Knapp vier Tage nach dem missglückten Putschversuch in der Türkei hat Wikileaks heute begonnen, hunderttausende Dokumente zu veröffentlichen, die Aufschluss über die Machtstrukturen in der Türkei geben sollen. Als erster Schwung wurden am Dienstagabend 294.548 E-Mails von Erdogans AKP veröffentlicht. Wikileaks berichtete, dass die E-Mails, die aus der Zeit zwischen 2010 und dem 6. Juli 2016 stammen, der Plattform eine Woche vor dem Putschversuch zugespielt wurden. Laut Ankündigung von Wikileaks sollen zudem noch rund 500.000 Dokumente öffentlich gemacht werden.
Nach dem blutigen Putschversuch, bei dem bislang 290 Menschen ihr Leben ließen, tausende verletzt wurden und über 7.500 Verdächtige festgenommen wurden, befürchten viele Beobachter, dass das Land noch viel tiefer in eine von Erdogan kontrollierte Autokratie rutschen wird.
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Daher wies Wikileaks bereits im Vorfeld auf mögliche Zensurbestrebungen der türkischen Regierung hin und gab dazu Anweisung zur Umgehung auf Twitter: „Wir bitten die Türken, sich mit Zensur-Umgehungssystemen wie Tor und uTorrent bereit zu halten. Und wir bitten, dass alle anderen ihnen helfen, die Zensur zu umgehen und unsere Links angesichts der bevorstehenden Zensur zu verbreiten”, postete Wikileaks neben Download-Links für den Tor Browser auf Twitter.
Tatsächlich war wohl auch die Whistleblower-Plattform selbst Angriffen ausgesetzt, wie man in einem Tweet andeutete. Dies sei auch die Erklärung, warum die Veröffentlichung erst am Dienstagabend um 22:35 Uhr gelang. Motherboard konnte aber sowohl kurz nach der Veröffentlichung als auch am Mittwochmorgen ohne Probleme auf die Dokumente zugreifen.
„Unsere einzige Position ist, dass die Wahrheit uns weiterbringt.”
Außerdem berichtete die Whistleblower-Website bereits in der Nacht vor der Veröffentlichung von „andauernden Angriffen” auf die eigenen Systeme. Ob es sich dabei um Hacking-Angriffe oder nur einen extrem offensichtlichen Phishing-Versuch, wie hier abgebildet, handelt, lässt sich allerdings nicht sagen. Wikileaks hatte schon zuvor sensible Erdogan-Veröffentlichungen in Umlauf gebracht, die sich hier nachlesen lassen, und verdächtigt in Bezug auf die neuen Angriffe offizielle türkische Stellen. Indizien für diesen Verdacht lieferte man allerdings bisher nicht.
Bereits im Vorfeld gab es sowohl Applaus als auch Kritik auf Twitter ob des Timings der Veröffentlichung—denn es ist keineswegs klar, ob die Dokumente Aufschluss über die Ereignisse am Freitag liefern können. Und selbst wenn, wird das von manchen Türken als unangemessener Eingriff in die die souveräne Innenpolitik und eine Gefahr für die nationale Sicherheit der Türkei gesehen.
Auf die Frage türkischer Twitter-Nutzer, wieso die Veröffentlichung zeitlich so nah am Putschversuch liegt und ob sie den Putschisten schade oder diene, antwortete Wikileaks gewohnt geheimniskrämerisch: „Unsere einzige Position ist, dass die Wahrheit uns weiterbringt.”
Die gesamten Dokumente lassen sich über die Wikileaks-Homepage einsehen und durchsuchen.
Update (20.7. 12:00): Wir haben die Überschrift aktualisiert, da sich nach einem ersten Blick in den Datensatz wenige brisante Informationen aus dem Inneren der AKP ergeben. Eine erste Analyse der Daten veröffentlichen wir in Kürze auf Motherboard.