Axel Schulz – ist das nicht der Mann, der auf seiner eigenen Hochzeit die Cap eines Werbepartners getragen hat? Ist das nicht der Boxer, der in den entscheidenden Kämpfen immer richtig kassiert hat? Ist das nicht der Typ, der inzwischen Grill-Saucen und Buletten unter seinem Namen vertickt?
Ja, aber Axel Schulz, mittlerweile Ende 40, ist vor allem ein verdammt sympathischer Kerl. In der DDR aufgewachsen, kämpfte er sich in den 90ern in die Weltspitze des Schwergewichts und wurde – lange vor Schalke 04 – zum Meister der Herzen. Drei Mal kämpfte er um den WM-Titel, drei Mal verlor er. Inzwischen fungiert der Hobby-Grillmeister als Botschafter des Projekts „KICK im Boxring”, das von der Laureus Sport for Good Foundation gefördert wird. Das Sportprojekt will Kindern und Jugendlichen aus Berlin-Neukölln Werte wie Fairness, Toleranz, Respekt und Konfliktfähigkeit vermitteln. Über 15 Nationen, unterschiedlichste Religionen und Hautfarben treffen hier aufeinander, doch im Ring sind alle gleich. Auch abseits des Boxrings soll das den Kids helfen. Durch das gewonnene Selbstbewusstsein soll ihnen die Angst genommen werden. Die Angst, im Leben keine Perspektive zu haben. Wir haben Axel Schulz gefragt, wie er in seiner von Titeln und Enttäuschungen geprägten Karriere mit dem Thema Angst umgegangen ist. Und ja: Sogar vermeintlich harte Typen wie Boxer haben Schiss.
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VICE Sports: Muss ich vor dir Angst haben?
Axel Schulz: Ne, komm, Angst brauchst du vor mir überhaupt nie haben. Durch den Sport habe ich schon ganz früh gelernt, mich an Regeln zu halten. Daran habe ich mich immer gehalten. Also keine Angst, ich klopp’ mich jetzt nicht mit dir.
Hatten Leute vor dir Schiss?
Nein, zum Glück nicht. Boxen war für mich nur mein Beruf. Viele dachten immer, ich wäre auch privat viel härter und würde immer böse gucken.
Wie hast du Angst in deiner Kindheit wahrgenommen?
Als Kind hatte ich keine Angst vor Niederlagen, das kam erst später. Für Kinder ist es ja normal, dass man auch mal verliert, alles ist ein Lernprozess. Später wurde ich dann überheblicher – und an diesem Punkt schleichen sich dann Fehler ein. Immerhin hatte ich nie Angst davor, im Dunkeln zu schlafen.
Darf ein Boxer Angst haben?
Ein guter Boxer muss sogar Angst haben. Nur die Doofen werden leicht getroffen. Mit offenem Visier reinzulaufen, ist immer die falsche Entscheidung. Man muss Angst vor den harten Treffern haben. Da ist es egal, ob im Fliegen- oder Schwergewicht, es tut immer weh.
Wird Angst als Zeichen von Schwäche gesehen?
Ja leider, aber Angst gehört für mich immer dazu. Du wärst ja bescheuert, wenn du über die Straße läufst und keine Angst hättest, von einem Auto überfahren zu werden. Links schauen, rechts schauen, die Augen immer offen. Wie bei allem anderen im Leben auch.
Was bedeutet Angst für dich?
Angst ist Motivation. Das ist mir ganz wichtig. Angst schärft alle Sinne. Nur Niederlagen machen einen stärker. Dann weiß man, woran man arbeiten muss, was für Fehler man gemacht hat. Erst dann analysiert man gründlich und geht in die Tiefe. Gewinnen ist einfach. Das Feiern ist schön, das Genießen ist toll. Aber bei Siegen denkt man zu schnell, man hätte alles richtig gemacht.
Hattest du jemals Angst davor, jemand geworden zu sein, der du nicht sein wolltest?
Zum Glück nicht. Ich habe mich sprichwörtlich hochgeboxt und hatte mit Anfang 20 das Ziel, mal Weltmeister zu werden. Dabei habe ich aber trotzdem versucht, ein normales Leben zu leben. Außerdem hat mich das Training immer geerdet. Zweimal am Tag habe ich geackert, mit einem sehr, sehr guten Trainer und einem Pädagogen. Die Beiden haben mich immer auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt. Bist du überheblich, dann bist du leichtsinnig. Dann machst du Fehler. Sobald sie den Eindruck hatten, es wäre mal wieder soweit, haben sie mir einen schweren Sparrings-Partner vorgesetzt. Der hat mir dann ordentlich auf den Kopp gehauen, bis ich wieder voll klar war. Die Kunst ist, immer weiterzumachen. Immer nach Verbesserung zu streben. Stillstand bedeutet Rückschritt.
Hattest du nie Angst um deine Gesundheit?
Ne, da habe ich mir nie Sorgen drum gemacht. Andere Sportarten sind da doch viel schlimmer. Klar passiert beim Boxen mal was, aber da ist keine Angst da. Wenn doch, dann sollte man gar nicht erst in den Ring steigen.
Du hast Kinder. Hast du schon versucht, ihnen zu erklären, dass Papa mit „Prügeln” sein Geld verdient hat?
Meine große Tochter ist 11, die versteht schon, dass es nur ein Sport ist. Bei meiner Kleinen, sie ist sieben, glaube ich nicht, dass es ein Thema ist. Aber ist das wichtig? Es geht doch immer darum, etwas zu machen, was einem Spaß macht – und bei mir war es eben das Boxen. Man muss alles aus und mit Leidenschaft machen. Das ist das Entscheidende.
Alles, was du sagt, kann man auf das ganze Leben übertragen. Wird Boxen falsch verstanden?
Ja, leider viel zu oft. Der Vorwurf lautet immer, es gehe dabei nur um pure Gewalt. Aber dass man durch diesen Sport eben auch ganz viele Regeln – Fairness, Toleranz, Respekt, Konfliktfähigkeit – lernt, wird oft vergessen. Pädagogisch ist das ‘ne ganz wertvolle Kiste. Als Kind musst du nicht nur Einser in der Schule schreiben, die Hauptsache ist, man setzt sich Ziele und hat eine Richtung vor Augen. Genau das ist es ja, was ich auch hier versuche zu vermitteln. Es geht auch nicht darum, Weltmeister oder Olympiasieger zu werden, sondern über die kleinen Schritte im Boxen auch Brücken im echten Leben zu schlagen. Für das, was danach kommt. Das ist nämlich viel, viel wichtiger als jeder Sport.