Für viele Männer muss ihr Besuch bei der Venus der zauberhafteste Tag des Jahres sein. Wenn die Pornodarstellerinnen über ihre glatten Silikonbrüste streichen, akrobatische Dildo-Performances abliefern und auf die lila Ecksofas der Showbühne squirten, versammeln sich die Typen mit leuchtenden Augen und zuckenden Fingern auf den Handys um sie. Für ihre Subjekte der Begierde investieren die Besucher Zeit, Geld und ziemlich viele Emotionen: Professionelles Kamera-Equipment, überdimensionale Selfie-Sticks und spleenige Fanbriefe werden auf der Erotikmesse öfter geschwungen als Peitschen und Pferdeschweif-Buttplugs im SM-Bereich.
Die Göttinnen der Venus sind zweifelsohne die Frauen. Dicht hinter ihnen – im wahrsten Sinne des Wortes – tummeln sich Familienväter, Einzelgänger und Hobby-Fotografen. Danach kommt gefühlt lange nichts. Doch was ist eigentlich mit den Männern, die ihre Genitalien für Geld in die Kamera halten und bei den Porno-Drehs mitunter sportliche Leistungen abliefern? Wir haben die vernachlässigten männlichen Pornostars – rare Hintergrund-Aktivisten und Komparsen der Sex-Ausstellung – gesucht und in unser Scheinwerferlicht gestellt.
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Marcello Bravo, 39: “Ich würde auch eher meine Frau nach einem Foto fragen als mich.”
VICE: Wie lange bist du schon im Geschäft?
Marcello Bravo: Ich habe in 15 Jahren über tausend Filme gedreht, seit anderthalb Jahren produziere ich auch selbst. Meistens mit meiner Frau Little Caprice.
Seit wir uns unterhalten, haben fünf Typen deine Frau angesprochen, du stehst im Hintergrund. Wie fühlt es sich an, so wenig Aufmerksamkeit zu bekommen?
80 Prozent der Leute interessieren sich nur für sie, der Rest kommt zu mir. Neidisch bin ich nicht, die Frauen haben hier auf der Venus keine ruhige Minute. Ich verstehe die Männer ja auch: Ich würde auch lieber zu ihr gehen und sie um ein Foto bitten.
Welches ist dein größtes Talent als Darsteller?
Ich stehe meinen Mann – auch wenn er manchmal ins Schleudern kommt. Wenn du so lange Szenen drehst und viel vögelst, hast du manchmal Probleme mit der Erektion. Weil ich früher Luftakrobatiker war, kann ich mich gut konzentrieren: zehn Minuten und er steht wieder. Meine mentale Stärke macht mich besonders, ich bin es gewohnt, auf der Bühne zu stehen. Dadurch kann ich auch am Set abschalten.
Rocco Siffredi, 53: “Manche Leute kommen auf mich zu und sagen: ‘Es ist wirklich besonders, wie du fickst.’”
VICE: Wie ist das als männlicher Pornostar, auf so einer Messe in der absoluten Minderheit zu sein?
Rocco Siffredi: Das zeigt dir auf jeden Fall, wie schwierig es für Männer ist, ein Pornostar zu werden. Der Großteil der Pornos wird für Männer produziert und die wollen meistens die Frauen sehen. Den Mann braucht man eigentlich nur, um den Akt mit so einer Frau darzustellen. Auf mich kommen aber ständig Leute zu, ganz egal in welchem Land ich bin. Ich bin eine Art intimer Freund für die Männer, den sie zwar nie so richtig wahrnehmen, aber doch erkennen.
Was sagen deine männlichen Fans, wenn sie dich ansprechen? “Toller Penis”?
Meistens sagen sie einfach “Dankeschön”. Oder: “Es ist wirklich besonders, wie du fickst.” Sie sagen mir, was sie an meinen Sachen gut finden und sind beeindruckt, wen ich alles schon gefickt habe. Ich persönlich arbeite aber am liebsten mit Frauen zusammen, denen man anmerkt, dass sie Sex lieben. Ich mag es nicht, wenn Sex zu sehr als Arbeit behandelt wird.
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Was ist für dich so ein Porno, auf den du selbst besonders stolz bist?
Mein bester ist wahrscheinlich Never Say Never to Rocco. Das ist ein Film, den wir vor 20 Jahren gemacht haben. Mit lauter “echten” Leuten, keinen Profis. Ich bin natürlich ein Profi, aber sich bei Drehs professionell zu verhalten, sollte nicht bedeuten, dass man zu mechanisch wird. Du kannst das nicht einfach so “Bämm! Bämm! Bämm!” machen. Es ist ein bisschen so, als wärst du ein Schauspieler, aber du spielst nicht wirklich eine Rolle. Du bist echt. Du drückst deine Sexualität aus.
Das heißt, zu professionell zu ficken, ist nicht gut?
Nein. Das ist immer langweilig.
Porno-Klaus, 40: “Frauen sagen mir öfter mal, dass ich einen schönen Penis habe.”
VICE: Weißt du, wie viele andere männliche Pornodarsteller hier sind?
