“Wien ist die hässlichste Stadt, die ich je gesehen habe” – Antilopen Gang in der Arena Wien

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Am Mittwochabend spielte die Antilopen Gang in der ausverkauften Arena, nachdem das Konzert vom Flex hochverlegt wurde. Ich ging davon aus, dass das Publikum zusammengepfercht wie Ölsardinen in der Arena stehen würde, also kreuzte ich dort schon sehr früh auf. Auf dem Weg zur Arena durfte die obligatorische Pizza (sogar vegan – Aschermittwochgoals) natürlich nicht fehlen – preparation is key. Leider wurde uns unsere sorgfältig beschützte Fanbotschaft an der Tür abgenommen, nur damit wir fünf Minuten später in der ersten Reihe neben einem jungen Dude standen, der einen bemalten Pizzakarton herumgetragen hat – danke für nichts!

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Die vegane Antilopen-Pizza, die es leider nicht in die Arena schaffte.

Support machte Juse Ju, den ich mir eh schon länger geben wollte. Am Mittwoch hatte ich endlich die Gelegenheit dazu. Er kam in einer gemütlichen Jogginghose auf die Bühne, vermutlich wollte er den “The Game-Bonus” genießen. Als er anfing auf seinem Sampler herumzudrücken und die ersten Lines rappte, war in der Arena noch nicht viel los. Die meisten Leute saßen hinten auf der Stiege und nur wenige konnten sich von seiner Comedy-Show à la Stefan Raab wirklich begeistern lassen. 

Als Juse Ju dann anfing zu freestylen – ganz zum Leidwesen von dem Typ in der ersten Reihe, “Karohemd” reimt sich eben nicht zufällig auf “gehemmt” –, füllten sich auch die ersten Reihen vor der Bühne. Und auch die Ansage zur vergangenen Bundespräsidentenwahl wurde von Juse nicht ausgelassen: “Ihr musstet euch ja vor kurzem zwischen so ‘nem Typen, der mit dem Paraglider abgestürzt ist und einem grünen, alten Mann entscheiden – is’ ‘n bisschen blöd.” Kurz vor Ende seiner Playtime konnte er das Publikum dann doch noch in den richtigen Modus bringen, was ich allerdings nur aus der Ferne mitbekommen habe, weil ich meine Blase auf die Antilopen vorbereiten musste und jede gute Show mit einem Bier beginnen sollte, das dann eh innerhalb von den ersten zwei Songs auf dem Boden verteilt wird.

Als die Antilopen dann mehr oder weniger grazil auf die Bühne schritten, war die Arena bereits sehr kuschlig gefüllt. Ich konnte meinen Platz in der zweiten Reihe verteidigen und mein Bier war schon vor dem ersten Song leer – wenigstens habe ich nur die Hälfte davon am Boden verteilt. Für ihren Start haben sie das “Trojanische Pferd” angespielt, was aber gleich zu “DIE KYNGZ SIND BACK!!!1” wurde. Sie waren es. Und wie. 

Die Leute standen keine Sekunde ruhig und ich musste immer mehr grinsen, da ich schon die ersten Moshpits erahnen konnte. Props an das Wiener Publikum, das ging schnell! Nachdem die Gang klar machte, dass Deutschrap sterben muss, damit sie leben können, rissen sie “Fiasko” runter und manövrierten sich mit ihren Ansagen genau in so eines. “Wir werden uns heute nicht einschleimen. Wien ist die hässlichste Stadt, die ich je gesehen habe. Alles, was in der Donau fließt, ist nur Abwasser!”, schrie Panik Panzer dem Publikum entgegen. Die Leute um mich herum nahmen es aber eher mit Humor und die Gang legte mit “heute sind wir noch grantiger als das Wiener Volk” nach. 

