Aus der Fiction Issue 2015
Ich schreibe dies in Los Angeles, kurz vor dem Ende meiner Lesereise für Binary Star, meinen ersten Roman, der von einer magersüchtigen Astronomiestudentin und ihrem alkoholabhängigen Fernbeziehungsfreund auf einem Roadtrip durch die USA erzählt. Vor zwei Wochen habe ich in einem Buchladen in Toronto gelesen und mich dann nach Westen aufgemacht: Chicago, Iowa City, Minneapolis, durch die Dakotas und nach Seattle. Gestern bin ich auf dem Pacific Coast Highway südwärts nach Los Angeles gefahren. Von hier geht es nach Austin, New Orleans und in meine Heimatstadt Largo in Florida.
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Als ich erfuhr, dass Two Dollar Radio Binary Star veröffentlichen wollte, dachte ich sofort darüber nach, was ich tun konnte, um das Buch selbst zu promoten. Two Dollar Radio sind ein Ehepaar, das eine Presse in seinem Haus in Columbus, Ohio, stehen hat. Ich bin dankbar für die Chance, mit ihnen zusammenzuarbeiten, denn sie gehören zu den Verlegern der innovativsten Fiktion, die es momentan gibt. Doch ich wusste auch ohne zu fragen, dass es kein Budget für eine Tour geben würde. Als ehemalige Buchhändlerin war mit bewußt, wie wichtig unabhängige Buchläden für Autorinnen und unabhängige Verleger sind. Ich würde reisen müssen, um ein Publikum zu erreichen, das ansonsten vielleicht nie von meinem Buch hören würde.
Das Erscheinungsdatum wurde für Januar 2015 angesetzt. Im August fragte ich Buchläden überall in den Staaten an. Für Erstlingsautoren, die noch kein Publikum garantieren können, ist das nicht einfach. Viele E-Mails blieben unbeantwortet. Ich wusste, dass ich mit dem Auto fahren würde, da Flüge zu teuer waren, und dass ich nur einen Monat freinehmen konnte. Ich wollte so viele Städte wie möglich erreichen, manche von ihnen sehr nah beieinander. Und außerdem erhoffte ich mir egoistischerweise auch ein bisschen Spaß von der Sache. Ein Auto würde mir unterwegs etwas Freiheit schenken.
Sobald ich anfing, Lesungen zu buchen, wurde das Problem mit der Anreise zur Realität. Mein Verlagskollege D. Foy hatte kurz zuvor seine Lesereise für Made to Break über Indiegogo finanziert, und so beschloss ich, es auch mit Crowdfunding zu versuchen. Ich stellte ein Budget für alle feststehenden Termine auf, inklusive Benzin, Essen und Motels in Städten, in denen ich nicht bei Freunden unterkam. Das Auto brauchte neue Reifen und andere kleine Reparaturen. Manche Buchläden buchen keine Lesungen, wenn die Veröffentlichung schon mehr als zwei Monate zurückliegt. Binary Star würde im Januar erscheinen, doch ich entschied mich dafür, den Großteil der Reise im April zu machen, um schlechte Witterung zu vermeiden. Dafür würde ich im Februar ein paar Mal fliegen müssen. Insgesamt brauchte ich 9.000 Dollar—nicht gerade wenig, doch um weniger konnte ich nicht bitten.
Ich entschied mich schließlich für Kickstarter. Ich hatte Freunde, die dort arbeiteten und die mir beim Erstellen der Kampagne halfen, und außerdem zog ich den Alles-oder-Nichts-Ansatz anderen Seiten vor. Mein Mann, der Filmemacher ist, half mir, indem er jede Woche ein Video-Update drehte. Ich dachte mir Anreize aus und schrieb Texte für die Kampagne. Als sie online ging, schickte ich E-Mails an alle, die ich kannte, und bat sie darum, für mich zu werben—selbst die Buchläden, in denen ich lesen sollte. Die Kampagne wurde für meinen Mann und mich zu einem dritten Job und wir sprachen von nichts anderem mehr. Ich schrieb jeden Abend nach der Arbeit Updates und kontaktierte zwei Mal die Woche Leute, die noch nichts beigetragen hatten. Am Ende übertrafen wir das Ziel um 197 Dollar.
Ich bin jetzt seit drei Wochen auf Lesereise. Viele Nächte habe ich auf den Sofas oder Fußböden von Freunden verbracht, nur um früh aufzustehen und den ganzen Tag im Auto zu sitzen. In Brooklyn habe ich ich mit 400 Autoren und Autorinnen einem Publikum von 100 Leuten vorgelesen. In Tacoma habe ich alleine vor fünf Menschen gelesen, darunter mein Mann, der Buchhändler, ein Mann, der mich ständig unterbrach und sagte, ich solle langsamer lesen, und einer, der mittendrin davonspazierte. Hinterher nahm mich eine Frau beiseite. Sie war magersüchtig und sagte, sie versuche, wieder gesund zu werden. „Ist es heute besser?”, fragte sie. Wäre das Publikum größer gewesen, hätten wir uns niemals unterhalten.