Wir haben mit dem falschen Clown gesprochen, der Astro-TV sabotiert hat

Sich über AstroTV lustig zu machen, macht schon allein deshalb keinen Spaß, weil einfach alles an dem Privatsender so offensichtlich lächerlich ist. Wenn eine Frau mit aufgespritzten Lippen ihren Zuschauern ein sogenanntes „Aura-Spray” als das „Urwasser des Lebens Gottes” aus der „144. Dimensions-Ebene” für 89,95 Euro (vormals 126,95!) verkaufen will, bei dessen Abfüllung „Gott selber anwesend war”, dann ist das mit Recht ein Fall für OIiver Kalkofe.

Je mehr man sich mit dem Sender beschäftigt, desto klarer wird aber, dass man diesen Schwachsinn im Gegenteil sehr ernst nehmen sollte. Schon seit einiger Zeit mehren sich Stimmen, die AstroTV ein zumindest ethisch fragwürdiges Geschäftsmodell unterstellen: neben dem überteuerten Ramsch lebt der Sender vor allem von Anrufern, die sich „beraten” lassen wollen und dafür 50 Cent pro Minute zahlen—egal, ob sie durchgestellt werden oder nicht (eine Zeit-Autorin spekulierte, dass eigentlich fast nie jemand echtes durchgestellt wird). Sogar die Bild nannte die Macher des Senders einmal „die größten Scharlatane im TV“.

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Trotzdem hat die Medienanstalt Berlin Brandenburg dem Sender im Juni 2011 die Sendeerlaubnis bis August 2018 verlängert. Damit sie die wieder aberkannt bekommt, hat jetzt das Peng! Collective die Kampagne „ Zum Teufel mit AstroTV!” gestartet. Das Kollektiv, das sich selbst als „Kommunikationsguerilla” bezeichnet und in der Vergangenheit schon Firmen wie Shell und Google auf die Nerven gegangen ist, hat die Kampagne mit einer ziemlich witzigen Sabotage-Aktion eingeläutet: In einer Live-Sendung hat ein Mitglied, das sich als „Esoterik-Clown” namens Piotr Wasabi ausgegeben hatte, dem Moderator ein rohes Ei auf den Kopf geklatscht und dann in Kameras gesagt: „Wir finden, AstroTV sollte die Sendeliznez entzogen werden—denn das, was hier stattfindet, ist Betrug.”

Ich habe den Piotr Wasabi, der eigentlich Amit Jacobi heißt und Schauspieler ist, dazu befragt, wie es sich angefühlt hat, die Betrüger zu betrügen—und warum er glaubt, dass es so einfach war.

Amit als Pjotr Wasabi. Foto: Peng! Collective

VICE: Hey Amit, du bist eigentlich Schauspieler, oder?
Amit: Ja, ich bin Schauspieler, Performer und Regisseur. Aber kein Clown.

Warst
du nervös, als du das gemacht hast?
Na ja, ein Clown zu sein ist keine leichte Sache—besonders, wenn du ein schlechter Clown sein sollst. Eben ein „Astro-Clown”, also, Astro-Heiler und Clown. Das ist eine schwierige Aufgabe. Aber dann war es doch interessant zu merken, wie leicht das ist, weil die Leute das einfach nicht erwarten, das so was passiert. Du bist dann automatisch irgendwie in ihrem System und sie funktionieren, wie sie normalerweise funktionieren.

Wie war es so in dem Studio, bevor du deinen Auftritt hattest?
Wir haben versucht, die anderen da zu ignorieren, damit keine Gespräche aufkommen, in denen man sich enttarnen kann. Interessant war, als der Moderator ein paar Minuten bevor es live ging mit der Tarot-Frau da stand. Die haben da so ein bisschen geschnackt, und du hast einfach gemerkt, OK, das sind einfach zwei Mitarbeiter, die glauben selber nicht an das, was sie machen. Das ist einfach eine große Show.

Ich habe mich bei dem Moderator auch die ganze Zeit gefragt, ob der mir das gerade glaubt. Aber wahrscheinlich dachte: „Na ja, ich arbeite hier eh die ganze Zeit mit Scharlatanen, und vielleicht bist du einfach nicht so ein super guter Scharlatan.” So kam es mir vor: Niemand da glaubt den Scheiß wirklich.

