Schöne Frauen sind im HipHop wie tiefe Bässe und Geräusche von Maschinengewehren: braucht’s zwar nicht unbedingt, ist aber besser mit. In diesem Kontext traten also auch die WOS Girls in unser Leben: Als Hauptattraktion des Videos zu “Pillen” von Yung Hurn. Männer dachten sich “Woa geil, Titten”, Mädels dachten sich “Woa geil, Titten—und endlich auch mal Frauen, die nicht aussehen, wie in einem Labor gezüchtet.”
Was viele jedoch nicht wissen: Paulina und Anna sind nicht irgendwelche “geilen Fiqqhuren” von Yung Hurn, sondern ein eigenständiger Act bei Live From Earth, regulieren außerdem deren Merchandise und werden demnächst vielleicht sogar euer Leben retten. Ein Gespräch unter Fiqqhuren über Kunst, Rap und warum dieses Gender-Ding manchmal echt drüber ist.
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Noisey: Da ihr vermutlich noch nicht so viele Interviews gegeben habt, darf ich die faulen, ausgelutschten Fragen noch stellen: Wofür steht WOS? Oder W.O.S?
Anna: Ursprünglich haben wir es W.O.S. ausgesprochen, aber da sind wir jetzt zu faul für, deswegen WOS. Wir wollten etwas haben, was man immer verändern kann. Mal heißt es “World of Sex” mal “Walk of Shame” oder “Woman of Style”—je nachdem, worauf wir Lust haben. Dann können sich Leute auch selbst was ausdenken—vielleicht haben die ja sogar viel bessere Namen, als uns einfallen.
Ich muss zugeben: Wie die meisten Menschen kenne ich euch bisher nur aus dem “Pillen”-Video. Nervt es langsam, “diese zwei geilen von Yung Hurn” zu sein?
Anna: “Geile Bitch, die muss mal richtig gefickt werden” [lacht].
Paulina: Ja ich hab auch mal eine Nachricht bekommen: “Bist du nicht diese 1 geile Fiqqhure aus dem Yung Hurn-Video?” [allgemeines Gelächter].
Anna: Ja genau! Ich sag nein (*Yung Hurn-Voice*). Ich kann das ehrlich gesagt nicht richtig ernst nehmen. Leute, die sowas im Ernst sagen, so von wegen “Was sind das für Nutten?” und “Die müssen mal gefickt werden”, die sind vermutlich einfach nur unglücklich mit sich selbst. Es ist ja auch einfacher zu sagen, “Was ist das für ‘ne Fiqqhure?” statt “Geil, da sind zwei Mädels, die studieren und Musik machen und nicht nur ihre Titten in die Kamera halten”.
Wobei man das ja nicht zwangsläufig wissen kann, bzw. manche Fiqqhuren-Kommentare vielleicht auch nicht als Kritik gemeint sind.
Paulina: Ja, obwohl ich eben sagen muss, ich bin 25, ich bin auch viel zu sehr noch in dieser “Nicht-Internet-Generation” groß geworden, als dass ich mir jetzt so Kommentare durchlesen würde. Und wie Anna auch sagte: Wenn mein Leben sich darauf reduzieren würde, in Videos Cameos zu machen und meine Titten in die Kamera zu halten, dann würde ich das vielleicht schon tun und dann würden mich so Kommentare auch vielleicht treffen. Aber so nehmen wir das alles mit Humor.
Anna: Wir hatten jetzt ja auch keine Ahnung, was dieses Video für Welle machen würde. Julian [Anm.: Yung Hurn] hatte uns gefragt, ob wir Bock haben, bei einem Video mitzumachen. Das war alles ganz spontan—wir hatten ja nicht mal Make-up drauf oder einen BH an.
Wo wir eben genau beim Thema wären: Es gibt ja sehr viel interessanteres Zeug, das ihr macht, neben den Titten jetzt. Ihr seid ja selber Künstlerinnen bei Live From Earth.
