Wir haben den Satz “Was ist das für 1 Life?” mit Sprach-Experten untersucht

(WARNUNG! Wenn euch wegen der 1fältigen Schreibweise schon jetzt hochkommt: Aussteigen. Dieser Text wird den Scheiß—all1ne schon aus metareflexiven Gründen—richtig hart durchexerzieren!!!!eins11)

Zur Sache: Kein Satz nailt den Zeitgeist so perfekt wie dieser 1ne Satz. Er ist DIE Essenz des Zeitgeistes, DER satzgewordene, in Buchstaben gegossene Zustand der Gegenwart: Wenn der Zeitgeist 1 Mund hätte, er würde ausschließlich diesen 1nen Satz sagen. Als (rhetorische) Frage: “Was ist das für 1 Life?” Oder Ausruf: “Was ist das für 1 Life!” 1 Satz, völlig unterschiedliche Aussageabsichten.

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1 Ausdruck, mindestens so potent wie Hugh Hefner in den 60ern.

Das meint auch “Rap-Doktor” Fabian Wolbring, für 1 Forschungsaufenthalt war er in Harvard, s1ne Doktorarbeit schrieb er über die Poetik des Deutschraps.

“Der Ausdruck ist längst ein geflügeltes Wort, er funktioniert immer kontextabhängig. Er ist so ambivalent, weil die Haltung des Gegenübers oft nicht klar wird. Ist es ironisch gemeint? Oder ernst? Das liegt daran, dass der Ausdruck von Rappern wie Money Boy und Hustensaft Jüngling geprägt wird. Diese Rapper spielen ja mit der Ambivalenz, mit der Uneindeutigkeit. Meinen die das ernst? Sind das Kunstfiguren? Haben die den Absprung nicht geschafft?”

Money Boy (gerade nennt er sich Why SL Know Plug aka YSL, formally known als … ) behauptet von sich, Erfinder des Satzes zu sein. “Ich spiele gerne mit der Sprache, das ist auch ein Twitter-Ding”, sagt er zu VICE. “Zuerst wollte ich einfach Zeichen bei Twitter sparen und habe die 1 genommen. Und irgendwann war ich mal angepisst und habe mich gefragt, was das für 1 Life ist? Das habe ich dann getwittert, meine Community nimmt so etwas immer sehr schnell auf.” Er finde es auch gut, wenn sich solche Begriffe verselbstständigen. “Die Leute wollen immer was Neues. Ein neues Handy, neue Klamotten, neue Songs. Mit der Sprache ist es doch das Gleiche.”

Eine Sache allerdings ärgere ihn: “Die Werbebranche hat viele Dinge aufgenommen, die ich geprägt habe. Dürfen sie. Sollen sie machen. Aber: Warum kommen die nicht direkt zu mir? Ich bin die Quelle! Wir können zusammenarbeiten.” Und dann ergänzt er: “Aber eigentlich ist das Ding ja schon tot, wenn es im Mainstream angekommen ist. Viele aus einer Community ärgern sich dann und sagen, wir und der ‘Boy’ sprechen doch schon längst nicht mehr so.”

Urheberstreitigkeiten hin oder her, die Rhetorik-Professorin Anita Traninger von der Freien Universität Berlin sagt, darauf komme es gar nicht an. Viel spannender seien doch die verschiedenen Deutungs- und Verbreitungsformen: “Es ist ein exklusiver Sprachduktus, sozusagen ein Code, den zuerst nur eine bestimmte Gruppe versteht. Heißt es ‘ein’ Life oder ‘eins’ Life oder vielleicht sogar ‘one’ life? Wer das versteht, gehört einer bestimmten Gruppe an. Sobald der Satz Mainstraem wird, wird er langweilig, fängt unter Umständen an zu nerven.”

Rap-Doktor Wolbring ergänzt: “Im Englischen gibt es das ja schon lange, Ausdrücke wie ‘got2b’ oder ‘4u’. Das hat natürlich was mit neuen Medien und Kommunikationsformen zu tun. Jugendsprache, früher maßgeblich mündlich tradiert, ist mittlerweile viel stärker schriftlich beeinflusst.”

Das meint auch Professorin Anita Traninger: “Der Ausdruck wurde in der Schriftsprache geprägt und funktioniert vor allem dort. Die 1 ist eine Abbreviatur, also ein Kürzel, eine abgekürzte Schreibweise. Das ist eine Erscheinung, die es schon im Mittelalter gab: Um Platz auf kostbarem Papier zu sparen, schrieb man in Kürzeln. Das gleiche Prinzip greift heute bei Twitter.”

Zahlen in der Schriftsprache, das ist auch 1 Phänomen in anderen Sprachen. Im Arabischen sind Zahlen 1 Hilfe, wenn es keine arabische, sondern nur eine lateinische Tastatur gibt: Zahlen ergänzen dann die fehlenden arabischen Buchstaben. Und auch Schriftsteller und Poeten nutzen Zahlen: Arno Schmidt, Ernst Jandl oder Oskar Pastior schrieben schon so 1iges. Hierzu Literaturwissenschaftler Wolbring: “In diesem Kontext ist die 1 wieder anders und mannigfach auslegbar. Der eine Dichter meint es als Kapitalismuskritik, mit der Aussageabsicht, dass alles quantifizierbar und in Zahlen auszudrücken ist. Ein anderer baut es als nicht ernst gemeinten Witz ein.”

Aber, nun noch 1mal von der Literaturwissenschaft zurück zur Rhetorik des Satzes. Was ist er für 1 rhetorisches Stilmittel, Frau Professorin? Eine Metapher? Eine rhetorische Frage? Eine Exclamatio? “Das ist ganz schwer zu beantworten. Hier greift nicht bloß ein Stilmittel”, sagt Anita Traninger.

Am Ende auch völlig egal. Money Boy hin oder her, Rhetorik hin oder her: Trotz beziehungsweise gerade WEIL der Satz so viele Anknüpfungspunkte hat, ist er purer Zeitgeist.

Du bist Wanna-be-G, hast an jedem Finger 10 Chicks und schmeißt die Fuffis in den Club? “Was ist das für 1 life!” Oder anders ausgedrückt: Yolo oder Memento mori.

Du kannst den Terror von Nizza, den Putsch in der Türkei, den Tod von Bowie, Lemmie und Leonard Cohen, die Wahl eines Irren als Präsidenten der USA nicht fassen? “Was ist das für 1 life”? Rekapitulation, Ambivalenz, Nichtbegreifenkönnen.

Vielleicht is es so: Dieser Satz bedeutet alles und nichts, ist banal und hochkomplex zugleich. Genauso wie das Leben im Jahr 2016, das sich irgendwo zwischen Scheißhaufen-Emojis und Scheißhaufen-Präsidenten abspielt.