Hier gibt es Geld fürs Nichtstun


Illustration: Max Edelberg

Die Idee des Grundeinkommens ist so alt wie die moderne Utopie. Thomas More erwähnt in Utopia schon in der Frühmoderne, dass jedem Bürger ein Grundsold zustehen sollte, damit keiner mehr stehlen muss. Wer das Werk liest, versteht schnell, was Mores Absicht war: Die Unmöglichkeit einer idealen Gesellschaft aufzuzeigen. Das Buch ist eine böse Satire gegen alle Traumtänzer, die von der perfekt regulierten Welt ohne Verbrechen, ohne Sorgen und Nöte träumen. 

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Sechs Jahrhunderte später, wollen’s manche immernoch nicht glauben: Die Stimmen für ein bedingungsloses Grundeinkommen werden immer lauter. 

Das soll im Idealfall so funktionieren: Jeder, der arbeitet, bekommt einen Kombilohn aus Grundeinkommen und Gehalt. Die Höhe des Gehalts bleibt gleich. Aber auch Kinder, Rentner, Arbeitslose und Geringverdiener würden das Grundeinkommen bedingungslos erhalten. Das ist finanzierbar, so die Theorie, indem die Mehrwertsteuer drastisch erhöht würde. 

Doch wer sind die Befürworter des bedingungslosen Grundeinkommens? Nicht nur zwielichtige Gestalten wie der Edelpenner und Ex-Piratenchef Johannes Ponader oder der Dauer-Hartz-IV-Empfänger Ralph Boes

Dieter Althaus, ehemaliger Thüringer Ministerpräsident zum Beispiel. Er gibt mir folgendes Statement: „Ich werbe seit vielen Jahren für das bedingungslose Grundeinkommen. Es ist ein Konzept, das Bürokratie abbaut, das soziale Klima stärkt, das motiviert, indem es Leistung belohnt, und das niemanden ausgrenzt.“.  

Auch Götz Werner, der Chef des Drogeriemarktes DM, kämpft seit Jahren für das bedingungslose Grundeinkommen. Seine Hauptmessage dazu lautet: „Die Frage ist: Wie schaffen wir Verhältnisse, dass die Einzelnen ihre Biografien gestalten können? Das schaffen wir nicht mit abhängigen Arbeitsverhältnissen. Das schaffen wir nur mit Freiheit.“ Die Botschaft ist klar: Freiheit! Individualität! Aber aus dem Mund eines Unternehmers implizit irgendwie auch: Konsum, Konsum, Konsum. Und zwar staatlich subventioniert. 

Hinter der Idee des bedingungslosen Grundeinkommens steht nämlich das ideologische Dogma der krampfhaften Selbstverwirklichung, von der die Menschen durch die böse Lohnarbeit abgehalten werden. Die Befürworter sagen, dass schier unermessliche kreative Kräfte Bahn brechen und einen Wohlstand hervorrufen, den es so noch nie gab. Jeder kann dann endlich nur noch das machen, was er oder sie will.

Frei nach Rousseau und dem Glaube, die Menschen seien eigentlich alle gut und lieb, aber die böse Gesellschaft (wer auch immer das dann ist) und der noch bösere Kapitalismus würden die lieben braven Schäflein erst zur moralischen Freveltat treiben. 


Daniel Häni

In der Schweiz ist die Illusion aber vielleicht bald Wirklichkeit. Dort sind seit Ende Mai mehr als die nötigen 100.000 Stimmen zusammen gekommen, um einen Volksentscheid zu erwirken . 

In absehbarer Zukunft werden die Schweizer darüber abstimmen, ob sie das bedingungslose Grundeinkommen einführen wollen. Wenn die Wahl positiv ausgeht, dann wird dies eines der größten ökonomischen Experimente aller Zeiten. Die Initiatoren Daniel Häni und Enno Schmidt schlagen vor, jedem Schweizer monatlich bedingungslos 2500 Franken (ca. 2000 Euro) fürs Nichtstun zu zahlen.

Das befeuert natürlich die Diskussion in Deutschland. Schon 2005 beschloss die FDP, ein „liberales Bürgergeld“ einzuführen. Dieses ist vergleichbar mit dem nun auch von der CDU beschlossenen „aktivierenden Grundeinkommen“. Im Gegensatz zum Schweizer Vorschlag sind diese allerdings nicht bedingungslos, sondern wie Sozialleistungen auch schon an Bedingungen geknüpft, wie die aktive Jobsuche oder sinnvolle ehrenamtliche Tätigkeit. 