Was ist passiert, nachdem du dem Moderator das Ei auf den Kopf geklatscht hast?
Der war ziemlich souverän, muss ich sagen. Er hat versucht, mich da im Studio zu halten und wollte, dass ich mehr von unserer Aktion erzähle. Aber ich meinte dann „Ne, ich habe noch weitere Vorstellungen, ich muss gehen”. Im Flur kamen dann so Leute, die uns festhalten wollten, aber wir sind einfach gegangen. Es hätte auch überhaupt keinen Sinn gehabt, das da mit dem live zu diskutieren.

Wer so was ins Studio lässt, muss sich dann auch nicht wundern: Der große Auftritt des Pjort Wasabi. Screenshot: Peng! Collective

Glaubst du, dass ihr AstroTV damit geärgert habt?
Ich bin sicher, dass hat sie geärgert. Die haben danach bestimmt auch gescheckt, was sie so machen können. Kann schon sein, dass noch ein Brief vom Anwalt kommt. Aber ich glaube, es ist nicht in ihrem Sinn, dass das Ding weiter eskaliert, weil das ja noch mehr schlechte Presse bedeutet.

Wie ist es eigentlich zu dem Auftritt bei AstroTV gekommen?
Es gab tatsächliche eine Anfrage von AstroTV an ein Kollektiv-Mitglied, das auch als Clown arbeitet. Der wollte natürlich erst nicht mit diesen Leuten arbeiten. Dann hat er aber gedacht „Mh, Moment Mal, vielleicht gibt es da doch eine Gelegenheit”. Dann hat er ihnen von einem Kollegen erzählt, der auch Clown ist und in einem Ashram gewohnt hat und ganz tolle spirituelle Sachen macht. Zwei Minuten später gab es schon eine Fake-Website von der Figur Piotr Wasabi. Dann fing ein ganz intensiver Mail-Verkehr an.

Was findet ihr an AstroTV so schlimm?
Wie viele Leute dachte ich am Anfang auch, dass das halt so nette Eso-Spinner sind. Aber mir wurde schnell klar, dass das gar nicht der Fall ist, sondern dass das ein reines Abzocke-System ist. Das ist ein ziemlich großes Unternehmen mit 90 Millionen Euro Umsatz. Das ganze Konzept besteht darin, Leute zu betrügen und auszunützen—besonders Leute, die in Krisensituationen oder suchtanfällig sind. Das ganze Ding ist so gebaut, dass die Leute da einfach ihr Geld reinschmeißen. Im Hintergrund gibt es dieses ganze esoterische Bla Bla, was aber eigentlich nur Deko ist. Das wäre ja auch absurd, wenn das ernst wäre. Das ist ein Riesenunternehmen, die arbeiten ja mit Risiko-Kapital aus London. Das sind nicht irgendwelche Hippies, die zufällig eine Sendelizenz haben.

Ein weiterer Grund war, was das mit unserer Kultur macht. Ich habe da irgendwelche Scheiße erzählt, ich konnte da immer absurdere Dinge erzählen, eigentlich ging alles. Das ist ein Rahmen, in dem die Realität total sekundär ist. Das wird alles in so pseudo-wissenschaftlichem Quatsch und New-Age-Bullshit verpackt, und das ist etwas, das unsere Kultur letzten Endes auch zerstört. Also den gesunden Menschenverstand, an dem viele Generationen von Philosophen und Wissenschaftlern gearbeitet haben. Man muss aufpassen, dass man da nicht die Wissenschaft vergewaltigt, nur um irgendwelche teuren Kristalle zu verkaufen.

Und die dritte Sache ist, dass diese Eso-Szene in manchen Ecken die Tendenz hat, an so Verschwörungstheorien zu kommen, die dann oft von irgendwelchen dunklen Mächten sprechen, die die Welt beherrschen. Das können die Amerikaner sein, oft kommen dann die Juden dazu, und da fließen oft auch rechtsradikale Ideen in diese schöne Welt aus Liebe und Harmonie mit rein.

Glaubst du, dass eure Kampagne Erfolg haben kann?
Die hat ja jetzt schon Erfolg, weil sie Aufmerksamkeit für das Thema geschaffen hat. Ob das mit der Sendeerlaubnis wirklich klappt, weiß ich nicht. Dass die Frage im Raum steht, ist aber schon gut.

Das ist eine sehr wichtige Frage, nicht nur bei AstroTV, was ethische Unternehmenführung ist. Das zieht sich durch solche Aktionen von Peng. Ich glaube schon, dass die Unternehmen auch langsam verstehen, dass sie ein wirtschaftliches Interesse haben, wirklich keinen Scheiß zu bauen und die Leute nicht auszunutzen.