Politik

Nach seiner Wahlniederlage beginnt für Trump ein Justiz-Alptraum

So geht es für den immer noch amtierenden US-Präsidenten weiter.
Der amerikanische Präsident Donald Trump schließt die Augen und hört während einer Diskussion im weißen Haus zu
Foto: Yuri Gripas / Bloomberg via Getty Images

Donald Trumps präsidialer Schutz vor strafrechtlicher Verfolgung wird am 20. Januar 2021 verfallen. An diesem Tag muss er sein Amt abgeben. Bisher gibt es nur Hinweise darauf, was die Staatsanwälte dann vorhaben.

Wenn sie sich dazu entscheiden, Trump strafrechtlich zu verfolgen, könnte Joe Bidens erste Amtszeit nur wegen einer möglichen Inhaftierung Trumps in Erinnerung bleiben. Und, fatal für ein Land, das ohnehin schon in Aufruhr ist: Ein ehemaliger Präsident würde auf der Anklagebank landen. 

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Unter Trump-Wählern könnte dies zu massivem Unmut führen. Trump hat sich selbst immer wieder als Opfer von linker Wut und selektiver Justiz dargestellt. Viele seiner Anhänger würden Vorwürfe gegen Trump vermutlich ähnlich interpretieren, selbst wenn es Beweise gegen ihn geben würde.

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In diesem Fall aber könnten die Staatsanwälte nicht einfach untätig bleiben. Denn das könnte zukünftige Präsidenten dazu animieren, Regeln zu brechen oder gar Verbrechen zu begehen – schließlich hätten die USA dann gezeigt, dass kriminelle Machenschaften im höchsten Staatsamt nicht bestraft werden. Wenn nichts gegen den ehemaligen Präsidenten unternommen wird, wäre dies ein Zeichen dafür, dass dieses Amt "too big to fail" ist – insbesondere, wenn Trump 2024 nochmal antritt.

Barbara McQuade, eine Detroiter Juristin, fragt sich: "Wollen wir ein Land sein, in dem ein Präsident von seinem Nachfolger strafrechtlich verfolgt wird? Andererseits: Wollen wir ein Land sein, in dem ein Präsident Verbrechen begehen kann, weil er damit davonkommt?"

Michael Cohen, der jahrelang Trumps Anwalt und persönlicher Problemlöser gewesen ist, weiß um Trumps Sorgen hinsichtlich seiner Taten. Cohen zufolge versucht Trump so verzweifelt an der Macht zu bleiben, um zukünftige Klagen zu vermeiden. 

"Seine Niederlage ist der Anfang vom Ende – für sein Unternehmen und seine finanzielle Situation," sagt Cohen VICE News. "Sie könnte Haft für ihn, seine Familienmitglieder oder für leitende Angestellte seiner Firmen bedeuten."

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Die Entscheidung 

Für Kamala Harris, die künftige Vizepräsidentin und ehemalige Generalstaatsanwältin von Kalifornien, ist die Sache klar: Trump soll juristisch verfolgt werden. Diese Entscheidung sollte aber von einem unabhängigen Justizminister getroffen werden, sagte Harris während einer Veranstaltung der Demokratischen Partei. 

"Ich glaube, dass sie ohnehin keine andere Option hätten, und dass sie Trump strafrechtlich verfolgen," sagte Harris im Radio gegenüber NPR. 

Biden ist da umsichtiger. Er sagte, dass er seinen zukünftigen Justizminister nicht dazu anleiten würde, Nachforschungen gegen Trump anzustellen – aber auch, dass er ihm nicht im Weg stehen würde. 

"Ich werde mich nicht in das Urteil des Justizministeriums einmischen. Ob die Justizbeamten glauben, dass sie jemanden strafrechtlich verfolgen sollten, ist nicht meine Entscheidung", sagte Biden im August.

Biden ist sich der Risiken bewusst. Trump strafrechtlich zu verfolgen, könnte die Vereinigten Staaten ins Chaos stürzen. Ihm zufolge sei es "nicht gut für die Demokratie, frühere Präsidenten gerichtlich zu belangen". 

Vielleicht liegt die Entscheidung aber nicht in den Händen von Bidens Administration. Der Bezirksstaatsanwalt für Manhattan Cyrus Vance untersucht bereits Trumps finanzielle Angelegenheiten. Wenn Vance Tatvorwürfe auf Landesebene vorbringt, würden sie nicht in den Hoheitsbereich des Justizministers fallen. 

