Seit Jahrhunderten sind Bienen und vor allem ihr flüssiges Gold hochgeschätzt: Wie die Irren stopfen wir uns mit Honig voll, nutzen ihr Wachs für Kerzen, ihr Propolis, das „Bienenharz”, für medizinische Zwecke und das Gelée Royal als Nahrungsergänzungsmittel. Aber diese süßen, selbstlosen fliegenden Freunde haben noch mehr für uns parat.
Letzten Monat habe ich eine cremige Schokoladen-Mousse gegessen—genauso wie man sie sich vorstellt: reichhaltig, dunkel und bittere und süße Aromen in einer perfekten Balance. Und dann gab es da noch einen anderen hervorstechenden Geschmack, ein bisschen umami, fast schon nussig. Die Mousse bestand zu einem Fünftel aus Bienen.
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Um dieses neue Aroma besser verstehen zu können, habe ich danach eine gefrorene Bienenlarve gegessen, die auf meiner Zunge zerging. Das war nicht schlecht. Charles Michel, ein kolumbianisch-französischer Koch, hat mir diese neue Geschmackserfahrung ermöglicht. Er forscht auch an der Oxford University zum Thema Essen und glaubt, dass wir alle Bienen essen sollten.
Dieser Vorschlag hört sich ziemlich erschreckend an, wenn man das zunehmende Bienensterben bedenkt. Charles Michel aber will es schaffen, zusätzliche Drohnenlarven zu züchten unddiese dann in künstlichen Bienenstöcken aufzuziehen. Dabei geht es ihm vor allem darum, dass Fluginsekten besser geschützt und gepflegt werden müssen.
Er glaubt, dass auch in der Gastronomie bald mit Bienen gekocht wird und dass uns damit eine neue, gesunde Proteinquelle bevorsteht—ein weiterer kleiner Schritt im Kampf gegen die immer wieder prophezeite globale Nahrungsmittelkrise.
MUNCHIES: Hi Charles. Du magst also Bienen … Charles Michel: Ich liebe sie. Sie sind so wichtig für die Natur, für uns. Zusammen mit meinem Vater züchte ich Bienen. Bienenzucht ist einfach eine wunderschöne Kunst, das sollten mehr Leute machen. Bienen können uns so viel beibringen. Sie sind ein Zeichen dafür, dass ein Ökosystem funktioniert, deshalb überlege ich, wie man mehr Bienen züchten kann. Es geht nicht nur um Honig: Bienen können, glaube ich, unser Leben verändern. Sie haben einen unglaublich positiven Einfluss auf die Umwelt.
Wir brauchen auf jeden Fall mehr Bienen. Aber wie passen die auf unseren Teller—außer in Form von Honig? Bienen als Zutat können alles verändern. Wenn wir den Ekelfaktor des ganzen Bienenkörpers überwinden können, dann können sie wunderbar sein. Mein Plan ist nachhaltig und ich denke, wir brauchen so etwas. Bienen haben eine ähnlicheZusammensetzung wie Hühnchen.
Wie bitte? Ihr Fleisch enthält zwischen 18 und 40 Prozent Protein, das ist ganz schön viel. Bienenfleisch ist mager, nährstoffreich und vielseitig einsetzbar. Letzte Woche war ich im Fat Duck. Wir (Heston Blumenthal und Co.) haben mein Bienen-Eis ausprobiert.
Und? Ihm und seinem Team gefiel’s. Es ist ein bisschen anders.
OK. Was genau habe ich hier gerade gegessen? Das ist eine Mousse aus ecuadorianischer Schokolade, mit Beeren aus dem Garten und Blüten vom Zitronenthymian. Bisher haben es drei Leute probiert und es scheint zu schmecken.
Superlecker. Man fühlt sich satt. Danke. Der Bienengeschmack ist sehr sanft, bewirkt aber unglaublich viel. Der Geschmack überrascht einen irgendwie, man merkt ihn so ganz hinten. Das passt zu vielen Dingen. Um aus einer Schokoladen-Mousse eine Bienen-Mousse zu machen, braucht man mindestens 20 Prozent Bienen und so viel verwende ich.
