Wie es ist, als Tourkoch für Popstars zu arbeiten

Mit 23 arbeitete ich als Koch in London. Einer meiner besten Freunde, auch Koch, hat für Madonnas Crew auf Tour gekocht. Nach drei Monaten kam er wieder zurück und erzählte mir die wahnwitzigsten Geschichten. Da wusste ich sofort, dass ich das auch machen will. Ich habe meinen Job im Restaurant gekündigt und mich bei einer Agentur angemeldet, die Tourköche vermittelt.

Katy Perry wollte jeden Tag Rosenkohl essen.

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Mein erster Auftrag hatte wenig mit Rock’n’Roll zu tun: Ich war zwei Wochen mit Opernsänger Andrea Bocelli auf Tour. Ich hatte keine Ahnung, wer er war, ich wusste nur, dass er blind war. Eine Woche später wurde ich mit Crowded House auf Tour geschickt. Meine Eltern haben früher viel Crowded House gehört und ich mochte ihre Musik. Wir sind durch ganz Großbritannien getourt und dabei haben sich alle Vorurteile über die Briten, Iren, Schotten und Waliser bestätigt: Die können mehr trinken als jeder andere. Je tiefer wir in die ländlichen Gegenden kamen, desto mehr haben die Leute gesoffen und desto weniger Zähne hatten sie deshalb noch im Mund.

Mit der Crew hatte ich echt viel Spaß. Außerdem war die Vorband die Band von Neil Finns Sohn. Die Jungs waren alle in meinem Alter und wir haben hinter dem Tourbus immer extrem viel gekifft.

Für Crowded House zu kochen war total angenehm.Die Band hat sich echt dafür interessiert, was ich koche und hat mir alle Freiheiten gelassen. Sie waren nicht auf irgendeiner besonderen Diät und es gab nichts, das sie nicht mochten. Leider sind nur wenige Künstler so einfach. Die meisten Musiker mögen kein fettiges, salziges oder süßes Essen. Bei späteren Aufträgen habe ich meist zwei Mal gekocht: ein Essen für die Crew und das andere für die Musiker. Es gab zwar noch nicht diesen Hype um Superfoods, aber viele Künstler bestellten schon damals Gerichte mit Nüssen, irgendwelchen Körnern und Samen, gedämpftem Gemüse oder Quinoa. Zu meiner Freude wollte Katy Perry jeden Tag Rosenkohl essen. Je größer die Crew, desto mehr musste ich zubereiten. Daher konnte ich manchmal auch ein großes Schwein braten. Oder Space Cakes backen.

Die erste große Europatour habe ich mit Supertramp gemacht—mein persönlicher musikalischer Alptraum. Die Band war auch nicht wirklich umgänglich. Damals waren Supertramp schon nicht mehr so erfolgreich. Sie wollten wahrscheinlich noch eine große Tour machen, um ordentlich Kohle einzufahren. Nach jeder Show sind sie sofort mit einem Taxi zu ihrem Privatjet gefahren. Andere Künstler wie Katy Perry oder Paul McCartney haben das nie gemacht.

Ich wusste nie, wo ich kochen würde. Ich habe in den Umkleiden, hinter der Bühne und manchmal auch auf dem Flur gekocht. Wenn ich großes Glück hatte, gab es für mich einen abgetrennten Kochbereich mit Herd. Beim dritten Konzert mit Supertramp waren wir in der Arena von Verona in Italien. Ich sollte meine Behelfsküche an den historischen Mauern dieses wunderschönen Amphitheaters aufbauen, das war schon beeindruckend. Eine Stunde nach dem Essen haben sie mit dem Konzert angefangen und als sie auf der Bühne waren, fing es sofort an zu regen. Der Anblick war eine ziemliche Genugtuung, das hört sich fies an, ich weiß. Aber ich musste jeden Abend ihre beschissene Musik ertragen. Noch heute fange ich an zu zittern, sobald ich „Dreamer” höre. Ihr Rock’n’Roll-Lifestyle hat mich aber dennoch irgendwie beeindruckt: Sie sind in ihrem Privatjet um die ganze Welt geflogen und feierten Champagnerpartys in riesigen Stretch-Limos.

