Wir haben mit dem Typen geredet, der “Die Wahrheit über Christian Kern” betrieben hat

Wisst ihr noch, Tal Silberstein? Der Politikberater, der von der SPÖ im Wahlkampf angeheuert wurde und die Fanpage “Die Wahrheit über Sebastian Kurz” betreiben ließ? Wir auch schon fast nicht mehr. Das könnte daran liegen, dass der Skandal rund um Österreichs bekanntesten und gleichzeitig undurchsichtigsten israelischen Dirty-Campaigner von Anfang an so verworren war, dass wir uns relativ rasch wieder ausgeklinkt haben. Nicht weil wir ignorante Eskapisten sind, sondern weil die täglichen News-Häppchen schnell zum Selbstzweck wurden und am Ende des Tages niemand schlauer war als am Anfang und wir lieber das Ergebnis abwarten wollten als tausenden Nebenhandlungen zu folgen, die absolut keinen Sinn ergaben.

Aus irgendeinem Grund waren sich damals alle InnenpolitikredakteurInnen einig, dass eine Facebook-Fanpage mit 16.000 Likes (trotz einem angeblichen Werbebudget von 500.000 Euro) irgendwie wahlentscheidend sein könnte. Und bezeichnenderweise hatten sie, wenn überhaupt, nur deshalb Recht, weil sie den Fall Silberstein zu dem hoch gehypet haben, was er am Ende eben war.

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Wie dem auch sei: Der Wahlkampf ist vorbei, Silberstein ist weg, Kern ist abgeschlagen und nicht ganz glücklich mit der ganzen Sache – und seit heute ist jetzt auch noch der böse Zwilling der Silberstein-Seite aufgeflogen. Wie ORF.at berichtet, wurde die Fanpage “Die Wahrheit über Christian Kern” von einem “niederösterreichischen ÖVP- beziehungsweise ÖAAB-Funktionär” betrieben. Nebenbei sei der Mann auch für die Kommunikationsagentur Milestones tätig gewesen sei.

Werner Beninger, Geschäftsführer von Milestones, bestätigt uns gegenüber, dass es sich beim Betreiber der Seite um einen freien Ex-Mitarbeiter handelt, der zuletzt im Jahr 2016 eine kleinere Summe für eine Facebook-Aktivierung erhalten habe. Als seine private Betätigung bekannt wurde, beendete Beninger mit sofortiger Wirkung jede Zusammenarbeit.

Der Fanpage-Betreiber selbst beteuert, weder von der Agentur, noch von der ÖVP beauftragt oder für die Gestaltung der Seite bezahlt worden zu sein. Kurz nachdem der Skandal um Tal Silbersteins “Die Wahrheit über Sebastian Kurz”-Seite bekannt wurde und eine österreichweite Diskussion über Dirty-Campaigning ausgelöst hat, löschte der Betreiber auch seine “Die Wahrheit über Christian Kern”-Seite.

Es waren turbulente Zeiten auf Social Media, die aus heutiger Sicht eine noch turbulentere Moral mit sich gebracht haben. Nämlich: Manchmal stammen Fan-Seiten tatsächlich noch von Fans (oder zumindest von Hatern der Gegenseite). Und natürlich gibt es auch bei sozialmedialen Schmutzkübel-Kampagnen Trittbrettfahrer, die nicht immer ins Verschwörungs-Narrativ der bösen Großparteien und manipulativen Geheimbündler passen müssen. Stattdessen reicht, wie für so viele Dinge, eine gesunde Mischung aus Langeweile, Meinung und einem intensiven Gefühl von Ungerechtigkeit.


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Zumindest auf Facebook ist der Krieg mittlerweile übrigens beigelegt: Die Fanpage “Die Wahrheit über Sebastian Kurz und Christian Kern” hat die beiden Parteichefs via Photoshop vermählt und postet seit Anfang Oktober ikonische Liebesbilder aus Titanic oder Pretty Woman mit den Köpfen von Kurz und Kern; unter anderem auch eine retuschierte Version des Bed-ins von Yoko Ono und John Lennon mit ihrem “War is over”-Schild.

