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So werden Sexarbeiterinnen von Online-Dienstleistern diskriminiert

Candy Flip vor einem pinken Hintergrund

In Deutschland gibt es mehr offiziell gemeldete Sexarbeiter und Sexarbeiterinnen als Hebammen. Trotzdem dürfen Erstere weder einen Paypal-Account noch ein Instagram- oder Facebook-Profil haben – zumindest nicht für berufliche Zwecke.

Seit 2016 gibt es in Deutschland das Prostituiertenschutzgesetz. Seitdem ist Sexarbeit vollständig legalisiert. Das bedeutet allerdings nicht, dass die jahrelange Stigmatisierung von Menschen, die ihr Geld mit Sex verdienen, schlagartig aufgehört hätte – im Gegenteil.

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Ein Ort, an dem die Diskriminierung von Sexworkern besonders groß ist, ist das Internet. Über Social Media berichten Menschen immer wieder, wegen ihres Jobs von Online-Plattformen gelöscht oder dort gesperrt worden zu sein. Wir haben mit drei Sexarbeiterinnen darüber gesprochen, wie sie online diskriminiert werden und an welchen Stellen sie am stärksten Einschränkungen spüren.

Lady Velvet Steel, Sexarbeiterin

Lady Velvet Steel über einem Mann in Leder
Foto: privat

Zu Beginn meiner Berufskarriere habe ich kleine Anzahlungen über PayPal entgegengenommen. Dafür hatte ich mir ganz brav einen Business-Account eingerichtet. Nach zwei Wochen wurde ich von PayPal gesperrt – lebenslang. Was ich damals nichts wusste: Alles, was mit Sexualität zu tun hat, verstößt gegen die Nutzungsbedingungen von PayPal. Ich hatte den Account vorher primär für eBay-Transaktionen genutzt und etwa 500 Euro auf dem Konto. Die wurden sofort eingezogen. Ich musste ein halbes Jahr lang dafür kämpfen, das Geld zurückzubekommen. Sowas kann im schlimmsten Fall eine Existenz bedrohen.

Selbst wenn du deinen Account nur für private Zwecke benutzt – wenn rauskommt, dass du was mit Sexarbeit zu tun hast, wirst du gesperrt. [Anm. d. Red.: Paypal sagt auf Nachfrage von VICE, dass Konten nicht aufgrund des Berufes geschlossen werden würden, sondern wenn sie gegen die Nutzungsbedingungen verstoßen. Verboten sind unter anderem Transaktionen für “sexuell orientierte Materialien oder Dienste”.] Das passiert häufig durch Denunziantentum, weil Freier oder Trolle unsere Privatadressen raussuchen und dann Verbindungen zu Plattformen wie PayPal herstellen. Ich habe eine Impressumspflicht. Wenn ich meinen Namen nicht auf meiner Webseite angebe, bekomme ich Probleme. Mache ich es, stellen Menschen Verbindungen zu meinem Privatleben her.

Als das Prostituiertenschutzgesetz 2017 in Kraft getreten ist, hat die Swinger-Plattform JOYclub alle Anbieterinnen von sexuellen Dienstleistungen rausgeworfen. Das hat mich sehr geärgert. Selbst wenn ich dort keine Dienstleistungen anbiete, bin ich offenbar nicht erwünscht. JOYclub schrieb damals: “Werte wie Ehrlichkeit, Respekt und Harmonie stehen für uns nicht im Einklang mit den wirtschaftlichen Aspekten und teilweise zweifelhaften Nebeneffekten, die das Thema käufliche Lust mit sich bringt”. [Anm. d. Red.: JOYclub hat den Text auf ihrer Webseite am 20.07.2017 aktualisiert. Ein Screenshot des ursprünglichen Posts liegt VICE vor.] Diskriminierung zieht sich durch verschiedene private Plattformen. Ich trete zum Beispiel bei Airbnb nicht unter meinem richtigen Namen auf, weil die Plattform Sexarbeitende auch dann rausschmeißt, wenn wir die Räumlichkeiten nicht für sexuelle Dienste anmieten. Das sind genau die Themen, von denen wir sprechen, wenn es um das Stigma rund um Sexarbeit geht.

