eine kleine Diva, wie wir im Laufe des Gesprächs feststellen durften.

Noisey: Euer Album ist jetzt schon seit ein paar Wochen draußen. Wird langsam alles entspannter?
Nikolaj:
Irgendwie schon. Wir spielen gerade viele Festivals und Shows, was entspannend ist, weil du nicht so viel nachdenken musst. Es ist nicht so nervenaufreibend wie die Zeit, in der das Album erscheint und du darauf wartest, was die Leute zu dem Album sagen und du es noch nie vor Publikum gespielt hast und so weiter.

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Warst du denn mit den Reaktionen zufrieden?
Ja, ich war tatsächlich sehr zufrieden. Einige Leute lieben es total und andere hassen es. Ich glaube, das ist das Beste, das passieren kann. Das haben wir vorher noch nie probiert.

Also findest du die Extreme gut?
Ja, das bedeutet doch, dass es den Leuten etwas bedeutet. Selbst, wenn sie es hassen, meinen sie es sehr ernst mit dem Hass. Das gefällt mir. Solange es nicht in der Mitte ist und es die Leute einfach nicht berührt, obwohl es zwei Jahre unseres Lebens gekostet hat und ich mir eineinhalb Jahre frei genommen habe, um es zu schreiben. Für mich wird es immer wichtig sein.

Das bedeutet auch, dass es nicht unbedingt die Masse anspricht.
Ja und das finde ich gut. Ich sehe das sehr positiv.

Du hattest im Vorhinein Angst vor der Veröffentlichung. Hat sich nun eine deiner Befürchtungen bewahrheitet?
Es ist nun mal persönlich. Du teilst mit sehr vielen Leuten etwas Persönliches und es dauert lange für uns, ein Album zu produzieren. Aber vor allem liegt es an den persönlichen Texten, das ist immer beängstigend. Nach ein paar Monaten oder einem Jahr singen die Leute plötzlich mit und das ist das Seltsamste auf der Welt, ein sehr spezielles Gefühl. Ich weiß genau, wo ich das Lied geschrieben habe und wie ich dabei alleine ein Jahr lang im Zimmer saß. Und plötzlich bist du auf einem Konzert und du hörst, wie die Leute mitsingen. Das ist wirklich komisch, auf eine gute Weise. Aber du denkst: „Das sind meine Worte, das kommt aus meinem Kopf.“ Das ist auf eine wundersame Weise sehr lustig.

Glaubst du, dass diese Angst irgendwann weniger wird, je mehr Alben ihr veröffentlicht?
Vielleicht, wenn wir ein Album machen, das uns weniger wichtig ist. Ich weiß nicht, ob ich überhaupt will, dass es weniger beängstigend ist. Manchmal möchte ich das. Es wäre schön, etwas Ansprechendes und Einfaches zu machen, aber eigentlich nicht. Das ist eine schwere Frage, denn wenn du gerade mittendrin steckst, denkst du dir: „Scheiße, warum bin ich nur so persönlich geworden?“ Darüber denkst du ja nicht nach, wenn du den Song schreibst. Du merkst das erst, wenn du das Album veröffentlichst. Jedes Magazin hat kleine Artikel oder eine Review und es sind immer nur so wenige Worte. Wie willst du denn bitte eine Zwei-Jahres-Erfahrung einer Band in ein paar Sätzen beschreiben. Das ist auch beängstigend.

Liest du das alles?
Nein, ich lese immer nur die ersten. Die kommen immer aus Dänemark, weil unsere Sachen dort zuerst erscheinen. Jetzt erreichen wir auch ein größeres Publikum, hier in Deutschland und auch den Rest von Europa und die USA. Also lese ich natürlich nicht alles.

Wirst du nicht mal sauer wegen der Interpretationen oder so?
Ja, manchmal. Aber nur, wenn jemand den falschen Ausgangspunkt wählt. Weißt du, wie man immer Songs wählt und sagt, das ist gut daran, das auch, das nicht. Und wenn das, was du dir aussuchst, sehr einseitig ist, dann werde ich ein bisschen sauer. Oder ein Journalist schrieb: In Infinity Pool kann man definitiv einmal eintauchen. Ich dachte mir: „einmal eintauchen?“. Das waren zwei verdammte Jahre meines Lebens, du beschissenes Arschloch. Aber einen Tag später ist es auch wieder egal. Es ist wichtiger, konzentriert zu bleiben, mehr Musik zu machen und sie live zu spielen. Für uns ist es auch eine große Sache, alles, das wir im Studio gemacht haben, wieder auf der Bühne zu reproduzieren. Und das ist wichtig und befriedigt uns. Reviews und so weiter sind nur für eine Sekunde befriedigend, aber danach sind sie wieder unbedeutend, und das sollte auch so sein. Viel wichtiger ist doch, dass Leute noch unsere Musik hören. Also ist das Publikum wichtig.

