Goldkettchen, eine Frau in jedem Arm, fette Karre und ein noch fetteres Grinsen auf den Lippen, so kennen wir Bordellbesitzer aus Die Wollersheims, Kill Bill oder Musikvideos. Und in Wirklichkeit? Viel Exzentrik und keine Skrupel – ist das tatsächlich das Starter-Kit, um mit Prostitution Geld zu verdienen? Was ist dran an der Inszenierung von Bling Bling, Barem und Bumsen?
Für die Prostituierten oft wenig: Für 30 Minuten Sex zahlt man laut den Websites vieler Bordelle momentan 50 Euro, Beraterinnen für Prostituierte des Vereins Hydra bestätigen das. Wenn es sich nicht um einen “Flat-Rate-Club” handelt, funktioniert ein gängiges Geschäftsmodell, wie zum Beispiel in Kölns Riesen-Bordell Pascha und anderen, so: Die Sexarbeiterinnen mieten sich im Bordell ein und arbeiten dann auf eigene Rechnung, können (theoretisch) Preise und Art der sexuellen Handlungen selbst bestimmen. Der Bordellbetreiber macht sein Geld durch die Zimmermieten. In einem der größten Bordelle Deutschlands, dem 11-Stöckigen Pascha mit mehr als 800 Besuchern am Tag, lag 2014 die tägliche Zimmermiete bei 160 Euro. Man muss kein Rechenkünstler sein, um sich klarzumachen, wie häufig die Frauen pro Schicht fremde Männer in sich eindringen lassen, um genug Geld zum Leben zu haben.
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Leo, 43, verrät nicht die Höhe seiner Zimmermieten. Und auf die Frage wie viel er verdient, sagt er nur: “Diese Frage erlaube ich nur dem Finanzamt, meiner Hausbank und meinem Steuerberater!” Über den Rest redet er ohne Umschweife. “Klar sage ich, dass ich Puffbesitzer bin. Warum auch nicht? Da aber blöd drum rumlabern, finde ich peinlich.”
Klar wird das auf der Homepage seines Berliner Bordells. Dort wirbt er mit “rein, raus, geil” oder “Non-Stop Horny – 24/7 Beine breit” für seinen Laden. Seine sieben Zimmer sehen aus wie Möbel-Höffner-Showrooms aufgehübscht durch Zimmerpalmen und Wandspiegel, in denen sich die Männer beim Sex zugucken können. Unter der Woche arbeiten bis zu zehn Frauen hier, am Wochenende 15.
Um es mit 50 Cent zu fragen: Ist er denn nun ein “motherfucking P-I-M-P” mit Gehstock und Krokodilleder-Slippern? “Auf keinen Fall”, sagt Leo, der mit seinem exzentrischen Schnauzbärtchen und einem Bündel Fuffies in der Hand vor seinem Club posiert. “Als Bordellbetreiber bin ich Vermieter, kein Zuhälter. Was die Frauen mit wem und wie oft machen, ist ihr Ding.” Tatsächlich? Kann er überhaupt für die Sicherheit der Sexarbeiterinnen garantieren? Wir haben Fragen.
VICE: Bist du Bordellbetreiber geworden, weil du nichts anderes kannst?
Leo: Ich bin gelernter Automechaniker, habe mir die Hände dreckig gemacht und gemerkt, dass man selbst mit Überstunden nicht genug Geld verdient. Dann habe ich BWL studiert, das war ungefähr vor 20 Jahren. Ein paar Jahre später hatte ich mit zwei Freunden die Idee, einen Puff aufzumachen – wir hatten gehört, dass man so mit wenig Arbeit schnell viel Kohle macht. Aber so lief das nicht. Ein fettes Auto, teure Klamotten und ein Abo im Fitnessstudio machen noch keinen Puffbesitzer. Die beiden “Freunde” haben sich dann verpisst, ich bin auf dem Puff sitzen geblieben. Heute weiß ich: Ein Bordell ist ein Betrieb wie jeder andere und muss professionell geführt werden. Nach fünf Jahren etwa konnte ich gut von dem Laden leben. Ich mache das jetzt seit 15 Jahren und mir macht das immer noch Bock.
Wissen deine Eltern von deinem Beruf?
Ja, meine Mutter weiß Bescheid. Ich weiß jetzt nicht en Detail, wie cool sie tatsächlich damit ist. Aber sie ruft mich jetzt nicht an, um mir ins Gewissen zu reden. Das funktioniert bei mir sowieso nicht. Seit ich 14 bin, mache ich, worauf ich Bock habe und was ich für richtig halte.
Im Internet wirbt dein Bordell mit Sprüchen wie “rein, raus, geil” oder “24/7 Beine breit”. Verachtest du Frauen?
Ich habe einen Plan davon, wie man erfolgreich einen Puff betreibt. Wie man am besten Werbung macht, weiß meine Werbeagentur.
Was findet die Polizei bei einer Razzia in deinem Haus?
Benutzte Kondome, Abrechnungen von den Frauen, frische Bettlaken und eventuell dreckige Handtücher – wenn die Männer schneller spritzen, als die Waschmaschinen waschen können.
Nimmst du die Dienste deiner Mieterinnen selbst in Anspruch?