Und bei “Der goldene Presslufthammer” kam endlich der Moment, auf den alle gewartet haben: Die riesigen As (für Anarchie und Alltag), die auf der Bühne standen, drehten sich um und die Bühnenband der Antilopen Gang zeigte sich. “Skinny Boys” wurde die Band mit hochkarätiger Besetzung genannt. An den Drums saß Jesus Christus höchstpersönlich (ich bin mir ziemlich sicher, dass er es wirklich war), der Gitarrist war Fabi Feuer von den Deutschpunks Kotzreiz und fungierte später noch als Triangelhalter und der Bassist war gleichzeitig auch der DJ, vom Bassen alleine kann man heutzutage anscheinend nur noch schlecht leben. Mit der Band wurden die ersten Punk-Versionen der alten Songs angerissen und der Moshpit wurde immer größer. 

Nach einem enthusiastischen Triangel-Solo von Panik Panzer folgte der Song “Liebe Grüße”, für den sie Juse Ju nochmal auf die Bühne holten. Danger Dan ließ es sich nicht nehmen, das Wiener EKH zu grüßen – so scheiße finden sie die Hauptstadt wohl doch nicht. Trotzdem brauchten Koljah und Panik Panzer irgendwann eine Pause und Danger Dan legte mit “Ölsardinenindustrie” eine Solo-Nummer hin. 

Seine Power schöpft er wohl aus dem Maca-Pulver, von dem er mir mal in einem Interview erzählt hat. Beim “Enkeltrick” war die Band dann wieder vollständig auf der Bühne und die Punk-Versionen kamen wieder zurück. Es bildete sich eine stattliche Wall of Death. Und sie funktionierte: Es regnete Bierduschen, ein zwei Meter große Mittvierziger räumte alle aus dem Weg und ein Typ verlor seinen Schuh, den ich ihm nach alter Pfadfindermanier zwei Songs später wieder zurückgeben konnte – jeden Tag eine gute Tat! 

Gleich darauf verschwanden sie von der Bühne und kamen zur ersten Zugabe wieder. Nach einer kurzen Verschnaufpause bei “Hilfe” gaben sie wieder Gas und kitzelten mit “Baggersee” und “Anti Alles Aktion” die letzten Ausdauerreste aus dem Publikum. Ich konnte zu diesem Zeitpunkt schon lange nicht mehr und lehnte mich an allen möglichen verschwitzen Typen an, um wenigstens kurz Luft zu holen. Als sie das nächste Mal verschwanden, hatte ich schon die Hoffnung, dass das Ganze – so schön es auch war – endlich ein Ende nahm, aber die Ausdauer Gang legte nochmal zwei Zugaben nach

Bei “Verliebt” flogen die ersten Crowdsurfer durch die Gegend. Das hat wohl auf dem Security mit dem Cock Sparrer-Shirt gefallen, endlich hatte er was zu tun. Den vermeintlichen Abschluss des Konzerts machte “Fick die Uni”, was gleichzeitig mein Untergang war. Nachdem der Moshpit-Gigant das Gleichgewicht verlor und seinen Hinterkopf in meinem Gesicht platzierte, war ich kurz ein bisschen groggy.

An diesem Punkt habe ich die Rechnung dafür bekommen, dass ich meinen Neujahrsvorsatz, nämlich wieder öfters joggen zu gehen, bisher gekonnt verdrängt habe. Konzerte sind sowieso das beste Cardio-Workout. Den Antilopen war aber auch das noch nicht genug und sie kamen noch einmal auf die Bühne. Laut ihrer eigenen Aussage hat ihnen die Crowd in Wien so gut gefallen, dass sie noch mit “110” noch eine freundliche Hommage an unsere Freunde in blau nachlegten – was laut setlist.fm eine Tourpremiere war. Damit rissen sie endgültig ab, was noch nicht abgerissen war und das Publikum bestand zum Großteil nur noch aus Moshpit. Die letzten Crowdsurfer flogen in die Arme der Securitys und ich war sicher nicht mehr der Einzige, der sich gefreut hat, dass diese Totalzerstörung ein gutes Ende nahm. In diesem Sinne: Oi, Oi, Oi!

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