Wie ich mich an meinem frauenverachtenden Mitbewohner gerächt habe

Diese Leute sind nicht die Leute, um die es in dieser Story geht. Foto: Jon Collier | Flickr | CC BY-SA 2.0

Ich bin 33 Jahre alt, arbeitslos und reise viel, weswegen ich ständig irgendwo zur Untermiete wohne.

Nachdem ich nach mehreren Monaten im Ausland wieder in meine Heimatstadt Lyon zurückgekehrt war, habe ich auf der Couch einer Freundin geschlafen, bis es einfach unvermeidbar war, mir eine Bleibe zu suchen. So kam es dazu, dass ich mich auf einer WG-Seite im Internet anmeldete. Ich wählte ein annehmbares Foto von mir, mit großem Lächeln und dunkler Brille. Kurze Zeit später wurde ich von dem Mann kontaktiert, den ich hier Jean das Arschloch nennen werde.

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Jean das Arschloch empfing mich erst einmal zu einem Besuch. Wie es der Brauch nun einmal vorschreibt, tranken wir einen Kaffee und plauderten so um die zwanzig Minuten. Dabei fand ich heraus, dass er als Notar arbeitete, gerne Tennis spielte und Single war. Was die Sache mit der WG anging, wollte er sich am liebsten nicht festlegen: „Erst mal zwei Monate, und dann sehen wir weiter”, sagte er mir. Ich fand ihn sofort ein wenig stressig, aber nicht wirklich besorgniserregend. „Ich bin nicht oft da”, fügte er hinzu, und ich sah mich schon beim Sonnenbad auf der Terrasse seiner großen Bourgeois-Wohnung. Ein paar Tage später zog ich bei ihm ein.

Um meinen Einzug zu feiern, gingen wir einen Cocktail trinken. Offensichtlich gefiel ich Jean dem Arschloch. Er machte mir Komplimente, er neckte mich. Ich spielte mit, lachte und kokettierte. Er war witzig, doch er ging zu weit. Ich fing an, in ihm den Sammler zu erkennen. Er ist um die Vierzig, klein aber zäh, mit noch jeder Menge Testosteron. Wir begegneten einer Bekannten von ihm. Sie nutzte einen ruhigen Moment, um mich zu warnen: Jean das Arschloch sei ein wenig „speziell”, seine Mitbewohnerinnen würden meist nicht länger als zwei Monate bleiben. Im Laufe des Abends begriff Jean das Arschloch, dass ich Frauen bevorzuge. Er tat daraufhin so, als könne er mich wieder „auf den rechten Weg” bringen. Ich fasste es mal noch als Witz auf.

Diese Leute haben auch nichts mit den erwähnten Personen zu tun. Foto: Victor Roa | Flickr.com | CC BY 2.0

Am Tag nach meinem Einzug bemerkte ich in seiner Büchersammlung ein Buch des maskulinistisch eingestellten rechten Polemikers Éric Zemmour. Ich fing an, mir Sorgen zu machen. Er schickte mir jetzt schon zu viele SMS. Zuerst um 11 Uhr, um mir vorzuschlagen, in der Nähe seiner Arbeit einen Kaffee trinken zu gehen. Dann wollte er sich um 16 Uhr gleich nochmal mit mir „auf ein Gläschen” treffen. Als ich mich bei Facebook einloggte, sah ich, dass er mich zu nicht weniger als 13 Events eingeladen hat.

Es kam nicht selten vor, dass Jean das Arschloch zwei oder drei Mal am Tag zu Hause vorbeikam: um Mittags einen Happen zu essen, um sich vor dem Tennisspielen umzuziehen, um zu duschen. Er konnte jederzeit plötzlich auftauchen. Sofort nahm er sich Einiges bei mir heraus, tätschelte mir die Wange und nannte mich „Schätzchen”. Er kam in mein Zimmer, ohne hereingebeten worden zu sein. Ich fing an, mich bedrängt zu fühlen.

Zwei Tage nach meiner Ankunft hatte Jean das Arschloch eine Couchsurferin eingeladen. Ich sah zu, wie er bei ihr dasselbe Programm abzog, wie er es schon bei mir getan hatte: Er unterzog sie einem Verhör, er kitzelte sie, er überschritt ihre persönlichen Grenzen. Er spielte die Rolle des Alphamännchens und sie war seine Beute. Als ich die Beiden verließ, um schlafen zu gehen, fragte ich mich, ob sie miteinander Sex haben werden. Scheinbar nicht, denn laut seiner Aussage war sie „zu alt” für ihn, obwohl die zwei gleichaltrig sind. Jean das Arschloch hat schon mehr als 40 Couchsurferinnen bei sich empfangen, aber bizarrerweise keinen einzigen Mann. Er behauptete, nicht mit seinen Besucherinnen zu schlafen, „außer sie bestehen darauf”. Er ist offensichtlich kein Mann, der Damen vor den Kopf stößt.