Auf „Love & Respect“ gibt es einen Rap-Part von Killer Mike. Wie kam es dazu?
Wir haben den Track gemacht und dachten dann, dass er wie ein zurückgeworfener 90er Jahre Rap-Song klingt. Wir dachten zuerst, daraus wird ein Intro für etwas anderes. Anfangs war es nicht einmal ein When Saints Go Machine-Track. Eigentlich war er für ein anderes Projekt gedacht, es ist kein Solo-Projekt, ich arbeite mit jemand anderem daran. Wir haben es dann aus dem Projekt rausgezogen und es ist von einem Intro zu einem When Saints Go Machine-Song geworden. Und dann dachten wir, wir sollten einen Rapper holen. Wir lieben Southern Rap und ich war schon Jahre lang Killer-Mike-Fan. Und es war einfach cool, ihm gefiel der Track und die Vocals.

Gibt es andere Rapper, mit denen du gerne arbeiten würdest?
Ja, von den neuen… Naja, was heißt neue, die machen nun auch schon seit Jahren Musik. Ich mag Danny Brown sehr gerne oder wenn wir die Chance hätten mit Jay-Z zu arbeiten, wäre es auch großartig und auch noch einige andere.

Wie sieht’s mit Kanye aus?
Kanye? Ja, also ähm, ja natürlich! Ich habe das neue Album noch nicht gehört, aber Silas (Anm. d. Red.: der Schlagzeuger) findet es unglaublich. Er denkt, dass alles von Kanye unglaublich ist. Ich freue mich auch sehr auf das Jay-Z-Album. Ich könnte jetzt noch eine Menge nennen, aber das waren ja jetzt schon mal ein paar.

Ich könnte mir vorstellen, dass es schwer ist, mit Kanye zu arbeiten. Er ist bestimmt eine Diva.
Ja, wahrscheinlich. Trotzdem wäre es eine tolle Erfahrung. Aber wir sind alle Diven.

Alle vier?
Ja, absolut. (lacht)

In eurem Pressetext steht, dass Skandinavier sehr organisiert und ordentlich sind. Ich habe davon noch nicht gehört, ist das tatsächlich so?
Ordentlich? Vielleicht meinen sie dänisches und skandinavisches Design mit den klaren Linien. In unserem Fall macht das auf jeden Fall keinen Sinn, aber könnte sein. Es ist immer sehr einfach für die Leute, irgendetwas Typisches zu bestimmen.

Das trifft also nicht auf dich zu.
Nein, meine Wohnung ist ein Saustall. (lacht)

Gibt es irgendwelche Klischees, bei denen du manchmal feststellen musst, dass sie auf dich zutreffen?
Vielleicht zugeknöpfte Shirts. Das macht jeder in Dänemark. Das ist ein Klischee.

Und die stylischen Leute.
Ja, das stimmt. Das stimmt wirklich. Jeder sagt das. Jeder, der nach Kopenhagen kommt und mich besucht, sagt: „Oh, die Menschen sind so schön hier.“ Es ist aber gar nicht so, dass alle Leute hübsch sind. Sie sind einfach sehr ordentlich angezogen und alles sieht perfekt aus.

Na, das ist doch organisiert und ordentlich.
Ja, vielleicht kommt das daher. Die Leute haben einfach zu viel Geld, wenn du mich fragst.

Ihr spielt heute Abend beim c/o Pop-Festival, das dieses Jahr zehnjähriges Jubiläum feiert. Hattest du schon mal ein zehnjähriges Jubiläum, irgendetwas, wo du zurückgeblickt hast und dachtest, das geht aber schon lange?
Nee, irgendwie nicht, nur Musik machen. Ich habe das irgendwann gemerkt. Ich mache Musik und schreibe und produziere Songs schon über die Hälfte meines Lebens. Das ist verrückt. Das sind mehr als zehn Jahre, das sind… naja, mehr als zehn Jahre eben.

Infinity Pool ist bei !K7 Records erschienen.

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