Wie es sich anfühlt, wegen des Aussehens von der Polizei kontrolliert zu werden

“Die Klientel, die so aussieht wie das, was letztes Jahr Probleme gemacht hat, wird gezielt herausgezogen”, sagte ein Polizist zu unserer Reporterin, die am Kölner Hauptbahnhof die Silvesternacht verbrachte. Ist es falsch, die Männer, die den Täterprofilen des letzten Jahres entsprechen, gezielt herauszuziehen? Wo endet die Rationalität? Wo beginnt Racial Profiling? Diese Diskussion führen die Menschen in Deutschland seit der Silvesternacht.

Dass Leute von der Polizei kontrolliert werden, weil sie optisch in ein Raster fallen, passiert nicht nur an Silvester in Köln, sondern jeden einzelnen Tag: im Zug, in Geschäften, in der U-Bahn. Wenn Menschen wegen ihrer vermeintlichen Herkunft kontrolliert werden, nennt sich das Racial Profiling. Dass Menschen wegen ihres Aussehens kontrolliert werden, passiert auch anderen: Linken, die “szenetypisch” aussehen, oder einfach dem Typen mit Dreadlocks. Wir haben mit vier Menschen gesprochen, für die Personenkontrollen Alltag sind.

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Ozan, 19, aus Herne

Ozan (links) und seine beiden Cousins an diesem Silvester am Kölner Hauptbahnhof | Foto: privat

Am Silvesterabend bin ich um halb zehn mit meinen beiden Cousins am Kölner Hauptbahnhof angekommen. Wir wollten an den Kölner Ringen feiern. Dass viel Polizei am Bahnhof sein würde, haben wir uns schon gedacht. Als wir zum Hintereingang raus wollten, wurden wir direkt von einem Polizisten angehalten: “Sie sehen nordafrikanisch aus, wir müssen Sie kontrollieren.” Als wir dann unsere deutschen Ausweise gezeigt haben, flüsterte ihm ein Kollege zu “Deutsche kontrollieren wir nicht” und meinte zu uns, dass wir gehen können. Die absurde Situation hat uns geschockt.

Draußen am Bahnhof kam die nächste Kontrolle. Dort wurden wir mit hundert anderen Männern von Polizisten und Absperrungen eingekesselt, wegen unseres Aussehens. Bestimmt 70 Prozent der Leute um uns herum haben kein Deutsch gesprochen—die wussten gar nicht, was passiert. Wir haben 45 Minuten gewartet und dass wir deutsche Pässe hatten, half uns auch nicht mehr. Manche Leute haben sich aufgeregt, weil sie so lange warten mussten, die wurden dann von der Polizei mit den Worten rausgezogen: “Du verbringst die Nacht in der Zelle.” Ich habe mich durch die Kontrolle nicht so schlimm gefühlt, weil ich es nach dem letztem Jahr nachvollziehen konnte, aber ich habe mich gefragt, was all diejenigen von uns Deutschen denken, die unsere Sprache nicht sprechen.


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Irgendwann habe ich eine Polizistin angesprochen, dass sie uns jetzt bitte kontrollieren soll. Wir mussten unseren Ausweis zeigen und wurden abgetastet, dann durften wir endlich gehen. Überall am Dom herum gab es wieder Kontrollen, die waren aber alle ein bisschen freundlicher. Nach Mitternacht wurden wir dann an den Kölner Ringen wieder kontrolliert.

Viermal wurde ich an diesem Abend wegen meines Aussehens von der Polizei durchsucht, das macht mich schon wütend. An Polizeikontrollen bin ich aber leider gewohnt, das passiert auch, wenn ich in der Düsseldorfer Altstadt oder der Dortmunder Nordstadt feiern gehe.

Hassan Lazouane, 58,aus Stuttgart

Hassan arbeitet als Schauspieler | Foto: privat

Ich lebe seit ich zwölf bin in Deutschland, bin mittlerweile 58 Jahre alt, spreche Schwäbisch und arbeite als Schauspieler. Über “Racial Profiling” könnte ich ein Buch schreiben, so viel habe ich da erlebt. Ich wurde gefühlt schon überall kontrolliert. Im Zug kamen einmal zwei Polizisten auf mich zu und haben mich mitgenommen auf die Wache, ohne irgendeinen Grund. Am Bahnhof habe ich mal Leberkäse gegessen und ein Weißbier getrunken, da kamen zwei Polizisten und haben mich kontrolliert. Am Flughafen musste ich mich dafür verantworten, dass ich zwei Laptops dabei hatte und wurde dann auf Sprengstoff und Drogen kontrolliert. Ich könnte noch lange so weiter erzählen.

Es fühlt sich wahnsinnig scheiße an. Man wird vorgeführt, wird plötzlich von allen angeschaut und die Menge applaudiert, wenn der Schwarzkopf abgeführt wird. Natürlich durfte ich später immer wieder gehen, wenn die Papiere gecheckt waren, aber die Demütigung vorher bleibt und dann hörst du kein “Entschuldigung” oder eine Erklärung. Ich war eine Zeit lang selber im Polizeidienst als Polizeifreiwilliger und habe als Marokkaner mit Polizeiuniform für viel Getuschel und komische Blicke gesorgt. Trotzdem habe ich viel mehr Respekt und Anerkennung zu spüren bekommen, sobald ich die Uniform anhatte.