Wie züchtet man nun aber Bienen? Wir versuchen eine Methode zu entwickeln, um sie zu züchten und dann zu „ernten”. Ich bin der Meinung, dass man einen Teil der der Eier nehmen kann, um die unsere eigenen Bienen zum Verzehr zu züchten und dafür suchen wir gerade nach einer Möglichkeit. Die weiblichen Bienen übernehmen die Arbeit, die Männchen sind eigentlich nur zur Vermehrung da und sonst nichts.
Typisch. Wir wollen also, dass mehr Drohnenlarven schlüpfen und die dann entnehmen. Wir haben auch überlegt, Bienenstöcke mit einem 3-D-Drucker zu machen und so ein einen künstlichen Lebensraum zu schaffen, aber da stehen wir noch am Anfang und müssen noch einiges durchdenken.
Fügt ihr den Bienen Schaden zu? Gibt es da ethische Bedenken? Nein, wir wollen den Bienen nichts Böses. Wenn es zusätzliche Drohnenlarven gibt, hätte das keinen Einfluss auf das Bienenvolk bzw. sein Mini-Ökosystem. Wir wollen sie schützen—und das wäre eine nachhaltige Möglichkeit.
Was außer Protein liefern uns Bienenlarven? Wenn wir es schaffen, dass sie zum normalen Essensalltag gehören, hätte das viele Vorteile. Sie enthalten viel Vitamin A und D und viele Antioxidantien. Sie sind ziemlich vielfältig.
Bienen sind aber auch sehr klein. Wie kann man genug züchten? Ja, sie sind klein, also brauchen wir sehr viele Larven. Deshalb gibt es noch viele Punkte bei der Züchtung, über die man nachdenken muss. Vielleicht sind sie nur ein Luxusprodukt und werden immer zu den High-End-Zutaten gehören. Aber es gibt Möglichkeiten, wir können Wege finden, um mehr zu ernten.
Bienen werden also zum neuen Trend bzw. Superfood. Ja, das könnte man so sagen, aber meiner Meinung nach können sie mehr sein als nur das. Vielleicht können sie dabei helfen, den Hunger auf der Welt zu bekämpfen. Unter den richtigen Bedingungen gedeihen sie wunderbar und wir können die Früchte dann ernten. Ich denke aber, dass Bienen hauptsächlich als eine Art Zusatzstoff eingesetzt werden, um den Nährstoff- und Eiweißgehalt von Lebensmitteln zu verbessern. So ganz allein genommen sind sie ein ganz schön teures Vergnügen, aber sie könnten eben auch als Zutat eingesetzt werden.
Könnten Bienen auch dazu beitragen, dass auch mehr andere Insekten gegessen werden? Auf jeden Fall. Ich glaube, für viele ist es vielleicht einfacher, Bienen zu essen, weil man sie schon liebt. Selbst die UN empfiehlt im Kampf gegen den Hunger, Insekten zu essen, aber die Menschen wollen nur Steak und Hühnchen. Werden Bienen plötzlich zu einem beliebten, trendigen Nahrungsmittel, könnte sich das vielleicht ändern.
Wie können wir diesen Prozess unterstützen? Wir müssen offen sein, vor allem offen für Veränderungen. Außerdem brauchen wir mehr Imker und Bienenzucht muss etwas sein, von dem man auch wirklich leben kann. Oft ist Imkerei zur Zeit mehr ein Hobby. Wir können einfach so viel von den Bienen lernen, es geht hier nicht nur ums Essen. Sie tanzen, um zu kommunizieren. Sie teilen miteinander und passen aufeinander auf. Durch sie wachsen Blumen und durch ihre „Arbeit” geben sie uns so viel. Bienen helfen der Welt, am Leben zu bleiben.
Also helfen sie auch uns zu überleben? Genau.