Eine Buchmesse, ob die in Leipzig oder die in Frankfurt, ist normalerweise eine friedliche und recht unspektakuläre Veranstaltung. Seit der vergangenen Buchmesse in Frankfurt scheinen aber Handgemenge und viele Polizisten dazuzugehören, vor allem um den Stand des neurechten Verlages Antaios, der trotz aller Kritik auch in Leipzig ausstellen durfte. Und wie schon in Frankfurt ging es wieder rund.Von der Leitung der Buchmesse waren die rechten Verlage alle nebeneinander platziert worden. Neben Antaios waren das verschwörungstheoretische Compact-Magazin von Jürgen Elsässer und die NPD-Zeitung Deutsche Stimme dabei, sie standen nur wenige Meter voneinander entfernt. Der Traum der Rechten, die Meinungshoheit und später die Macht im Land zu übernehmen, ist noch weit von seiner Realisierung entfernt, aber an den Tagen der Leipziger Buchmesse zeigt sich exemplarisch, wie sie es schaffen, sich breitzumachen und die gesamte Stimmung auf der Messe zu beeinflussen. Vor allem am Samstagabend eskalierte die Situation.
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Der linke Protest beginnt
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Die Rechtsextremen der Identitären Bewegung sind aus ganz Deutschland und Österreich angereist. Es sind dieselben Gesichter, die man in ihrem kleinen Kreis immer sieht. Wobei sich eines der Gesichter etwas verändert hat. Ein 22-jähriger Identitärer hat einen frischen Schmiss im Gesicht, den er sich beim Fechten in einer Burschenschaft geholt hat. Das Blut in der Wunde seiner Backe ist noch verkrustet.Es fällt den Identitären sichtlich schwer, sich zusammenzureißen und nicht loszuprügeln. Einen Gegendemonstranten umzingeln sie, bedrohen ihn und schubsen ihn dann weg. Er schreit: "Fasst mich nicht an." Die Identitären sind Medienaktivisten und sie wissen: Wer vor laufenden Kameras zuerst zuschlägt, droht, die öffentliche Debatte zu verlieren.Der Gegendemonstrant heißt Peter, ist 25 Jahre alt und trägt einen rot-gefärbten Irokesenschnitt. Er sagt nach dem Tumult: "Ich bin der Meinung, dass man denen nicht den Raum komplett überlassen und ihnen alles durchgehen lassen darf."
Identitäre bedrängen eine Frau
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Die Rechten ziehen ihre Veranstaltungen trotz Gegenprotesten durch. Die Leitung der Buchmesse wirkt hilflos, bittet beide Seiten darum, friedlich zu bleiben.Der Star der neuen Rechten und der Identitären ist eindeutig Götz Kubitschek. Als Compact-Chefredakteur Jürgen Elsässer auf einem Podium zu ihm sagt: "Aufgabe der oppositionellen Medien ist, zum Sturz des Regimes beizutragen – und da gehen wir Schulter an Schulter", hat Kubitschek nichts einzuwenden.Kubitschek distanziert sich offiziell von Positionen der Neonazis, wiederholt diese dann aber in einer etwas gemäßigteren Sprache. Der Bewohner eines Ritterguts in Sachsen-Anhalt beschwert sich gerne, dass er nicht auf öffentliche Veranstaltungen eingeladen werde, um seine Meinung zu sagen.Dabei hat in den vergangenen Monaten fast jede größere Zeitung und Zeitschrift eine Homestory darüber gemacht, wie er morgens auf seinem Rittergut seine Ziegen melkt und sich von eigenen Kindern siezen lässt. Ja, richtig gehört. Seine Kinder siezen ihn.Kubitschek steht vor allem an den beiden Wochenend-Tagen an seinem Stand und wird von interessierten Besuchern geradezu belagert. Er versucht, sich als der intellektuelle Vordenker der Neuen Rechten zu inszenieren. Stark, männlich und selbstbewusst – doch das klappt nicht so richtig. Wiederholt kommt er ins Stottern, ist nervös und hat den Tick, ständig seine Hose zu richten. Wenn er das Gefühl hat, dass Gesprächspartner wichtig sind, wenn es zum Beispiel Journalisten großer Medien sind, dann lässt er sich auf die Diskussionen ein. Wenn er Kritiker für unwichtig hält, dann lässt er sie auch mal durch seinen Bodyguard wegschieben.
Ziel ist der "Sturz des Regimes"
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Kubitschek will nicht diskutieren, er will sich inszenieren. In seinem Buch Provokation schreibt er das auch: "Ziel ist nicht die Beteiligung am Diskurs, sondern sein Ende als Konsensform." Und: "Von der Ernsthaftigkeit unseres Tuns wird euch kein Wort überzeugen, sondern nur ein Schlag ins Gesicht." Seine Strategie ist es, als vermeintlich "nur" rechtskonservativer Gesprächspartner vorzeigbar und mainstream-tauglich zu werden und die Mitte der Gesellschaft dann nach rechtsaußen zu schieben.