Paulina: [Lacht] Ja, also das bei Live From Earth fing darüber an, dass wir die Mode da machen, bzw. dass wir die Mode mehr in Richtung “More for the Ladies” entwickeln wollten. Diesen Body, den ich in dem Video trage zum Beispiel, aber da kommt auch noch mehr. Dass wir dann auch musikalisch auf einer Welle waren—Anna und ich sind ja DJs und legen zusammen auf—, kam dazu und so wurden wir dann auch Künstler bei LFE. Wir machen aber schon viel länger Musik, als wir jetzt bei LFE sind. Wir legen jetzt schon so seit fünf, sechs Jahren auf.
Anna: Nee, ich erinnere mich noch, als ich so 15 war und du da mal in Potsdam aufgelegt hast. Also schon länger! Seit acht Jahren oder so. Angefangen haben wir damals in der King Size, so mit 17 oder so.
Und ihr habt von Anfang an zusammen aufgelegt?
Paulina: Nee, erst getrennt. Ich habe auch früher noch Breakdance getanzt, woher dann auch die Liebe zu HipHop kam. Dann haben wir zusammen angefangen, weil es einfach mehr Spaß zusammen macht und ich liebe sie und sie liebt mich. Bei manchen Sachen—wir legen oft auch bei Fashion Events auf—, wenn man dann für so ein fettes Event für einen argen Club oder eine krasse Marke auflegt, ist man schon auch froh, wenn man einen Partner hat. Außerdem ist es auch weniger langweilig zu zweit, wenn man mal so Sechs-Stunden-Sets spielt. Und natürlich ist es geil, mit der besten Freundin Party zu machen und dafür bezahlt zu werden [lachen].
Ich habe überall rumgegooglet, aber es ist gar nicht so einfach, Musik von euch zu finden.
Paulina: Nein, unser Internetauftritt ist echt lame [lacht]. Aber das ist auch Absicht, teilweise. Wir sehen uns auch mehr unter dem Performance-Art-Konzept. Wenn uns jemand sieht und dem gefällt das, dann funktioniert das auch ohne Soundcloud und das ganze pseudo Präsentieren im Internet.
Anna: Wir fokussieren uns darauf, einen geilen Abend zu haben und nicht in erster Linie im Internet präsent zu sein.
Was für Musik macht ihr denn, beziehungsweise legt ihr auf?
Anna: Unsere Musik ist genau wie die Mode auch mehr in Richtung “More for the Ladies”. Wir haben mit HipHop angefangen, mittlerweile hat sich unser Repertoire etwas weiterentwickelt. Wir legen uns da auch gar nicht fest.
Paulina: Unser eigentliches Ding war immer so Millennium-R’n’B. Unser Motto ist ja auch “After the Show it’s the Afterparty”—ich nenne das immer “Lady HipHop”. Anna ist die Funkkönigin bei uns, das spielen wir auch viel. Ich mag auch die golden 90s und Oldschool HipHop.
Anna: Mittlerweile spielt das jetzt ja auch jeder Club. Aber als wir angefangen haben, vor drei, vier Jahren, hat kein Club Blu Cantrell gespielt. Wir haben auch ganz oldschool die ganzen Songs, die wir geil finden, auf CD gebrannt, mit Bleistift und Kugelschreiber auf so einem karierten Block beschriftet und in so CD-Hüllen gesteckt.
Paulina: Anna war jetzt vier Monate in New York, da war ich allein mit dem Männerhort und hab auch alleine als DJ Gigola aufgelegt, das ist mein Alter Ego neben WOS. Was ich da auflege, nenne ich selber “Elegant Eurodance”.
Wie ist es denn so als einzige Mädels im Männerhort LFE für euch?
Paulina: Ach, es ist viel abhängen in der Victoria Bar.
Anna: Freestylen im DriveNow. Also wenn wir auflegen, wissen die Jungs auf jeden Fall auch Bescheid, dass dann kurz mädchenmäßig rasiert werden muss. Wir tragen unsere CDs auch immer nur in Louis Vuitton- oder Fendi-Taschen zur Party. Diesen ganzen “Berghain rasierte Seiten, Bomberjacke, Springerstiefel”-Film kann ich nicht mehr sehen. Wir wollen ein bisschen Glam bringen, kleine Fendis und Rüschenkleider tragen.
