Alt-Porn ist ein Genre, über das die meisten Porno-Konsumenten irgendwann stolpern werden, und für manche Leute kann das Ganze erstmal etwas verwirrend anmuten. Im Grunde ist Alt-Porn eine Art Sammelbegriff für alle Nischen und Fetische, die in den gewöhnlichen Pornhub– und Bangbros-Videos vernachlässigt werden—von relativ harmlosen Dingen wie weiblicher Körperbehaarung und Piercings bis hin zu extremeren Sachen wie Pegging oder Natursekt. Außerdem sind darin oft Darsteller zu sehen, die in traditionelle Porno-Streifen nicht wirklich reinpassen würden—einige von ihnen sind nämlich körperlich behindert.
Einer meiner ehemaligen Kommilitonen hat vor Kurzem in der Alt-Porn-Branche angefangen. Sein Künstlername lautet Daniel James und er hat gerade seinen ersten Porno für Spit Magazine gedreht—eine Website, die sich der natürlichen und alternativen Sexkultur verschrieben hat. James wurde mit infantiler Zerebralparese geboren und unterzog sich während seiner Kindheit und Jugend mehrerer Operation, um seiner verkümmerten Muskulatur entgegenzuwirken, wegen der er nur unter Schmerzen und Unbehagen laufen oder aufrecht stehen kann.
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Wir haben uns mit James unterhalten, um mehr über seinen Start in der Porno-Brache, die Rolle seiner Behinderung und seine Meinung zum Thema Alt-Porn zu erfahren.
VICE: Wir wirkt sich deine Zerebralparese auf dein Sexleben aus?
Daniel James: Natürlich hat meine Krankheit schon immer einen riesigen Einfluss gehabt. Dabei ist das Ganze manchmal hinderlich—vor allem wenn es darum geht, Frauen für Dates und ungezwungenen Sex zu finden. Um es mal ganz unverblümt zu sagen: Die größte Schwierigkeit bei einer solchen Behinderung ist doch, jemanden davon zu überzeugen, dass sich der Sex wirklich lohnt und nicht komisch ist.
Mit der Zeit habe ich dann herausgefunden, was mit meinen körperlichen Einschränkungen im Bett funktioniert und was nicht. Ich weiß, was ich zu erwarten habe. Mein Selbstbewusstsein wuchs immer weiter—und zwar nicht nur sexuell gesehen.
Warum hast du dich für eine Porno-Karriere entschieden?
Ich bin ein ziemlich offener Mensch. Diese Branche hat mich schon immer fasziniert und als ich mit dem Gedanken einer Porno-Karriere spielte, war ich bereits Teil der sex-befürwortenden Gemeinschaft hier. Der Wunsch wurde immer größer und schließlich bin ich bei Spit gelandet.
Sollten Leute, die auf irgendeine Art und Weise „anders” sind, deiner Meinung nach eine größere Rolle in Pornos spielen?
Ich glaube, dass wir uns schon in diese Richtung entwickeln, aber es ist noch ein langer Weg. Ich fühle mich jetzt nicht irgendwie beleidigt, weil Alt-Porn noch als etwas Außergewöhnliches angesehen wird, aber trotzdem muss sich das ändern. Ich glaube schon, dass Sachen wie Spit in Zukunft immer mehr Einfluss haben werden.
Wie wohl fühlst du dich nackt und wie lange hat es gedauert, dich dahingehend zu entwickeln?
Aufgrund meiner Behinderung hatte ich lange Zeit Probleme mit meinem Körper. Ich musste mich diesem Thema mit der Zeit immer mehr öffnen. Das Ganze war jedoch ein schleichender Prozess und es hat mir viel abverlangt, einen Punkt zu erreichen, an dem ich mich wohl in meinem Körper fühle. Nackt zu sein, ist dabei besonders schwierig, aber die sex-befürwortende Gemeinschaft hat für mich vieles zum Positiven verändert.
Das klingt für mich so, als hätte dir dein Körper anfangs zu schaffen gemacht, aber jetzt fühlst du dich nicht nur wohl, sondern bist auch noch selbstbewusst und stolz. Wie kommt das?
Ich glaube nicht, dass ich schon so weit bin. Bei meinem ersten Dreh hatte ich zum Beispiel starkes Lampenfieber, weil sich andere Leute das Video ja später anschauen würden und ich mich deswegen fragte, wie das alles überhaupt rüberkommt. Ich glaube jedoch schon, dass ich immer selbstbewusster werde.
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Wie ist es dir bei deinem ersten Dreh sonst so ergangen?
Eigentlich lief das alles schon ganz gut. Vor dem eigentlichen Sex haben meine Drehpartnerin und ich uns ausgiebig darüber unterhalten, wo unsere Grenzen liegen, auf was wir stehen, was uns in Stimmung bringt und welche Stellungen wir machen wollen. Wir wollten das Ganze einfach so entspannt angehen wie möglich. Ich habe dann natürlich auch noch erklärt, welche Sachen ich mit meiner Zerebralparese durchziehen kann und welche nicht.
Billy Autumn, deine Drehpartnerin, hatte während der Aufnahmen ihre Periode, was aber auch so gewollt war. Viele Männer finden das ja ziemlich eklig, aber für dich war das kein Problem?
Absolut nicht. In meinem privaten Sexleben bin ich ja auch ziemlich offen. Im Bezug auf Geschlechtsverkehr kenne ich nur wenige Grenzen und wenn irgendjemand zum Beispiel vorschlägt, dieses und jenes Sexspielzeug zu verwenden oder einen bestimmten Fetisch auszuprobieren, sage ich garantiert nicht sofort Nein. Ich probiere gerne neue Sachen aus. Bei der ganzen Szene ging es ja auch total hygienisch zu. Ich musste dazu noch ein Kondom tragen und fühlte mich deswegen also kein bisschen unwohl.
Was ging dir dann durch den Kopf, als die Kamera schließlich eingeschaltet wurde?
Am Anfang hatte ich noch etwas Probleme damit, steif zu bleiben, denn bei einer solchen Sache schießen einem einfach tausend verschiedene Dinge durch Kopf und die Crew will ständig, dass etwas noch mal gedreht wird oder dass man sich für den perfekten Aufnahmewinkel irgendwie anders hinsetzt und so weiter. Außerdem fragt man sich ständig, ob man gut performt und wie das Ganze später aussehen wird. Als es jedoch richtig ans Eingemachte ging, wurde alles etwas entspannter und ich konnte meine Leistung bringen.
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Ist beim Dreh irgendetwas Komisches oder Außergewöhnliches vorgefallen, das dich etwas aus der Bahn warf?
Das nicht, aber ich fand es doch irgendwie lustig, wie viele Unterbrechungen es beim Porno-Dreh gibt—es wird gar nicht alles auf einmal aufgenommen. Ständig wird aufgehört, dann wird irgendetwas beredet und darüber diskutiert, was funktioniert und was nicht, und die Crew frotzelt herum, weil man gerade Sex hat. In den Videos sieht das alles immer total heiß und erotisch aus, aber in echt ist es eher witzig.
Wie hast du dich dann gefühlt, nachdem dein erster Porno im Kasten war?
Das war schon ein ziemlich überwältigendes Gefühl. Ich bin nach dem Dreh nach Hause gelaufen und habe mir nur gedacht: „Verdammt, ich habe das wirklich durchgezogen.” Mit 15 oder 16 hätte ich niemals geglaubt, dass ich so etwas eines Tages tatsächlich mal machen würde. Ich bin richtig zufrieden mit mir und meinem Selbstbewusstsein hat das Ganze auch sehr gut getan.