Winter-Wrap. Foto: Peter aka anemone-projectors
Ich bin nicht exakt die Person, zu der die Leute kommen, wenn sie Ratschläge im Leben brauchen. Das war nicht immer so. Früher, vor allem in der Schulzeit, wurde ich von anderen gebeutelten Hormon-Hülsen „Dr. Sommer” genannt, weil ich erstens angeblich gut zuhören konnte (ein Euphemismus für Leute, die sich schwer damit tun, andere mitten im Satz abzuwürgen) und zweitens immer für alle da war (ein Euphemismus für Nerds, die sowieso nichts Besseres zu tun haben).
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Wann sich das alles geändert hat, weiß ich auch nicht mehr genau—aber ich vermute stark, dass es irgendwie mit der Zeit zu tun hat, in der ich anfing, über die sexuelle Dimension von Fürzen zu schreiben. Wenn mir heute jemand eine Dr. Sommer-Frage stellt, wie „Meine Freundin weint oft grundlos, ich weiß einfach nicht mehr, was ich machen soll”, tendiere ich inzwischen dazu, so was zu antworten wie: „Führ den Finger deiner Freundin langsam an dein Popoloch, das sorgt für Überraschung und lockert die Stimmung auf.”
Ich habe also im großen Wichtelspiel des Lebens meine Kompetenz für Beziehungsfragen verschenkt und dafür etwas Neues geschenkt bekommen. Inzwischen kommen die Leute wegen ganz anderen Ratschlägen zu mir. Sie wollen wissen, wie kurz vor dem Orgasmus man Poppers inhalieren sollte, wie das mit der Auge-Nase-Hand-Koordination beim gleichzeitigen Pornoschauen funktioniert und ob sie sich schuldig fühlen müssen, wenn sie von Videos erregt werden, in denen sich ein Delphin mit einem geköpften Fisch selbstbefriedigt (mehr dazu demnächst).
Diesen seltsamen Gestalten gegenüber empfinde ich mittlerweile eine gewisse Verpflichtung—nennt es meinetwegen Service-Gedanken—, weshalb ich an einem bestimmten Thema einfach nicht vorbeigehen kann, das wie ein großer, twerkender Elefant im Raum steht und bis zum Frühling nicht mehr verschwinden wird.
Es geht um die eine Sache, die uns Hominiden seit dem Zeitalter des Miozäns über jeden einzelnen Winter gebracht hat und seit Einführung der Feiertage wie ein fettbäuchiger Schatten über den aschgrauen Monaten liegt. Es geht um Essen.
Beginnend mit Thanksgiving diese Woche—das langsam aber sicher auch unsere Breitengrade mit Turkey-and-Gravey-Gelagen überschwemmt—bis hin zu Silvester—wo auch vernunftbegabte Menschen die extralange Nacht vor allem dazu nutzen, um kiloweise Brot in Käsefondues zu ersäufen—ist der Winter voll mit Kalorien und Kohlenhydraten.
Und wie jeder weiß, der schon mal versucht hat, All-you-can-eat-Buffets und Geschlechtsverkehr am selben Abend unterzubringen, sind Kalorien (gleich nach Gedanken an die Oma) der größte Feind des Sexualtriebs.
Als ich mit meiner Freundin relativ frisch zusammen war, haben wir stilsicher am Damen-WC des Wiener Wok House rumgemacht und es war die reinste Katastrophe. Einerseits, weil uns die Teppanyaki-Garnelen einen Schweißfilm auf die Haut und ein Grummeln in den Magen zauberten und andererseits, weil die Regel-Gespräche in den Nebenkabinen eine noch unpassendere Geräuschkulisse schufen, als man sie auf einem Frauen-Klo sowieso schon erwarten könnte.
Aber meine Aufgabe ist es nicht, euch in eurem Selbsthass beim Verzehr des von Mama mühsam zusammengestellten Weihnachtsmahls zu bestätigen. Ich bin hier, um euch aufzuwecken und daran zu erinnern, dass ihr auch dieses Jahr wieder jede verdammte Rumkugel und jedes abgefuckte Bauernbrot, das eure Sinne streift, verschlingen werdet—und dass ihr deshalb besser jetzt schon lernen solltet, wie man aufhört, sich Sorgen um Sex zu machen und die Kalorienbomben zu lieben.
Eine Möglichkeit besteht darin, Essen einfach spielerisch in euer Sexleben zu integrieren. Ich weiß, diese Praktik ist durch American Pie in Verruf geraten oder zumindest in die Ecke spätpubertärer Kuchen-Kopulations-Konnotationen gerückt.
Aber erstens gibt es immer noch Früchte, die am besten mit einem Körper als Unterlage schmecken und zweitens spricht nichts dagegen, handfeste Fleischkost um eure Genitalien zu wickeln. Warum nicht mal ein Pimmelbrot basteln oder ein bisschen Vaginawurst naschen?
Foto: Tumblr
Eine andere Möglichkeit, die Essensblockade beim Wintersex abzubauen, bieten—wie so oft—unsere guten Freunde, die Filme. Je mehr Horror ihr zum Beispiel schaut, umso natürlicher wird euch das viele Fleisch, das sich bis Jänner um eure Hüften sammelt, vorkommen.
Außerdem steigt bei Horrorfilmen nicht nur eure natürliche Toleranz gegenüber körperlichen Anomalien, sondern ihr verbrennt nebenbei auch noch Unmengen an Energie beim Schauen; nämlich bis zu 180 Kalorien, was zirka einem halbstündigen Spaziergang entspricht (aber wer will bei dem Scheißwetter schon rausgehen).
Und sind wir nicht am Ende alle irgendwie selber Essen? Das jedenfalls ist die Botschaft, die ich aus diesem Film von herausgelesen habe. Das Ganze ist ein Beitrag aus dem ABCs of Death 2-Wettbewerb und besser als einige der Episoden, die es tatsächlich in den ersten Teil geschafft haben.
M is for Meat von Wolf Matzl auf Vimeo.
Im Dienste alter Kekswichs-Kameradschaft lautet mein Tipp für den Winter also: Horror und Gore-Porn statt Liebe und Romantik-Kitsch—weil ihr spätestens in einem halben Monat dringend Bilder brauchen werdet, die euch nicht mit Weichzeichner und eislaufenden Pärchen auf eure Inperfektionen hinweisen, sondern solche, die sagen „Es ist okay, wie Truthahn auszusehen und sich wie Füllung zu fühlen.”
Markus auf Twitter: @wurstzombie