Daniel und Enno haben vor drei Jahren auch einen netten Dokumentarfilm gemacht, der auch in Deutschland viele begeistert hat und immer wieder auf Facebook oder Twitter geteilt wurde:

In der Doku kommt auch ein junger deutscher Abiturient vor, der rumheult, dass ja immer mehr (was auch immer das heißt) Schüler Angst vor der Zukunft haben und sich schon in der Schule auf einen Beruf vorbereiten müssen. Ja, ihr armen Schweine! Ihr müsst euch als Abiturienten mit 19 schon auf einen Beruf vorbereiten. Als unsere Großväter 19 waren, sind sie von den Nazis als Kanonenfutter im Krieg verheizt worden. Ihr als die materiell reichste Generation, die jemals gelebt hat, habt ein schon wirklich hartes Los heute. 

Geil ist auch, dass im Film behauptet wird, dass dir mit dem Grundeinkommen die Menschenwürde zurückgegeben wird. 1. Wer hat sie dir wann genommen? 2. Ach so, Geld ist also gleich Menschenwürde. Aua. 

Am besten ist aber die jugendliche Schülerin, die im Film sagt, sie habe keine Lust auf Schule und mit dem Grundeinkommen könnte sie ja dann reisen und müsste nicht lernen, nur um einen Beruf auszuüben. Ha! Da war sie, die naive Ehrlichkeit der Jugend, die den Kern der Sache verrät: Ohne Anreiz werden manche Tätigkeiten einfach nicht mehr ausgeführt. 

Genau zu diesem Schluss kommt auch eine Analyse der aktuellen Wirtschaftswoche. Am Beispiel Norwegens wird erklärt, wie sich ein scheinbar perfektes Sozialsystem, kombiniert mit sehr hohen Löhnen, auf die Gesellschaft auswirkt: Die Leute arbeiten weniger und Unternehmen wandern wegen zu hoher Lohnkosten ab. Finanzierbar ist das momentan noch wegen des reichen Ölvorkommens Norwegens. Sobald das verebbt, war’s das auch mit dem Wohlstand. 

Das hält natürlich die Piratenpartei nicht davon ab, das Thema „bedingungsloses Grundeinkommen“ in ihrem Bundestagswahlkampf für sich auszuschlachten. Unter „Arbeit und Soziales“ in ihrem Wahlprogramm ist es der wichtigste Punkt. Leider findet sich zur Finanzierung genau nichts.   

Finanzierung scheint aber eh gar kein Problem bei den Befürwortern zu sein. Auch bei den Schweizern nicht. Häni antwortet mir per Mail: „Finanziert wird es von allen für alle. Es fehlt doch nicht am Geld.“ Ach so ist das. 

Häni ist zudem davon überzeugt, dass das Modell auch in Deutschland problemlos funktionieren kann. Er schreibt mir: „Ja klar. Es handelt sich allerdings beim Grundeinkommen nicht um ein Modell, sondern um einen Kulturimpuls, den wir in der Schweiz direkt demokratisch bewegen. Deutschland bräuchte also im Zuge des Grundeinkommens auch eine bundesweite Volksabstimmung.“ 

Die Ökonomen Florian Habermacher und Gebhard Kirchgässner haben allerdings nachgerechnet und kommen zu dem Schluss, dass „diese schöne heile Welt der Initianten freilich auf mehreren Milchmädchenrechnungen beruht.“

Dass das aber auf Kosten der dann immer noch Ärmeren ginge, fällt wohl keinem der Befürworter auf. Denn alltägliche Konsumgüter wie Nahrungsmittel und Kleidung werden dann logischerweise teurer. Das geht zulasten derer, die nur das Grundeinkommen haben. Zur Finanzierung sollen auch Sozialleistungen wegfallen. Es gibt dann eben nur noch ein Grundgehalt, das heißt nur noch eine Transferleistung. 

Insgesamt soll es ja mal nach gerechtester Gerechtigkeit klingen, aber Christoph Butterwegge, Politikprofessor an der Uni Köln, stellt genau das Gegenteil fest. Nämlich dass das Abschaffen sämtlicher Sozialleistungen Teil der neoliberalen Agenda ist, die sowieso nichts lieber tun würde, als den Sozialstaat ganz abzuschaffen. Damit ist das bedingungslose Grundeinkommen eben keine Verbesserung des Sozialstaates. Dann ist jeder auf sich gestellt. Auch Behinderte, Kranke, Alte müssen dem Diktum der Selbstverwirklichung frönen. 

Letztendlich steht hinter der Idee des bedingungslosen Grundeinkommens gieriges Anspruchsdenken verpackt in romantische Befreiungsfloskeln. Doch Gier ist ja bekanntlich gut, wie wir von Parade-Kapitalisten Gordon Gekko gelernt haben. Der Traum ist es, eine absolute Verfügbarkeit von allem für jeden jederzeit zu kreieren. Das ist die Utopie: ein reguliertes Schlaraffenland, in dem jeder nur tut, was er will. Doch geplante Utopien haben schon oft in den Totalitarismus geführt. Die erste Zeitschrift, die Mussolini gründete, hieß nicht umsonst Utopia