Drei Tage nach meinem Einzug begleitete ich Jean abends auf eine Party. Die Hausherrin stürzte sich sofort auf mich: „Du bist die neue Mitbewohnerin von Jean dem Arschloch?” Ich bejahte das. „Ach, erst seit drei Tagen? Bald wirst du es nicht mehr ertragen können. Am wichtigsten ist, dass du bloß nicht mit ihm schläfst. Er ist extrem hartnäckig. Er schafft es jedes Mal. Wenn du mit ihm schläfst, wird er hinterher kein Wort mehr mit dir sprechen. Er wird durch dich hindurchsehen. Er wird scheußlich zu dir sein, bis du es nicht mehr aushältst und zusammenbrichst.” In diesem Augenblick wusste ich bereits: Ich musste mich aus dem Staub machen, und zwar sehr, sehr schnell.

An diesem Abend machte Jean das Arschloch die Runde und suchte die Party nach Single-Frauen ab. Er hatte Hunger, wie er dazu sagt, aber er sei auch nicht „die Heilsarmee”. Er würde nicht versuchen, diese „alten Säue” aufzureißen: Eine sei zu fett, die Andere zu vulgär, eine Weitere zu dumm. Und alle Frauen in seinem Alter seien schon „ein bisschen verbraucht”. Ich kochte innerlich. Doch ich bewahrte die Fassung, egal wie viele Gemeinheiten er von sich gab.

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Die Stimmung in der WG verschlechterte sich in den folgenden Tagen zusehends. Wir sprachen nicht mehr miteinander. Er zog ein Gesicht, lief in Unterwäsche herum, bedachte mich höchstens mit einsilbigen Äußerungen. Ich verschüttete beim Teekochen ein wenig Wasser in der Küche. Als er nach Hause kam, packte er mich am Arm wie jemand, der einer Katze die Nase in ihren fehlplatzierten Haufen drücken will, zeigte mir die Pfütze auf dem Boden und fragte: „Was soll das?” Erst Stunden später beruhigte ich mich. Rachegedanken fingen an, in meinem Geist aufzukeimen. Ich stellte mir Szenarien vor, wie ich auszog, ohne ihm vorher Bescheid zu geben und ohne die Miete zu begleichen.

Foto: Hannah Rosen | Flickr.com | CC BY 2.0

Letztendlich sollte er mir zuvorkommen. Eines Abends, zehn Tage nach meinem Einzug, kam ich mit einer Freundin nach Hause, die zu betrunken war, um alleine nach Hause zu gehen. Es war drei Uhr morgens. Ich klappte geräuschlos das Schlafsofa im Wohnzimmer für sie aus, wir tranken ein Glas Wasser und legten uns schlafen. Sie ging am nächsten Morgen so früh, sie konnte. Es war 10:30 Uhr, als Jean das Arschloch mit Schwung meine Zimmertür aufriss. „Was ist das für ein Dreck hier? Überall liegt Konfetti! Mach hier gefälligst sauber”, sagte er und schlug die Tür zu.

Eine Stunde später kam das Urteil in Form einer armlangen SMS: „Valentine, deine Aktion von gestern Abend weiß ich wirklich nicht zu schätzen. Mit weiß der Geier wem um 3 Uhr morgens ankommen, ohne mich vorzuwarnen. Ihr habt mich geweckt und ich habe 3 Stunden gebraucht, um wieder einzuschlafen. Das totale Chaos in der Wohnung, Konfetti in allen Zimmern. Außerdem ist Putzen wohl etwas, mit dem du nicht vertraut bist. Ich glaube, wir haben nicht dieselbe Vorstellung von einer WG. Das Ganze fängt wirklich an, mich aufzuregen. Damit will ich sagen, dass es so nicht weitergehen kann. Ich hoffe, du verstehst mich. Ich habe jemanden, eine Studentin, die studieren will und meinen Erwartungen mehr entspricht. Sie kommt am 1. Mai an. Ich hoffe, bis dahin bist du ausgezogen. Ich schenke dir das, was du mir noch schuldest. Mein Seelenfrieden hat keinen Preis. Ich warte auf deine Antwort.”

Ich sah rot. Ich wollte ihn als Abschaum beschimpfen, aber ich dachte mir, es wäre in meinem Interesse, die Ruhe zu bewahren und stattdessen eine gekonnte Racheaktion zu planen.

