Schottland hat eine ausgezeichnete kulinarische Geschichte: Wild, Hummer, Lachs und—um alles runterzuspülen—einige der besten Whiskys der Welt.
Aber es gibt eine Sache, die die Schotten besser können als alle anderen, und das ist das schwere, sättigende Pampe, gepaart mit Nostalgie. Wenn man mit einem Bissen den Kalorienbedarf des gesamten Tages decken kann, dann ist es wahrscheinlich ein schottisches Gericht.
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Der clootie ist ein Paradebeispiel einer solchen Speise. Der Name wurde von „cloth” oder „cloot” abgeleitet, dem englischen Wort für das Tuch, in dem man die Masse kocht. Der Früchtekuchen ist ein beliebtes Dessert und wird zwar traditionell im Winter serviert, aber das ganze Jahr über gegessen.
„Ein recht strenger Londoner Kritiker von The Times kommentierte, dass es ein eher winterliches Dessert sei, das man das ganze Jahr über essen kann”, erzählt Jak O’Donnell, Köchin und Chefin vom Restaurant The Sisters in Glasgow. „Der Kerl war scheinbar noch nie im Sommer in Glasgow!”
Die Köchin hat ihr Clootie-Rezept angepasst und dank Schnellkochtopf hat sie es geschafft, die Kochzeit auf 45 Minuten zu reduzieren.
„Wir müssen unsere Methoden modernisieren, sonst geht uns dieses Gericht verloren”, befürchtet O’Donnell.
Nach ihrem angepassten Rezept gibt sie die Hauptzutaten des Kloßes—unter anderem Brotkrümel, Eier und Rosinen—in eine Schüssel. Heute sind die Früchte meist schon feucht genug, aber die Köche der vorherigen Generationen weichten sie in Tee ein. Als Zucker sehr begehrt war, besonders während der Rationierung, wurden geriebene Karotten oder Äpfel als Alternatives verwendet. In O’Donnells Variation des Kloßes kommt beides hinein.
Die Gewürze, die dem Kloß ein unverwechselbares, winterliches Aroma verleihen, sind eine Kombination aus Ingwer, Zimt und Muskat. Ich darf an der Schüssel mit dem Zutaten riechen und mir steigt ein Hauch von Weihnachten in die Nase. Damit die Masse zusammenhält, gibt sie nach Augenmaß ein bisschen klebrige Melasse hinzu.
„Ein recht strenger Londoner Kritiker von The Times kommentierte, dass es ein eher winterliches Dessert sei, das man das ganze Jahr über essen kann. Der Kerl war scheinbar noch nie im Sommer in Glasgow!”
Dann landen noch Orangen- und Zitronenzeste in der Schüssel, um die Schwere des Kloßes mit etwas Zitrus auszugleichen.
„Durch den Orangensaft und den Abrieb schmeckt der Kuchen ein bisschen erfrischender”, sagt O’Donnell. „Eine leichtere Variante zu machen, werde ich allerdings nie schaffen.”
Alle Zutaten werden vermischt, bis sie eine weiche Masse ergeben, nicht zu feucht und nicht zu trocken.
Laut Tradition würde man jetzt einen Pfennig, eine Porzellanfigur oder eine Nähnadel unter die Masse mischen. Wer die Spezialzutat in seiner Portion hat, dem soll sie Glück bringen.
O’Donnell verwendet für ihren clootie eine Stoffserviette, ein Kissenbezug funktioniert aber auch. Sie taucht den Stoff ins Wasser und legt ihn dann auf eine bemehlte Oberfläche. Dann formt sie die Masse zu einer Kugel, wickelt sie in das heiße Tuch und bindet es fest mit einer Schnur zu einem Bündel zusammen.
Dann wird ein Teller auf den Boden eines Topfs mit kochendem Wasser gelegt, das Stoffbündel darauf. Der Teller klappert gegen die Metallwände des Topfs, während darunter das kochende Wasser sprudelt und der Geruch der warmen Gewürze aufsteigt.
„Der clootie schafft es, jeden zurück in die Küche der eigenen Familie zu transportieren, mit den Gerüchen und den Geräuschen spricht er einfach alle Sinne an”, sagt O’Donnell.
Wenn der Kloß genügend lang gekocht wurde, kommt er zurück in die Schüssel und die Schnur wird gelöst. Durch das Tuch, das jetzt entfernt wird, hat sich eine Haut um den clootie herum gebildet.
Jetzt muss der Kuchen trocknen. Heutzutage passiert das unterm Küchenlicht, früher in Omas Küche vor dem lodernden, offenen Feuer.
O’Donnell serviert den fertigen clootie mit Whisky-Gelee, Orangencreme, Melasse-Meringues und Rosinenchips. Es ist zweifelsohne ein sehr üppiges Dessert, aber die Zitrusnote sorgt tatsächlich für eine Balance.
Solltest du aber zu einem schottischen Weihnachtsessen eingeladen sein, dann geh das Ganze strategisch an und lass Platz fürs Dessert.