Candy Flip, Sexarbeiterin und Filmemacherin

Candy Flip vor pinkem Hintergrund
Foto: these modern eyez

Wenn man als Sexarbeiterin Zahlungsdienste nutzen möchte, merkt man schnell, wie schwer einem das gemacht wird. Es ist eigentlich unmöglich, über Online-Zahlungsanbieter Geld für sexuelle Dienste anzunehmen. Von gängigen Anbietern wie PayPal wird man gelöscht. Ich drehe auch Pornos, kann dafür aber nur schwer Zahlungen annehmen. Entweder darf man den Zahlungsanbieter als Sexarbeiterin gar nicht verwenden oder man geht über andere Kreditkartenanbieter, die dann aber horrende Aufschläge nehmen. Neonazis dürfen dagegen auf Paypal bleiben und da ihre Spenden sammeln.

Online-Diskriminierung ist nur ein kleiner Teil des Stigmas, das es über unseren Beruf in der Gesellschaft gibt. Warum werden Sexarbeiter und Sexarbeiterinnen ausgeschlossen? Weil Sexarbeit als etwas Schmutziges gilt, womit die Firmen nichts zu tun haben wollen. Wenn niemand ein Problem mit Sexarbeit hätte, hätten die Zahlungsanbieter wahrscheinlich auch keins.

Seit 2018 gibt es in den USA das FOSTA-SESTA Gesetz. [Anm. d. Red.: Dabei handelt es sich um ein Gesetz, das den Sexhandel bekämpfen soll.] Infolgedessen wurden mehrere US-amerikanische Webseiten runtergenommen – zum Beispiel Backpage, eine Seite, auf der sexuelle Dienstleistungen angeboten wurden. Das gefährdet Menschenleben, weil Leute auf einen Schlag ihr Einkommen verlieren, verzweifelt sind, sich auf die Straße stellen oder höhere Risiken eingehen, um genügend Kunden zu bekommen. Außerdem werden die Kommunikation und Vernetzung zwischen Sexarbeitenden erschwert. Dabei ist es sehr wichtig für unsere Sicherheit, dass wir uns zum Beispiel in Facebook-Gruppen über gefährliche Kunden austauschen können. Stigma tötet.

Josefa Neureus, Sexarbeiterin

Josefa sitzt in einem Sessel
Foto: Lucas Wahl

Besonders nervig finde ich den Umgang von Instagram und YouTube mit Sexworkern. Egal, ob wir beruflich oder privat auf Instagram aktiv sind: Die Plattform will uns nicht.

Bei YouTube wurde ich noch nie gesperrt. Aber die Videos, die ich dort veröffentliche, sind nicht werbefähig. Ich habe keine Möglichkeit, das YouTube-Partnerprogramm zu nutzen. Das bedeutet, dass ich keine Werbung schalten und nicht im Video auf andere Webseiten verlinken darf. Das ist schon eine arge Ungleichbehandlung.

Wenn wir auf Plattformen wie Kaufmich! – das ist eine der Plattformen, auf der Sexarbeitende mit Kunden in Kontakt kommen können – Anzeigen schalten wollen, müssen wir dafür zahlen. Sexarbeiter geben monatlich manchmal 500 Euro für Werbung aus. Natürlich würden wir das Influencertum darum gerne auch für uns nutzen, um kostenfrei eine höhere Bekanntheit zu erzielen. Wir müssten keine Telefonnummer angeben, könnten in sicherer Distanz mit Kunden interagieren und sie super einfach blocken.

Es gibt Unternehmen, die dabei helfen, die Impressumspflicht zu umgehen, damit der Name von Sexworkern geheim bleibt. Das kostet aber auch wieder rund 200 Euro pro Monat. Das sind wieder so und so viele Schwänze mehr, die du lutschen musst.

Um Kreditkartenunternehmen zu meiden, nutze ich Amazon-Gutscheine. Auf der Rückseite steht ein Code, den meine Kunden mir schicken. Mit meinem privaten Amazon-Konto kann ich das Guthaben dann einlösen. Die Miete kann man damit natürlich nicht zahlen. Mittlerweile muss kein vollständiger Name mehr auf Überweisungen auftauchen, deshalb kann ich zusätzlich Geld per Überweisung bekommen. Wenn ich abends mit dem ganzen Bargeld aus dem Hotel komme, fühle ich mich ganz schön unsicher – noch mehr als sonst schon.

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