Wie eine umstrittene Netzwerk-Firma versuchte, ZHAW-Studierende zu rekrutieren

Als Student ohne elterlichen Mieterlass probiert man meistens viele verschiedene Verdienstmöglichkeiten aus. Aber egal ob du dir als Kellner, Escort oder Modeverkäuferin dein Dasein finanziert, früher oder später spielt jeder mit dem Gedanken, sein eigener Chef zu sein.

Genau an dieses Bedürfnis knüpft die Firma Forever Living Products an. Der amerikanische Konzern verkauft Kosmetika und Nahrungsmittelergänzungsprodukte im Direktvertrieb und sucht laufend junge Verkäufer, die selbstständig arbeiten wollen. Das klingt erst mal vielversprechend.

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Doch die Sache hat einen Haken: Die Netzwerk-Marketing-Firma, die bereits zehn Millionen selbstständige Verkäufer hat, steht seit längerem im Verdacht, ihren Profit mit einem Schneeballsystem zu erwirtschaften, einer illegalen Praxis, die auf dem Prinzip einer ständig wachsenden Teilnehmerzahl beruht. Ein paar wenige an der Spitze profitieren, während der grosse Rest sein investiertes Geld verliert, weil er keine neuen Verkäufer findet. Das ist aber schwer zu beweisen und von aussen zu durchschauen. Einen Einblick in die perfiden Methoden, mit denen zahlreiche amerikanische Netzwerk-Marketing-Unternehmen funktionieren, bot Talkmaster John Oliver kürzlich in seiner Sendung:

Forever Living Products wird im obigen Beitrag zwar nicht erwähnt, doch im Jahr 2014 zeigte die SRF-Sendung Kassensturz bereits detailliert auf, mit welchen fragwürdigen Mitteln die Firma ihre Mitarbeiter in der Schweiz anwirbt und ihre Verkäufe zu steigern versucht: An Rekrutierungsevents wurden gemäss dem Bericht Interessierten das grosse Geld versprochen und angeworbene Verkäufer konnten trotz Zusicherungen ihre unverkaufte Ware nicht zurückgeben. Auch das Schweizer Konsumentenforum geht auf Anfrage von VICE davon aus, dass Forever Living Products mit einem Schneeballsystem funktioniert. Nun scheinen Mitarbeiter der Firma gezielt Studierende der ZHAW als weitere Verkäufer gewinnen zu wollen.

In E-Mails, die VICE vorliegen, haben Forever Living Products-Verkäuferinnen und Studentinnen der Lebensmitteltechnologie ihre Mitstudierenden Ende Oktober dazu aufgerufen, an Infoveranstaltungen der Firma teilzunehmen. Benutzt haben sie dafür einen offiziellen Mail-Verteiler der ZHAW. Zudem hat eine Verkäuferin ein Inserat ins Intranet der Hochschule gestellt.

Ausschnitt aus einem der Mails der Forever-Living-Verkäuferinnen

Die ZHAW-Sprecherin Franziska Egli Signer sagt auf Anfrage von VICE, dass sie die Mails nicht gekannt habe und diese gegen die internen Richtlinien verstiessen. “Wir haben das Inserat nun gelöscht und die Studentinnen auf die missbräuchliche Nutzung der IT-Infrastruktur aufmerksam gemacht”, so Egli Signer.

Die studentischen Verkäuferinnen gingen beim Verfassen der Werbung für die Events geschickt vor. Weder der Firmenname noch der Veranstaltungsort werden in ihrem Mail und dem Inserat erwähnt. Es ist lediglich davon die Rede, dass man einen einfachen Weg, Geld zu verdienen, anbieten würde.

Weniger geschickt ist die Erwähnung einer “holistischen Gesundheitsberaterin der ETH“, die als Gastreferentin am Infoanlass angepriesen wird. Eine einfache Google-Recherche zeigt, dass die erwähnte “Expertin” zwar an der ETH arbeitet, jedoch lediglich als Büroangestellte ohne wissenschaftlichen Bezug zur Hochschule.

Auch die Studentin Lydia Tanner* hat ein Mail der Verkäuferinnen bekommen und sich bei VICE gemeldet. Sie kennt mehrere Leute, die bereits für Forever Living Products Aloevera-Tinkturen und Nahrungsergänzungsmittel vertreiben. “Die Produkte an sich sind nicht das Problem, die finde ich teilweise super. Es ist das Vertriebssystem. Ich habe bemerkt, dass Freunde, die dort angestellt waren, bald nur noch Verkäufe als Thema hatten. Sie wirkten verzweifelt und wollten mich und Bekannte unter einem Vorwand immer wieder dazu drängen, Proteinpulver im Wert von über 5.000 Franken zu kaufen”, sagt sie gegenüber VICE.

An einem der im Mail angepriesenen Treffen teilgenommen hat ZHAW-Studentin Andrea Fiechter* und ein paar ihrer Kommilitonen: “Wir sind uns ziemlich verarscht vorgekommen. Wir wollten am Event nur mehr über die Pflanze Aloevera erfahren, stattdessen wurden uns haarsträubende Dinge erzählt”, sagt sie zu VICE. So habe die “ETH-Expertin” verkündet, dass man nie mehr krank werden würde, wenn man täglich den Aloevera-Saft von Forever Living Products trinke.

Forever Living Products Jurist Sven Horlbeck distanziert sich auf Anfrage von VICE vom Vorgehen der Verkäuferinnen: “Wir nehmen Abstand von solchen Marketingpraktiken. Es liegt uns am Herzen, dass unsere AGBs eingehalten werden.” Den Verkäuferinnen würde die Kündigung drohen.

Ob das Unternehmen solche heimlichen Marketingaktionen in Zukunft wirklich verhindern kann, ist fraglich. Schon alleine wegen der schieren Menge an Verkäufern, die es beschäftigt und deren Angst, ihre eingekauften Produkte nicht mehr loswerden zu können.

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*Namen von der Redaktion geändert


Titelbild: Screenshot von foreverliving.com