Emo ist keine Phase – Ein Gespräch mit nothing,nowhere. über Emo-Rap

“Wir waren alle nur Kids, die Musik in unseren Zimmern gemacht haben”, twitterte nothing,nowhere. im November 2017, als die Meldung von Lil Peeps tödlicher Überdosis die junge Rapszene erschütterte. Vermeintlich simple Worte, die aber genau das erfassen, was all die Musiker ausmacht, die sich von Soundcloud aus auf die Bühnen der Welt kämpfen. Wie Peep lud auch Joe Mulherin, der Mann hinter nothing,nowhere., seine ersten Tracks 2015 auf die Plattform. Geloopte Emo-Riffs, melodische Trap-Beats, und teils gesungene, teils gerappte Texte über Liebeskummer, Ängste und Depressionen. Eben genau der Sound, der inzwischen als Emo-Rap beschrieben wird. Drogen spielten jedoch nie eine Rolle in Mulherins Musik oder Leben. Im Keller seiner Eltern schrieb und produzierte der Straight-Edger im ländlichen Vermont seine Songs, drehte bald Musikvideos, die beim YouTube-Channel Astari veröffentlicht wurden. Hier luden neben unzähligen anderen Underground-Rappern auch Lil Peep und bekannte Genre-Kollegen wie Brennan Savage oder Lil Lotus ihre Videos hoch. Fast alle Clips des Kanals sprühen vor düsterer DIY-Ästhetik, wehmütigen Anime-Referenzen und erklingen immer in Moll, was Astari zu sowas wie dem visuellen Grundpfeiler der Emo-Rap-Szene macht.

Zu Mulherins wachsenden Fanschar gehörte bald auch ein gewisser Chris Carrabba, Sänger von Dashboard Confessional, der sich mit der Emo-Pop-Hymne “Hands Down” in den Nullerjahren unsterblich gemacht hatte. Der alte Emo war so überzeugt von der Kunst des jungen, dass die beiden schließlich auf dem Song “hopes up” zusammen sagen, einer Single des ersten richtigen nothing,nowhere.-Albums Reaper. Eine Art symbolische Eyeliner-Übergabe (um wenigstens mal ein Klischee auszugraben).

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Nur ein halbes Jahr später ist jetzt mit ruiner bereits ein neues Album erschienen, auf dem Label Fueled By Ramen von Pete Wentz, dem Bassisten von Fall Out Boy. Klang Reaper teils noch wie eine Sammlung seiner größten YouTube-Hits, ist ruiner inzwischen die Vollendung seines eigenen Sounds, mit dem Mulherin sich endgültig von seinen Genre-Kollegen abhebt und vom viel zu leichtfertig vergebenen Label “Emo-Rap” befreit. Akustische, melancholische Gitarrenmelodien und zurückhaltende Beats bilden den Klangteppich, auf dem sich der 25-Jährige hinlegt, um sich mit Blick zur Decke den eigenen Dämonen zu stellen.

Auf “better” rappt er von der Sehnsucht nach seiner Jugendzeit, schildert in “hammer” mit HipHop-typisch breiter Brust seinen Weg nach oben, versetzt uns mit “sinker” in die eigenen Teenieschwarm-Jahre, als Taking Back Sunday, Senses Fail und Thursday der Soundtrack für den Schulalltag waren, ergibt sich in “sayer” seinem Herzschmerz, klingt dabei ein bisschen wie der alte The Weeknd und schreit im letzten Track “waster” in den inneren Abgrund. Lil Peep wurde als die “Zukunft des Emo” beschrieben, nothing,nowhere. zeigt spätestens mit diesem Album, wie Emo gegenwärtig klingt.

Wir haben mit ihm über sein Album, seine musikalischen Wurzeln, Lil Peep und Emo-Rap gesprochen. Und endgültig die Frage geklärt, ob Emo nicht doch nur eine Phase ist.

Noisey: Dein neues Album r uiner ist nur ein halbes Jahr nach deinem Debüt Reaper erschienen. Wie schaffst du es, in so kurzer Zeit so viele neue Songs zu schreiben und aufzunehmen?
Joe Mulherin: Es ist das Einzige, was ich mache. Es ist eine meditative Erfahrung, und ich wüsste wirklich nicht, was ich sonst machen sollte. Wenn ich eine Woche mal keine Songs schreibe oder aufnehme, werde ich verrückt. Es passiert einfach. Ich könnte jeden Monat ein Album veröffentlichen, wenn ich könnte, haha.

Bevor du deine eigenen Songs geschrieben hast, hast du Rap-Songs in Emo-Versionen gecovert. Warum?
Da war ich 12 oder 13. Das war nur Kram, den ich auf MySpace hochgeladen hatte, bevor ich lernte, selbst Songs zu schreiben. Das waren tolle Zeiten. Einfach nur jung sein und lernen, wie man singt und Gitarre spielt.

Welche drei Songs haben deine Sicht darauf verändert, über negative Emotionen wie Trauer, Angst, Liebeskummer, etc. geändert?
“Understanding in a Car Crash” von Thursday, “Never Meant” von American Football und “The Mountain Range in my Living Room” von The Early November.

