Schätzungen des American College of Obstetricians and Gynecologists zufolge leiden 85 Prozent aller menstruierenden Frauen unter mindestens einem Symptom des prämenstruellen Syndroms (PMS). Zu den am häufigsten auftretenden Symptome zählen laut dem amerikanischen Gesundheitsministeriums unter anderem Akne, geschwollene oder schmerzende Brüste, Kopfschmerzen, Muskelschmerzen sowie Angstzustände oder Depressionen. Generell sind die Symptome von PMS weit verbreitet, allerdings gibt es auch vereinzelt Fälle, in denen Frauen unter einer besonders schweren Form von PMS leiden, auch bekannt als prämenstruelle dysphorische Störung (PMDS).
Die National Library of Medicine beschreibt PMDS als schwere Form von PMS, die die psychische Gesundheit betrifft und Beschwerden hervorruft, die einer Depression und einer Angststörung ähneln. Laut der britischen National Association for Premenstrual Syndrome wird PMDS zum Teil auch mit Ovulationshemmern und SSRIs behandelt. Doch obwohl PMDS zweifellos existiert, gab es bisher kaum Untersuchungen, die die Ursache der Störung bestimmen konnten. Das hatte oftmals auch zur Folge, dass Ärzte PMDS mit einer bipolaren Störung oder einer anderen affektiven Störung verwechselt und eine falsche Diagnose gestellt haben. Eine neue Studie hat nun allerdings einen Zusammenhang zwischen PMDS und Veränderungen auf zellulärer Ebene festgestellt. Die Forscher hoffen, dass diese neuen Erkenntnisse die korrekte Diagnose von PMDS vereinfachen werden.
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Die Forscher des National Institute of Health haben hierzu die weißen Blutkörperchen von Frauen mit und ohne PDSM-Symptome untersucht. Dabei stellten sie fest, dass die Symptome der Frauen mit PMDS vollständig gestoppt werden konnten, wenn ihre Östrogen- und Progesteronausschüttung unterbrochen wurde. Durch die Untersuchung des Verhaltens dieser Zellen fanden die Forscher „einen zellulären Hinweis auf anormale Signale in den Zellen der Frauen mit PMDS sowie eine plausible biologische Begründung für deren anormale verhaltensrelevante Sensibilität gegenüber Östrogen und Progesteron”, erklärt Peter Schmidt, einer der führenden Wissenschaftler der Studie in einer Pressemitteilung.
Im Gespräch mit Broadly erklärt der leitende Forscher der Studie, Dr. David Goldman vom Nationalen Institut für Alkoholmissbrauch und Alkoholismus des amerikanischen Gesundheitsministeriums, dass er glaubt, dass diese neuen Untersuchungsergebnisse bei der korrekten Diagnose von PMDS und der Anerkennung der Störung helfen werden. „PMDS wird mittlerweile als offizielle Diagnose gemäß DSM-5 anerkannt, mit klaren Kriterien, die die Störung von normalen Stimmungsschwankungen, wie sie die meisten Frauen im Verlauf ihres ovariellen Zyklus erleben, abgrenzt”, sagt Goldman.
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PMDS wurde 2013 offiziell als depressive Störung in das Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders aufgenommen. Im ICD-10 taucht die Störung derweil allerdings noch nicht auf, was auch der Grund dafür sein könnte, warum PMDS in Deutschland noch weitestgehend unbekannt ist. „Die aktuelle Studie könnte PMDS nun zum selben Stand wie andere medizinische Erkrankungen verhelfen, da sie darauf hindeutet, dass der Störung eine molekulare Ursache zugrunde liegt.” Dass PMDS bisher häufig als bipolare Störung oder eine andere Form von affektiver Störung fehldiagnostiziert wurde, hat Goldmans Erfahrung nach auch damit zu tun, dass es sehr schwierig ist die Unterformen einer psychischen Erkrankung zu bestimmen. „Bis zu einem gewissen Grad liegt die Herausforderung darin, die richtigen Fragen zu stellen”, sagt Goldman gegenüber Broadly.
Im Gespräch mit Dr. Nanette Santoro, Professorin und Vorsitzende der Abteilung für Geburtshilfe und Gynäkologie der Universität von Colorado, sind Studien wie diese unerlässlich für die Diagnose von PMDS. Laut Santoro ist es der „heilige Gral” der PMDS-Forschung, zeigen zu können, dass Frauen mit PMDS anders auf Hormone reagieren. „Es gibt zahlreiche Beweise dafür, dass die zirkulierenden Hormone im Körper von Frauen mit PMDS zu 100 Prozent mit denen von Frauen ohne PMDS übereinstimmen.” Santoro glaubt, dass diese neuen Untersuchungsergebnisse letztlich positiv dazu beitragen könnten, dass PMDS in Zukunft korrekt diagnostiziert wird. „Das ist ein wichtiger Schritt, um endgültig bestimmen zu können, woher die Sensibilität bei Frauen mit PMDS kommt. Außerdem könnten die Ergebnisse auch dazu genutzt werden, die Störung zu behandeln.”
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Dennoch glauben die Forscher der Studie, dass es vermutlich noch Jahre dauern wird, bis die Forschungsergebnisse zur Behandlung und Prävention von PMDS eingesetzt werden können. Goldman glaubt, dass noch viel Forschungsarbeit notwendig sein wird. „Zunächst müssen die Komponenten bestimmt werden, die für die beobachteten zellulären Unterschiede bei Frauen mit PMDS verantwortlich sind”, sagt Goldman. Das bedeutet auch, dass etwaige genetische Unterschiede zwischen den Frauen mit PMDS im Vergleich zu Frauen ohne PMDS diagnostiziert werden müssen. Außerdem müssen erst die unterschiedlichen Zellformen betrachtet werden.
Foto: Christy Mckenna | Flickr | CC BY-SA 2.0