Student würde wieder Postillon-Artikel liken – obwohl die Polizei deswegen gegen ihn ermittelt

Gut, dass es in Bayern strenger zugeht als im Rest der Republik, ist kein Geheimnis. Dass man mit seinem Joint nicht gerade die Münchner Leopoldstraße entlang spazieren sollte, dürfte wohl jedem klar sein. Doch anscheinend muss man sich gar nicht so weit aus dem Fenster lehnen. Manchmal reicht es der bayerischen Polizei schon, dass jemand einen offensichtlich satirisch gemeinten Artikel likt, um Ermittlungen einzuleiten. Genau das ist passiert. Weil ein Münchner Student auf Facebook einen Artikel des bekannten Satire-Magazins Postillon gelikt hat, auf dem auch Hitler zu sehen war, vermutete die Polizei eine rechte Straftat und leitete Ermittlungen gegen den 27-jährigen Johannes König ein.

Die Schlagzeile über dem besagten Artikel hieß “Björn Höcke dreht Hitler-Foto auf seinem Nachttisch um”, darunter ein entsprechendes Bild, auf dem außer Höcke auch ein gerahmtes Foto von Hitler zu sehen ist. Johannes König saß vor seinem PC, kicherte vermutlich ein bisschen, schickte den witzigen Artikel vielleicht noch an ein paar Freunde, gab dem Post einen Like – und lag wenig später als Verhandlungssache dem Kommissariat 44 des Münchner Polizeipräsidiums vor. Das kümmert sich um mutmaßlich rechte Straftaten. Wie absurd das ist, wird noch klarer, wenn man den Fall näher betrachtet.

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Denn Johannes König ist schon länger im Visier der Münchner Polizei. Im Februar teilte er einen Artikel des Bayerischen Rundfunks, bei dem eine Fahne der YPG zu sehen war. Die YPG gilt als bewaffneter Arm der Kurden und ist Teil der internationalen Koalition gegen die Terrororganisation Islamischer Staat (IS). Da sie als Nachfolgeorganisation der kurdischen Arbeiterpartei PKK gilt, die seit 1993 in Deutschland verboten ist, dürfen die Fahnen zwar in Artikeln von Medien genutzt werden, die Verbreitung kann aber unter Umständen als Straftat gelten. So also auch wenn man den Beitrag einfach nur auf Facebook teilt.

“Vor Kurzem habe ich meine Akte bekommen. Fast 50 Seiten, auf denen mein komplettes Facebook-Profil zu sehen ist. Alles, was ich öffentlich gepostet habe, wurde abfotografiert und gesichert”, sagt König gegenüber VICE. Die Polizei untersuchte im Zuge der Ermittlungen nicht nur, was der Musiker aus München selbst postete, sondern auch, was er auf anderen Seiten likte. Und sah somit auch Königs Like unter dem Postillon Artikel.

22.000 andere haben den Artikel geliked –auch sie könnten unter Verdacht geraten

Ermittelte bisher das Kommissariat, dass Straftaten von ausländischen Extremismus verfolgte, wurde das neue Ermittlungsverfahren gegen Johannes König nun wegen einer mutmaßlich rechten Straftat eingeleitet. “Es ist lächerlich, dass ich mich wegen einer angeblich rechten Straftat verantworten soll, während so viele Straftaten von Nazis einfach fallengelassen werden”, sagt er. Neben Johannes König haben noch fast 22.000 andere Menschen den Post des Postillon geliket. Müssen diese nun auch befürchten, von der bayerischen Polizei zu hören? “Grundsätzlich ja”, sagt der Anwalt von Johannes König. Denn stufe die Polizei im Falle von König das Liken des Postillon Artikels als Straftat ein, müsse die Polizei jedem nachgehen, der diese Straftat auch begehe. Das verlangt das Legalitätsprinzip. “Wir sind hier in Bayern. Ich halte gar nichts mehr für unwahrscheinlich”, sagt Königs Anwalt.

Es ist nicht das erste Mal, dass die Polizei die Verbreitung oder Zustimmung von eindeutiger Satire verfolgt. Es kam auch schon zu ernsthaften Gerichtsentscheidungen, so Königs Anwalt. Außerdem gäbe es allein in seinem Büro über 100 Ermittlungsverfahren wegen YPG-Fahnen. Dass die Münchner Polizei diese Ermittlungen so schnell einleitet, ist nicht nur absurd und in vielen Fällen unberechtigt, sondern führt auch zu einer Verfälschung der Kriminalstatistiken. Im Sicherheitsreport für das Jahr 2017 behauptete die Münchner Polizei etwa, dass die Ausländerkriminalität um 75 Prozent gestiegen sei. Später kam raus, dass diese Zahl zustande kam, weil sie sich auf 49 Verfahren bezog, die wegen eines einzigen Facebook-Posts eingeleitet wurden. Und dieser Facebook-Post kam von einem Deutschen.

Für König heißt es nun erst einmal abwarten. Vorsichtiger auf Facebook wird er wegen dieser Sache nicht sein, sagt er. Und mal ganz ehrlich: Noch vorsichtiger wäre es ja nur gar nichts mehr zu liken.

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