Das würde ich nie machen. Der beste Beweis dafür, dass das richtig ist: Es wollen immer wieder Frauen bei mir arbeiten, weil sie kein Bock mehr auf die Gepflogenheiten in anderen Läden haben. Da sollen sie nämlich genau das machen: mit jämmerlichen Hobby-Playboys nach der Arbeit für lau ins Bett gehen.
Ich trenne Berufliches und Privates. Auch meine Freunde bekommen bei mir keine Gratisnummer. Ich schlage mir doch nicht die Nächte um die Ohren, damit die für lau ficken können. Meistens ist es ja so: Wenn du im Club keine klargemacht hast, bei Tinder auch nichts geht, dann gehst du halt mitten in der Nacht noch in den Puff. Und wenn meine Freunde dicke Eier haben, rufen sie an und fragen, ob bei mir genug Frauen da sind. Die kommen, zahlen einen Fuffi für eine halbe Stunde und der Druck ist weg.
Sind Freier arme Würstchen?
Auf keinen Fall. Im Puff zahlt ein Freier einfach nur Geld für etwas, das er haben will. Wenn mein Auto neues Öl braucht, fummele ich ja auch nicht selbst daran herum, sondern fahre in die Werkstatt. Vereinfacht kommen zwei Freier-Typen in meinen Laden. Die erste Gruppe sind Muslime, Türken zum Beispiel, die mit ihrer Frau nicht das machen wollen oder können, worauf sie Bock haben. Zu Hause wird in der Missionarsstellung unter der Bettdecke gevögelt, bei uns gibt es dann Französisch oder Doggystyle. Diese Freier sind sehr unkompliziert, die wollen oft nicht mal küssen – das können sie ja mit ihrer Frau tun. Bei den Frauen sind die sehr willkommen, weil die meisten höflich und rasiert sind, sich vorher und nachher duschen. Und der andere Typus ist der normale Deutsche. Die sind natürlich nicht alle gleich, aber einige von denen gucken halt YouPorn, seitdem sie 14 sind, und wollen dann entsprechende Sachen machen. Da passiert es schonmal, dass eine Frau aus dem Zimmer kommt und sich wundert, dass ein 18-Jähriger Dinge will, von denen sie selbst noch nichts gehört hat.
Sind alle Frauen freiwillig da?
Bei mir gibt es nur Frauen, mit denen ich mich auf Deutsch oder Englisch unterhalten kann. Und solange ich mich mit denen unterhalten kann, bekomme ich mit, wenn etwas komisch ist. Auf Zuhälter habe ich keinen Bock. Und wenn ich merke, dass da ein Auto vorm Laden parkt und darauf wartet, dass eine Frau ihr Geld abdrückt, dann marschiere ich zu dem und erzähle, dass er das in meinem Laden nicht machen kann. Denn eine Frau, die nicht freiwillig arbeitet, bringt mir nichts. Das ist dann so, als würde ein Kellner frustriert und ohne Bock Essen servieren. Erstens spricht sich das rum, und zweitens vergeht einem da doch der Appetit.
Hast du schon Frauenleben kaputt gemacht?
Ich bin der Meinung, dass alle Frauen, die in mein Haus kommen, wissen sollten, was sie wollen, und was sie besser lassen sollten. Ob ich ein schlechtes Gewissen habe? Wenn ich sehe, dass eine Frau in einer Notlage ist und für einen Zuhälter anschafft, dann sage ich klipp und klar, dass ich da keinen Bock drauf habe. Wenn eine Frau aber durch eigenes Handeln Probleme hat, zum Beispiel Schulden, dann kann sie natürlich in meinem Haus arbeiten, um da wieder rauszukommen. Wenn ich dann merke, dass die Mädels das Geld nicht beiseite legen, sondern davon saufen oder ins Casino gehen, dann spreche ich sie darauf an. Das mache ich einmal, das mache ich zweimal. Aber beim fünften Mal ist mir das auch zu blöd. Die Frauen müssen wissen, was sie tun.
Kannst du sicher sein, dass keine Frau in deinem Bordell vergewaltigt wurde?
Klar! Jede Frau macht nur das, was sie will. Und das bei jedem Gast aufs Neue. Nein heißt nein, auch bei einer Prostituierten. Am nervigsten sind die Männer, die denken, dass man mit Geld oder einer großen Schnauze bei Frauen mehr erreicht. Wenn sich also ein Gast mit einer Frau nicht einig wird, dann quatscht der noch einmal mit meiner Wirtschafterin. Wenn die dann keine Dame findet, die seine Wünsche bedienen will, dann hat er Pech gehabt. So ist das auch, wenn sich keine Frau für ihn entscheidet, weil er zu besoffen oder ungepflegt ist. Keiner hat Bock auf Stinker. Ich frage die Typen dann, ob sie in einen Schuhladen gehen und der Schuhverkäuferin ihre seit drei Wochen ungewaschenen Füße unter die Nase halten.
Hast du schon Bewerberinnen abgelehnt, weil sie zu unattraktiv waren?
Natürlich! Wenn eine Frau so aussieht, dass sie noch nicht einmal in einer schäbigen Eckkneipe auf ein Bier eingeladen wird, dann frage ich sie ganz direkt: Wenn ich dir noch nicht einmal einen Drink spendieren würde, wie kommst du dann auf die Idee, dass es Männer gibt, die Bock haben, dich für Kohle zu ficken?