Wie kamst du überhaupt darauf, HipHop-Sounds und Rap so konsequent und flüssig mit Emo-Elementen und -Gesang zu verbinden? Gab es da jemanden, an dem du dich orientiert hast?
Ich weiß nicht genau. Das kommt wohl daher, dass ich Emo-Songs geschrieben und nebenbei Rap-Songs aufgenommen habe. Irgendwann 2011 oder 2012 kam ich dann auf die Idee, diese beiden Einflüsse zu einem Style zu verbinden. Den richtigen Sound zu finden hat viel Arbeit gekostet. Erst im April 2015 habe ich es so richtig mit nothing,nowhere. versucht. Ich erinnere mich noch, dass Bones 2013 Songs mit Beats und Gitarre gepostet hatte. Das war ein gutes Beispiel, wie man es sehr gut macht. Jeder wollte dann so wie Bones klingen – das zu sehen war inspirierend.

Lil Peep wurde die “Zukunft des Emo” genannt. Wie du hat er 2015 seine ersten Tracks bei SoundCloud veröffentlicht. Gab es den Moment, als du dachtest: “Fuck, er macht auch das Emo-Rap-Ding!” ?
Nicht wirklich, es gab ehrlich gesagt ein Haufen Kids, die einen ähnlichen Sound machten. Es gab eine Underground-“Szene”, lange bevor es irgendein großes Medium realisiert hat. Leider bin ich nie wirklich in seine Musik eingetaucht, bis er gestorben ist. Ich erinnere mich, dass er kurz nach mir angefangen hat, Musik zu posten. Der YouTube-Channel Astari hat ein paar seiner Songs hochgeladen, unter anderem auch “Star Shopping”, was ein phänomenaler Track war. Ich denke, wir haben unterschiedliche Musikstile gemacht, aber bin mir sicher, das wir ähnliche Einflüsse hatten. Ruhe in Frieden.

Es ist interessant, dass immer mehr Rapper ernste Themen wie Depressionen, Ängste oder die Schattenseiten von Drogenmissbrauch thematisieren und damit sehr erfolgreich sind. Woran könnte das liegen?
Ich kann nichts über den Drogenmissbrauch sagen, aber es gibt nun mal viele Menschen, die mit Ängsten und Depressionen kämpfen. Wenn du in deiner Musik zeigst, dass auch du verwundbar bist, wissen deine Hörer, dass sie nicht alleine sind. Das ist eine mächtige Sache. Mir selbst haben zahlreiche Bands und Künstler auf diese Art geholfen.

Könnte “Emo-Rap” die neue Welle sein, die Emo für einen neue Generation wiederbelebt? Wir haben letztens mit einem Experten für Jugendkulturforschung gesprochen, der gesagt hat, dass das Internet alle neuen möglichen Jugendkulturen verhindere.
Ich bin ehrlich gesagt nicht sicher. Ich fühle mich zurzeit so entfernt von Jugendkultur – entfernt von vielen Dingen. Ich mag es einfach, die meiste Zeit alleine zu sein. Campen, Kayak fahren. Ich beschäftige mich nicht mehr mit irgendeiner Szene oder Gruppe als ich muss. Ich kann nur sagen, dass sich Kids dieser Art von Musik verbunden fühlen und extrem enthusiastisch dabei sind. Es erinnert mich daran, als ich mich in meiner Jugend leidenschaftlich mit Bands befasste und das als eine Art Religion ansah. Ich denke nicht, dass das Internet Jugendkultur tötet, es verbreitet sich alles nur schneller und auf größere Weise.

Was denkst du überhaupt über die Bezeichnung “Emo-Rap”? Gibt es ein anderes, besser zu dir passendes Label, um deine Musik zu beschreiben?
Ich hätte lieber gar kein Genre. Hoffentlich werden Leute das im Verlauf von 2018 verstehen. Genres können seltsam werden und ich würde gerne nicht in eine Schublade gesteckt werden. Aber ich verstehe, dass Menschen immer Dingen ein Label geben müssen, es ist einfach unsere Natur.

Ich habe auch gelesen, dass Chris Carrabbas Lob eine riesige Motivation für dich war, das mit nothing,nowhere. weiter durchzuziehen. Da es ja schon einen Altersunterschied zwischen euch gibt: Ist Emo wirklich nur eine Phase?
Ich werde wohl selbst im Alter immer noch die Bands meiner Jugend hören. Ein Stück deines jüngeren Ichs wird immer bei dir sein. Die Dinge, die dich damals beeinflusst haben, verschwinden nicht. Ich vergesse den Altersunterschied, wenn ich mit Chris rede, es ist eher so, als ob ich mit einem meiner anderen Freunde rede. Vielleicht werden wir nie wirklich erwachsen. Vielleicht sitze ich irgendwann in einem Altersheim und höre “Screaming Infidelities”.

Tour Dates

31.10.18 Berlin – Privatclub
05.11.18 Wien – Arena Wien

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