Wie geschmiert



In Italien, einem Land am Rande des Bankrotts, ist es geradezu lächerlich, auf welch einfachem Weg man sich eine lebenslange Diät für parlamentarische Tätigkeit sichern kann. Man muss nichts weiter tun, als an einer einzigen Legislaturperiode teilzunehmen, und sei es nur für einen Tag, und eine monatliche Summe zwischen 1.800 und 10.000 Euro nach der „Pensionierung“ ist garantiert. Im vergangenen Jahr haben die Italiener über 205 Millionen Euro dafür gezahlt, dass ehemalige Mitglieder von Camera und Senato, den beiden gesetzgebenden Häusern, ihren Lebensabend weiterhin komfortabel gestalten konnten.

Nach einem Gesetz aus dem Jahr 1997 ist es Unterhausabgeordneten vor dem 65. Lebensjahr verboten, diese Diäten einzustreichen, aber es galt nicht rückwirkend. So konnten „Abgeordnete“ wie Angelo Pezzana, Pietro Graveri, Luca Boneschi und Renè Andreani, die jeweils nur einen Tag lang physisch im Parlament saßen, sich gut für ihr weiteres Leben absichern. Angewidert wie immer von der Absurdität der italienischen Politik, wandte ich mich an Gian Antonio Stella, einen Enthüllungsjournalisten und Autor des Bestsellers La Casta (Die Kaste, 2007, ein Enthüllungsbericht über die zügellose Korruption in der italienischen Regierung). Ich wollte mir ein Bild davon machen, wie übel die Verhältnisse tatsächlich geworden waren.

VICE: Der Skandal um die Diäten der Parlamentarier reiht sich ein in eine ganze Serie frappierender Fälle von Machtmissbrauch durch italienische Politiker. Wie wirkt sich so ein Skandal auf deren ohnehin schon ruiniertes Ansehen beim Durchschnittsitaliener aus?
Gian Antonio Stella:
Sehr stark. Das Problem ist, dass man keine Reformen umsetzen kann, wenn man die Kosten der politischen Kaste nicht reduziert. Ich stünde finanziell schlechter da, wenn das staatliche Rentensystem geändert würde, aber ich glaube, dass das ein lebensnotwendiger Eingriff wäre. Will man dieses Ziel unter halbwegs friedlichen sozialen Bedingungen erreichen, muss man mit der Reform der Parlamentarierdiäten beginnen. Es lässt sich nicht rechtfertigen, die Rente der durchschnittlichen Arbeiter zu senken, ohne zuvor die Ruhegelder der Parlamentarier herabzusetzen. Letztes Jahr trat der berühmt-berüchtigte italienische Politiker Piero Marrazzo seine Pension in einem Alter von 51 Jahren an. Das ist lächerlich!

Was ist mit dem Gesetz aus dem Jahr 1997? Zumindest die nachrückenden Unterhausabgeordneten, die nicht von der Neuregelung des Pensionssystems ausgenommen werden, können dieses jetzt nicht mehr ausbeuten. Oder?
Das Gesetz sieht eine Menge Ausnahmen vor. Das Gesetz von 1997 ist eine vorgetäuschte Reform. Die Regelung gilt nur für Abgeordnete, die nach 2011 aufgestellt wurden. Was ist das bitte für eine Reform?

Was muss also anders werden, um sicherzustellen, dass es so nicht weitergeht?
Solange die rechte Wählerschaft nicht mehr Regelungen einfordert, wird sich nichts ändern. Das Problem ist, dass die rechten Wähler von heute zu einfach zufriedenzustellen sind.

Sieht so aus, als wäre es weitaus einfacher, den Palazzo Montecitorio [ein Palais in Rom, in dem das Unterhaus untergebracht ist] in die Luft zu sprengen. Könnte man nicht grundlegend etwas ändern?
Wenn die Wähler erstmal angepisst sind, dann wird sich etwas ändern. Das ist sicher. Aber solange rechte Wähler es dem [unlängst zurückgetretenen] Premierminister Silvio Berlusconi nachsehen, wenn er es fertig bringt, mit einem staatlichen Hubschrauber zu einem Massagetermin zu fliegen, werden sich die Verhältnisse nicht so schnell ändern. Und damit das klar ist: Ich spreche von einem Hubschrauber der italienischen Polizei.
 

Foto mit Freundlicher Genehmigung von Ansa

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