Porno-Klaus: So 20 vielleicht, aber die Branche hat wirklich einen Männermangel. Webcam-Girls und Darstellerinnen gibt es wie Sand am Meer, aber gute Darsteller sind wirklich rar. 90 Prozent der Porno-Käufer sind Männer und für die ist der Mann meistens eher uninteressant. Ich selbst drehe aktuell auch nicht mehr, habe das aber fünf Jahre gemacht. Der Markt hat sich total verändert und es lohnt sich einfach nicht mehr. Die Videotheken machen alle zu, fast niemand kauft mehr DVDs und dann gibt es auch noch diese ganzen Gratis-Seiten. Die sind ein echtes Problem.
Kennen dich mehr Leute durch deine Teilnahme bei Big Brother oder durch deine Pornos?
Ich sage immer: Stell zehn Leute hin, vier sagen ” Big Brother-Klaus”, sechs sagen “Porno-Klaus”. Das ist prägnanter und dazu stehe ich ja auch. Nirgends mache ich so viele Bilder wie hier auf der Venus, sowohl mit Männern als auch mit Frauen. Ich habe im Endeffekt das gemacht, wovon jeder Mann träumt. Die Männer kommen dann zu mir und sagen: “Hey, du hast mal Vivian Schmitt gefickt. Geil! Wie war das?” Frauen sagen mir auch öfter mal, dass ich einen schönen Penis habe. Ich selber finde, er hätte ein bisschen größer sein können. Ich habe immer gedacht, man muss mindestens 20 Zentimeter haben und die habe ich halt nicht.
Wenn du selbst nicht mehr drehst, wofür bist du dann jetzt bei der Messe?
Ich mache Werbung für “Kleine Spritzer”, das sind Penisse mit Alkohol drin.
“Bang-Boss” Manuel Stallion, 36: “Man gewöhnt sich dran.”
VICE: Manuel, erzähl uns mal, was du alles drauf hast.
Manuel Stallion: Andere entdecken die Kernkraft, ich habe vor zehn Jahren den Spermawalk erfunden. Da wird einer Frau beim Outdoor-Sex ins Gesicht gewichst und sie muss dann mit dem Sperma im Gesicht durch die Gegend laufen. In der Szene wird das seitdem oft imitiert. Meine Frau Aische [Nachname: Pervers, Anm. d. R.] und ich drehen viele Filme in der Öffentlichkeit, zuletzt beim Oktoberfest oder auch mal bei der Loveparade.
Würdest du dich als erfolgreichen Darsteller bezeichnen?
Ich habe in elf Jahren über 1.500 Filme gedreht, beim Oktoberfest-Dreh standen etwa 20 Leute um uns herum und haben uns angefeuert. Wenn du fleißig bist, kannst du mit Pornos auch richtig viel Geld verdienen. [Wie fleißig Manuel genau ist, wollte er nicht sagen, Anm. d. R.]
Du hast sicher viele Fans.
Ich habe bei vielen Fernsehformaten mitgemacht, deswegen erkennen mich die Leute auch ohne Porno-Bezug. Aische und ich hatten sogar eine fünfteilige Miniserie bei RTL2 und unsere eigene Frauentausch-Folge. Ansonsten war ich bei X Diaries, Berlin Tag und Nacht oder Familien im Brennpunkt. Im Supermarkt sprechen mich manchmal die Kassiererinnen an oder Leute rufen mir hinterher.
… und jetzt bist du hier auf der Venus und keiner interessiert sich so richtig für dich.
Man gewöhnt sich daran, dass man als männlicher Darsteller eher in den Hintergrund rückt. Ich habe damit kein Problem. Es ist ja nicht so, dass wir Männer gar keine Aufmerksamkeit bekommen: 2013 habe ich einen Venus-Award als bester Amateurdarsteller gewonnen.
Martin, 37: “Ich wurde heute noch gar nicht angesprochen.”
VICE: Du bist hauptberuflich Pornodarsteller, willst anonym bleiben und hast einen eigenen Stand auf der Venus. Das musst du uns erklären.
Martin: Meine Freundin und ich haben uns 2012 bei der Sparkasse kennengelernt, wo wir damals gearbeitet haben, und ziemlich schnell angefangen, Amateurfilme zu drehen – insgesamt etwa 380 Stück. In 370 wirke ich mit, aber ich habe noch nie mein Gesicht gezeigt. Die Zuschauer sollen nicht wissen, dass es immer derselbe Typ ist: Mal spiele ich den Stiefvater, dann den Onkel oder den Gärtner. Die Leute kaufen uns das ab. Manche schreiben: “Boah krass, du hattest Sex mit deinem Onkel!” Den Stand haben wir, weil wir einen Vertrag mit einer Amateur-Plattform haben, aber meine Freundin ist eigentlich die Einzige, die offen als Porno-Darstellerin auftritt und mit den Fans redet.
Du willst also keine Aufmerksamkeit auf dich lenken?
Ich will nur so bekannt sein, wie es nötig ist, um die Filme zu verkaufen. Wir haben sogar mal die Bild-Zeitung verklagt, weil sie eine Story über uns geschrieben haben, in der man uns erkannt hat. Als wir für einen Venus-Award nominiert wurden, haben wir die Nomination abgelehnt. Die Messe ist eher eine Möglichkeit, um Fans kennenzulernen und zu zeigen, dass wir echt sind.
Wie oft wurdest du heute schon von Fans angesprochen?
Noch gar nicht.
Und deine Freundin?
Ich habe aufgehört zu zählen. Am Wochenende stehen die Leute Schlange, weil der Andrang so groß ist.
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