Wir haben den Betreiber der gelöschten Kern-Hatepage beziehungsweise Kurz-Fanpage am Telefon erreicht und ihm ein paar Fragen gestellt, während er nebenbei “zwischen Terminen” seine Suppe auslöffelte (im wörtlichen, nicht im übertragenen Sinn). Da wir ihm vollständige Anonymität und die Wahrung seiner Privatsphäre zugesichert haben, nennen wir hier nicht seinen echten Namen (der der Redaktion bekannt ist), sondern sagen einfach “Schmal Schmilberstein” zu ihm. Ähnlichkeiten mit sich reimenden Dirty-Campaignern sind rein zufällig und völlig unbeabsichtigt.

VICE: Was war der Grund dafür, die Seite zu machen?
Schmal Schmilberstein: Der Grund war eigentlich meine Verwunderung darüber, dass es während des Wahlkampfs im ganzen sozialen Netz alle Kandidaten durch den Kakao gezogen wurden – außer Christian Kern. Irgendwann bin ich dann um 23 Uhr vor dem Computer gesessen und hab beim Fertigwerden mit der Arbeit gedacht: Es wär doch witzig, die Kurz-Seite mit Kern-Inhalten nachzumachen.

Hat wirklich niemand außer dir von der Facebook-Seite gewusst?
Nein, niemand. Mit Ausnahme meiner Tochter, aber die ist noch nicht mal 2 Jahre alt.

Ist “Die Wahrheit über Christian Kern” deiner Meinung nach vergleichbar mit “Die Wahrheit über Sebastian Kurz”?
Never ever. Das einzige, was die beiden Seiten verbindet, ist das “Die Wahrheit über”. Eigentlich dachte ich mir, ich sonne mich ein bisschen im Glanz der großen Facebook-Seite und wollte sie deshalb absichtlich ähnlich benennen. Aber das war eine Schnapsidee. Oder eigentlich Bieridee – wie gesagt, es war 23 Uhr. Ich habe mich aber auch intensiv mit den Facebook-Regeln beschäftigt und bin mir ziemlich sicher, dass ich hier keine Grenzen überschritten habe.

Welche Grenzen meinst du?
Also meine Seite hat zum Beispiel nie andere Personen angegriffen als Christian Kern direkt. Es gab auch weder Fadenkreuze wie bei der Titanic, noch Vorwürfe wegen nationalsozialistischer Verhetzung oder sonst was, das rechtlich problematisch wäre. Einiges war schon deftig, das gebe ich zu. Ich halte Christian Kern auch nach wie vor für einen Populisten und wollte dem auch populistisch beikommen.

Glaubst du, dass deine Seite einen Schaden angerichtet hat?
Also wenn, dann mir. Wenn ich gewusst hätte, wie groß das wird, hätte ich es gelassen.

Wird der Einfluss solcher Facebook-Seiten deiner Meinung nach generell überbewertet?
Naja. Ich sag mal so: Meine Seite hatte am Ende so an die 600 Likes. Im Schnitt waren es bei einzelnen Postings noch weniger. Da hatte ich mir ehrlich gesagt mehr erwartet. Die Berichterstattung jetzt im Nachhinein ist hingegen natürlich der Wahnsinn.

Ist die Aufregung über Seiten wie deine und “Dirty-Campaigning” im Allgemeinen deiner Meinung nach unbegründet?
Ich bin schon ein Freund von Meinungsfreiheit. Und eine Person öffentlichen Interesses muss schon ein bisschen mehr aushalten als eine Privatperson. Solange es keine Aufforderung zur Gewalt beinhaltet, muss das drin sein. Wenn man die Größe hätte, könnte man es mit einem Schmunzeln sehen.

Gab es bereits Feedback aus der ÖVP? Hat dir jemand nahegelegt, vielleicht nichts mehr dazu zu sagen?
Nein, warum auch? Obwohl – ich denke, es ist gut, wenn ich Sebastian Kurz in den nächsten paar Jahren nicht begegne, haha.

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