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Die Beweise 

Die Ermittler auf Landes– und Bundesebene haben viele Beweise zu überprüfen. Cyrus Vance scheint bereit zu sein, auf allen juristischen Ebenen zu kämpfen, um an Trumps vollständige Finanzunterlagen zu gelangen. 

Das Team von Cyrus Vance hat in Gerichtsunterlagen angegeben, tief in Trumps finanziellen Angelegenheiten zu graben. Die Anwälte um Vance haben  Trump bis zum Supreme Court angefochten, um seine Steuererklärungen und andere finanzielle Unterlagen zu erhalten. 


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"Ich denke die wahrscheinlichste Strafverfolgung Trumps kommt von Manhattans Bezirksstaatsanwaltschaft für seine finanziellen Machenschaften", sagte auch McQuade. 

Cohen hat zugegeben, dass Trump ihn zu illegalen Abfindungszahlungen an Frauen animiert habe, die angeblich mit Trump Sex hatten. Diese und andere Ereignisse führten dazu, dass Cohen im Gefängnis landete. Er behauptet auch, dass Trumps Familienunternehmen Bilanzen manipuliert habe, um Steuer- und Versicherungsbetrug zu begehen. 

Cohen, der seine Erlebnisse mit Trump in seinen Memoiren festhält, sieht dessen Familienunternehmen als seine größte Schwachstelle.

"Trump brauchte die Wahl so wie andere Menschen Sauerstoff zum Atmen", sagte Cohen. "Eine Vielzahl von Gerichtsverfahren wird über ihn hereinbrechen." 

Die New Yorker Generalstaatsanwältin Letitia James führt eine separate, zivilrechtliche Untersuchung zu Trumps Geschäftspraktiken. 

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Was sie findet, könnte jedoch auch für andere Ermittler interessant werden. 

Allein der Abschlussbericht von Sonderermittler Robert Müller, der Trumps Russland-Affäre durchleuchtet hat, präsentiert genug Beweise für eine Anklage auf Bundesebene. In einem öffentlichen Brief, der von über 1000 ehemaligen Staatsanwälten unterschrieben wurde, wird Trump Behinderung der Justiz vorgeworfen. 

"Das Büro des Bezirksstaatsanwalts muss vorsichtig sein. Sie können nicht einfach Anklagen erheben, die nicht hieb- und stichfest sind," sagte Rebecca Roiphe, eine ehemalige Anwältin in der Bezirksanwaltschaft von Manhattan und mittlerweile Expertin für rechtliche Ethikfragen an der New Yorker Law School.  "Gegen eine andere Person können sie einen Fall vorlegen, der schwierig zu beweisen ist. Aber in dieser Situation wäre das sehr riskant. Wenn Cyrus Vance mit seiner Anklage voranschreitet, dann werden die Beweise überwältigend sein."

Die Begnadigungen

Trump könnte versuchen, mit einer präsidialen Begnadigung davonzukommen. Die Frage ist, wie viel ihm das wirklich nützen würde. 

Trump müsste hierzu vermutlich von seiner Präsidentschaft zurücktreten, bevor sie offiziell beendet ist. Vizepräsident Mike Pence müsste ihn dann begnadigen. 

Das ist genau der Weg, den der ehemalige Präsident Richard Nixon einschlug. Infolge des Watergate-Skandals trat Nixon 1974 zurück und ließ sich von seinem Nachfolger begnadigen, Präsident Gerald Ford. 

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Aber eine Begnadigung auf Bundesebene würde Trump nicht vor Anklagen auf Landesebene – wie der, die möglicherweise von Cyrus Vance vorgelegt wird – beschützen. 

Trump könnte sich jedoch dazu entscheiden, Begnadigungen für seine Familienmitglieder und Verbündeten zu erwirken. Das würde sie von Anklagen auf Bundesebene schützen. 

"Ich glaube, dass Trump unglaublich viele Menschen begnadigen wird – inklusive sich selbst, seiner Familie und seiner Freunden," sagte Harry Sandick, ein ehemaliger Anwalt für den Southern District von New York. 

Es ist unklar, ob Gerichte Trump erlauben würden, sich selbst zu begnadigen. Manche Rechtsexperten glauben aber, dass er einen Versuch wagen wird.

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