Einmal war ich zivil in einem Kosmetikgeschäft und wollte ein Parfüm für meine Freundin aussuchen, da tippt mir plötzlich jemand auf die Schulter: Die Geschäftsführerin hatte die Polizei gerufen, weil sie mich für einen Dieb hielt, und hat gesagt: “Das ist einer von denen.” Jetzt aber das Gute: Der Polizist kannte mich und meinte nur: “Nee, der Hassan war das sicherlich nicht.” So schön endet eine Kontrolle aber meistens nicht.

Jonas, 21, aus München

Es kam schon vor, dass mir Polizisten direkt ins Gesicht gesagt haben, dass sie mich wegen meiner Dreads kontrollieren—und dass ich doch wissen müsste, dass man mit Dreads kontrolliert wird.

Angefangen hat es in der Schule. In der Nähe gab es einen Platz, an dem gedealt wurde. Wenn ich an der entsprechenden U-Bahn-Station mit der Rolltreppe hochgefahren bin und sich ein paar Polizisten mit Blicken und leisen Worten abgesprochen haben, wusste ich schon, was kommt. Zweimal haben sie kontrolliert, ob mein Fahrrad geklaut ist, meistens ging es aber um Gras. Immer dieselben Fragen:
“Haben Sie was dabei?” – “Nein.”
“Rauchen Sie?” –”Nein.”
“Haben Sie wirklich nichts dabei, das ist ihre letzt Chance?” – “Nein.”
“Wohin wollen Sie?” – “Zu Freunden.”
“Was machen Sie da?” – “Argh.”

Richtig nervig wurde es später, mit 20, da wurden die Polizisten hartnäckiger. Ich komme die Rolltreppe hoch, sie sprechen sich in Sichtweite ab, durchsuchen meine Tasche, schauen meinen Ausweis an, stellen ihre Fragen. Dann kam nach dem üblichen Prozedere aber noch ein kumpelhafter, scheinheiliger Nachschub: “Sie tragen eine Bob-Marley-Tasche, was verbinden Sie mit dieser Person?” oder “Sie haben jetzt nichts dabei, aber unter uns, zu Hause, da kann man schon mal einen rauchen?” Da frag ich mich schon: Bringen die euch sowas auf der Polizeischule bei? Denkt ihr echt, ich merke nicht, was ihr gerade versucht?

Irgendwann habe ich angefangen zu signalisieren, dass ich auf das ewige Nachgefrage keinen Bock habe. Jetzt halte ich einfach meine Tasche hin und sage: “Hier, ich habe nichts dabei. Machen Sie Ihren Job, aber machen Sie bitte schnell, ich hab’s eilig und keine Lust auf lange Fragen.” Aber ganz ehrlich: Menschen mit Migrationshintergrund haben es viel schwerer mit Polizeikontrollen als ich mit meinen Dreadlocks.


Hicham, 28, aus Düsseldorf

Ich bin halb Marokkaner, haIb Deutscher und meine deutschen Wurzeln sieht man mir nicht an. In der Zeit von 2012 bis 2014 bin ich regelmäßig von Düsseldorf nach Oberhausen zur Arbeit gefahren. In den Regionalbahnen wurde ich oft von uniformierten Beamten und Zivilpolizisten kontrolliert. Es ist nicht so, dass ich jeden Tag kontrolliert wurde. Wenn aber Polizisten in den Zug eingestiegen sind, dann in der Hälfte der Fälle als Einziger.

Einmal saß ich die gesamte Zugfahrt neben einem Arbeitskollegen, einem älteren deutschen Mann und ich wurde wieder kontrolliert. Auf die Frage meines Kollegen, warum die Polizei nur mich kontrolliere und ihn nicht, konnten die Beamten keine nachvollziehbare Antwort geben. Das hat mich gestört, aber ich habe mir auch die Frage gestellt, ob ich nur kontrolliert wurde, weil ich offensichtlich Migrationshintergrund habe oder sie doch auf der Suche nach jemandem sind, der mir ähnlich sieht. Trotzdem ist das ein Scheißgefühl, aufgrund seines Aussehens ständig verdächtigt zu werden.

Seit ich 17 Jahre alt bin, höre ich an Bahnhöfen, ob alleine oder in einer Gruppe, die Worte: “Polizei—allgemeine Personenkontrolle.” Damit habe ich mich abgefunden. Mich stört es aber, wenn die so mit mir reden, als würde ich kein Deutsch verstehen, oder mich ungefragt duzen. Spätestens wenn die Polizisten sehen, dass ich einen deutschen Nachnamen habe, wirke ich dann in ihren Augen um einiges harmloser. Mich dann gehen zu lassen, ist mindestens genauso absurd, wie mich aufgrund meines Aussehens aus der Reihe zu ziehen.

Protokolle: @SFaltenbacher, @FabianHerriger, @DanielFrevel, @BerivanKilic
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