Da haltet ihr die Girly-Fahne auf jeden Fall hoch bei Live From Earth.
Anna: Ja, Carrie Bradshaw for Life. Ach, die sind ja auch ganz affin die Jungs. Julian ist ja selbst eine kleine Fashion-Maus. Live From Earth hat seine ganz eigene Ästhetik—so wie wir eben auch. Um nochmal auf deine Frage davor einzugehen: Wir begegnen uns da auch gar nicht auf dieser Gender-Ebene.
Paulina: Dieses ganze “Frauen in der Musikszene”-Ding: Ich bin da echt so over diesen Gender-Talk. Mir kommt das immer wie etwas aus der Generation davor vor, wo es immer darum ging, sich als Frau dem Mann gegenüber stellen zu müssen. Ich sehe Künstler als Künstler und nicht als Männlein oder Weiblein und ich denke, das sehen die Jungs bei LFE auch so.
Hört ihr denn viel Deutschrap, in dessen Kosmos ihr ja jetzt ja wohl mehr oder weniger freiwillig reingeraten seid?
Anna: Nee, also ich wüsste jetzt nicht, wie Haftbefehl aussieht. Paulis Geschichte, wie die Frauenarzt kennengelernt hat, ist auch so geil!
Paulina: [Lacht] Ja das war bei dieser Nacktparty von Easydoesit. Da ist Julian aufgetreten und Frauenarzt scheinbar auch. Ich war da im Backstage und habe auf so einem Minipiano Gigi D’Agostino gespielt und war so ein bisschen auf einen Disput aus, weil der Backstage so schlecht ausgerüstet war und überall diese assozialen Nackten rumgelaufen sind. Jedenfalls kam da dann so einer rein, in einem komplett schwarzen Outfit, mit so einer dicken Kette, aber weißen Socken an. Und dann hab ich zu ihm gesagt, dass er ja ein ganz süßes Outfit anhat, aber was diese weiße Socken sollen. Dann meinte er, dass das zu seinem T-Shirt passe und hat dann auf so einen Haufen T-Shirts gezeigt, wo einfach sein Gesicht vorne draufgedruckt war und meinte, ich könne eins haben. Am nächsten Tag habe ich das dann angezogen, weil das eben gerade draußen rumlag und ein Freund fragte mich dann: “Ey, wo hast du denn das Frauenarzt-Shirt her?” und ich war so “Was, das ist Frauenarzt?!” An dieser Stelle: Ich habe dich lieb, Frauenarzt.
Ihr habt vorhin etwas über freestylen im DriveNow gesagt. Macht ihr denn neben dem DJing auch eigene Musik?
Anna: Es gibt unveröffentlichte Sachen, ja. Wir saßen mit Acoid auf Palma de Mallorca im Kurzurlaub und haben tagsüber einen Beat gebaut und einen kleinen Palma-Song aufgenommen. Aber das ist bisher Privatvergnügen. Wir haben ja mal das eine Lied gemacht, “Jet Pilot”, was wir übrigens auch hier in der Victoria Bar gedreht haben, s/o an die Victoria Bar.
Paulina: Ich habe da noch so ein kleines freches Projekt im Hinterkopf mit Julian und Stickle, dass dringend mal realisiert werden muss. Aber da darf ich noch gar nicht zu viel drüber sagen. Wir müssen das ja auch zeitlich erstmal alles hinkriegen. Ich studiere Medizin und promoviere gerade und Anna studiert ja auch noch.
Anna: Aber ich glaube, das ist auch das Gute, um zu dem Video und den Kommentaren nochmal zurückzukehren: Da kann man halt dann über sowas schmunzeln. Demnächst müssen die alle halt einen Termin bei Dr. Fiqqhure ausmachen.
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