Nachdem ich in eine Tasse gepinkelt hatte, ging ich in die Küche. Ich öffnete alle Schubladen. Balsamico-Essig. Ein bisschen Urin würde darin bestimmt nicht auffallen, oder?

Ich antwortete: „Gib mir einfach zwei oder drei Tage, um meine Sachen zu packen und dann bin ich weg. Guten Tag.”

Diese zwei oder drei Tage nutzte ich, um zu brainstormen, wie ich mir am besten Genugtuung verschaffen konnte: Ihn bei couchsurfing.com melden, auf seine Zahnbürste pinkeln, seine Zahnpasta und seine Fußcreme vertauschen? Ich zögerte. „Aber warum musst dir denn eine Sache aussuchen?”, flüsterten mir meine Freunde ein. „Mach einfach alles!”

Auch dies ist nicht Jean das Arschloch. Foto: David Goehring | Flickr | CC BY 2.0

Ging ich damit ein Risiko ein? Immerhin wusste ich nicht, wozu dieses Scheusal fähig war. Könnte er mich anzeigen oder mir die Zähne einschlagen? Vielleicht.

Ich zog an einem Samstag aus. Meine Koffer waren schon am Tag davor fertig gepackt, sodass ich nur noch meinen fiesen Plan auszuführen hatte. Ich hatte Glück. An diesem Morgen verließ Jean das Arschloch früh die Wohnung und ließ mir somit freies Feld für meine Untaten. Ich stand auf, als ich hörte, wie er die Tür zuschlug. Dann ließ ich meiner Vorstellungskraft freien Lauf und verfiel in eine Art Trance.

Nachdem ich in eine Tasse gepinkelt hatte, ging ich in die Küche. Ich öffnete alle Schubladen. Balsamico-Essig. Ein bisschen Urin würde darin bestimmt nicht auffallen, oder? Es ging mir ja nicht darum, ihm zu schnell eins auszuwischen—ich wollte Zweifel bei ihm schüren. Dann war ich nicht mehr zu halten: Der Wassertank seiner Kaffeemaschine fiel mir ins Auge, eine Flasche Rum, die in der Küche herumstand—es war einfach zu verlockend. Die Oliven ließen meine Hände wie ferngesteuert handeln. Ich hatte noch ein bisschen Urin in meiner Tasse, warum also nicht auch ein bisschen in den Ecken der Terrasse und auf dem Teppich verteilen?

Ich dachte mir, es sei am besten, den Spaß ein wenig abwechslungsreich zu gestalten—ein paar Schamhaare in seinem Pesto würden doch sicherlich unbemerkt bleiben.

Von einer plötzlichen Furcht ergriffen, sah ich durch das Fenster, das die Straße überblickte, nach seinem Auto. Er könnte gut gerade auf dem Weg die Treppe hoch sein und mich jeden Augenblick dabei erwischen, wie ich meine Urintasse erneut füllte. Doch auf der Straße war keine Spur von ihm zu sehen. Mit wild schlagendem Herzen betrat ich seinen begehbaren Kleiderschrank, fest entschlossen, ihm einen Pipi-Anzug zurechtzuschneidern. Ich kleidete ihn von Kopf bis Fuß neu ein: Ich leerte meine Tasse in seinen schönen Lederschuhen, in seinen Turnschuhen, in den Taschen seiner Jacken und Mäntel und schließlich noch in seinem Motorradhelm.

Zuletzt ging ich ins Bad. Die Zahnbürste, das ultimative Symbol der Intimsphäre, wollte ich mir nicht entgehen lassen. Also rieb ich sie gegen die Klobürste. Auch an seinem Rasierer, seiner Haarschneidemaschine und auf dem Gitter seines Föns fand ich ein wenig Fäkalien nicht fehl am Platz. Schließlich mischte ich etwas Haarentfernungscreme in sein Shampoo—zufällig war die Flasche undurchsichtig. Da wurde mir klar, dass ich mich schnell verdünnisieren musste. Er könnte jeden Moment wiederkommen, um sich nach einer netten Partie Tennis zu duschen und die Haare zu waschen, mich auf frischer Tat ertappen und Hackfleisch aus mir machen.

Ich rief meine Freundin Sonia an, um ihr die Situation zu schildern. Zehn Minuten später stand sie mit ihrem Auto und einer dritten Schurkin unten. Sie halfen mir, meine Koffer im Eiltempo hinunterzutragen.

Als letzten genialen Racheakt schnappte ich mir eine Flasche Champagner aus der Bar, die wir Mädels am nächsten Tag unter Lachtränen zusammen leerten.