Als sie auf der Bühne waren, fing es sofort an zu regen. Der Anblick war eine ziemliche Genugtuung, das hört sich fies an, ich weiß. Aber ich musste jeden Abend ihre beschissene Musik ertragen.

Als ich als Tourkoch angefangen habe, gab es für mich nichts Besseres, als das Leben im Tourbus. Da gibt es alles, was man braucht: Alkohol, mehrere Fernseher mit Spielekonsolen, Essen, Filme—nur das Beste vom Besten. Erholsamer Schlaf war eh überbewertet und die ganze Zeit stritten wir uns wegen der Musikauswahl. Am Ende einer Tour sah der Bus meist so aus, als hätten sich Mötley Crüe darin monatelang ausgetobt. Das Bad war der einzige saubere Raum, denn Scheißen war im Bus verboten. Aus ganz einfachem Grund: Wenn man auf kleinstem Raum zusammenwohnt, ist wohl nichts schlimmer, als ein hartnäckiger Kackegeruch im ganzen Bus.

Einmal habe ich den Bus fast angezündet. Mit Absinth. Dafür nimmt man einen Zuckerwürfel, legt ihn auf einen Absinthlöffel über ein Glas, gießt den Absinth (immerhin 80 Vol.-%) drüber, zündet den Zucker an und rührt dann noch einmal um.Bei mir fing jedoch sofort alles Feuer, ich muss wohl nach den ganzen Cocktails ziemlich viel Absinth daneben geschüttet haben. Glücklicherweise konnte ich die Flammen schnell mit einem Handtuch ersticken. Drogen gab es auch zuhauf. In jeder Stadt hatten wir eine Art Laufburschen, jemanden, der wusste, wo man das gute Zeug bekommen kann, entweder Essen oder eben Betäubungsmittel. Wir haben ihm einfach eine Liste mit unseren Drogenwünschen gegeben und er hat uns Nachschub besorgt.

Ich bin bei Weitem kein Heiliger, aber zu meiner Zeit als Tourkoch hatte ich meine schlimmste Drogenphase schon hinter mir. Manchmal habe ich noch ein bisschen Gras geraucht. Aus dem Grund bin ich wahrscheinlich auch nicht weiter auf Tour gefahren. Versteht mich nicht falsch: Die Musiker waren jetzt nicht die ganze Zeit mit Kiffen oder Koksen beschäftigt, aber die meisten Crewmitglieder (vor allem die vom Catering) sind gerne mal ein bisschen durchgedreht. Es ist schließlich allgemein bekannt, dass Köche Alkohol und Drogen lieben und bei Tourköchen geht diese Liebe eben noch ein Stückchen weiter. Während die harten Rocker ganz still ihre Portion Quinoa essen, ist die Crew meist komplett dicht.

Aber der Job ist auch kein Zuckerschlecken: Täglich habe ich 18 Stunden lang gearbeitet und konnte nur Pause machen, während wir zum nächsten Tourstopp fuhren. Wenn ich frei hatte, war das toll. Jeden Tag habe ich in den Arenen, Tourbussen und Konzerthallen immer die gleichen Gesichter gesehen, also habe ich an meinen freien Tagen die Crew eher gemieden. Aber ich war eben einsam. Die Produktionsfirma hat uns auch immer ein gutes „Taschengeld” zusätzlich zum normalen Lohn gegeben. Damit bin ich dann immer in Michelin-Restaurants essen gegangen. Heute verdiene ich nicht mehr so viel und kann mir das nicht mehr so einfach leisten. Ich glaube, als Koch werde ich nie wieder so viel verdienen.

In seinem Buch Geständnisse eines Küchenchefs: Was Sie über Restaurants nie wissen wollten schrieb Anthony Bourdain: „Dein Körper ist kein Tempel, sondern ein Freizeitpark. Gute Fahrt und viel Spaß!” Viele der Leute auf Tour haben sich diese Weisheit etwas zu sehr zu Herzen genommen. Diese Art zu Leben ist faszinierend, aber auch ziemlich ungesund. Nach zwei Jahren war es für mich genug. Ich wollte nicht so werden, wie einige der Leute, die ich auf Tour gesehen habe. Lieber bin ich der Langweiler von nebenan, der einfach nur ein normales Leben führt—so weit wie das für einen Koch überhaupt möglich ist.