Ein Steinblock mit den römischen Ziffern MCMLVI, der Fotograf Felix Adler war in Johanngeorgenstadt.
Ein Fragment des Kulturhauses in der Neustadt von Johanngeorgenstadt, das 2010 wieder abgerissen wurde – nur 54 Jahre nach dem Bau | Alle Fotos von Felix Adler
Menschen

Fotos: Crystal und Uran im Erzgebirge

In den 1950ern wurde in Johanngeorgenstadt Uran für das sowjetische Atomprogramm gefördert, heute ist das Highlight die nahe Grenze nach Tschechien.
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Dieser Artikel ist Teil von "The Final Issue", der letzten deutschen Printausgabe von VICE

Fun Fact: Das Erzgebirge kommt in Pulp Fiction vor. Zumindest in der deutschen Synchronfassung stammt das Heroin daher, das der Dealer Vincent Vega als "der reinste Wahnsinn" andreht. Das hat mich beeindruckt, als ich den Film als ostdeutscher Jugendlicher auf dem VHS-Player meiner Oma geschaut habe.

Jahre später habe ich dann von einer weiteren Wahnsinns-Substanz aus dem Erzgebirge erfahren: Uran. Nach der Zündung der ersten Atombomben durch die USA wollten die Sowjets unbedingt nachziehen. Im gesamten Einflussgebiet der Sowjetunion gab es aber nur eine bekannte Uranlagerstätte: Johanngeorgenstadt, eine alte sächsische Bergarbeiterstadt an der Grenze zur Tschechoslowakei. Um den Bau sowjetischer Atombomben zu ermöglichen, wurde schnell eine neue Mine mit dem klingenden Namen Objekt 01 gegründet und aus dieser in kürzester Zeit enorme Mengen Uran gefördert.

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Johanngeorgenstadt

Statue von Kurfürst und Stadtgründer Johann Georg

Gab es 1946 nur 63 Bergleute in Johanngeorgenstadt, explodierte die Belegschaft plötzlich. Auf dem Höhepunkt des Uranbergbaus 1953 arbeiteten fast 70.000 Bergleute in drei Schichten. Dabei gruben sie Hunderte Kilometer Gänge unter der Altstadt, bis diese einsturzgefährdet war und Mitte der 50er Jahre komplett abgerissen werden musste. Als Ersatz wurde eine sozialistische Planstadt gebaut.

Das Ende der DDR, die Erschöpfung der Uranvorkommen und der folgende Strukturwandel haben Johanngeorgenstadt noch einmal hart getroffen. Heute liegt die Einwohnerzahl wieder auf dem Niveau von 1830, der Altersdurchschnitt gehört zu den höchsten des Landes und die Stadt hat keinen Ortskern mehr. Es gibt fast keine Restaurants und Geschäfte. Zum Essen und Haareschneiden läuft man einfach über die Grenze nach Potůčky, wo man auf den vietnamesischen Märkten Nazi-Devotionalien kaufen kann – und Crystal, wenn man nur lange genug sucht.

Für diese Fotostrecke habe ich im Februar zwei Tage in Johanngeorgenstadt verbracht.

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Johanngeorgenstadt

Historische Ansicht der Altstadt, dem einstigen Zentrum des Ortes. Heute befindet sich an der Stelle der Stadtwald, nur die Kirche steht noch

Johanngeorgenstadt
Johanngeorgenstadt

Klaus und Gundula beim Spaziergang leben seit 1968 zusammen in der Stadt

Johanngeorgenstadt

Frank leitet das Schaubergwerk "Frisch Glück", das ehemalige Objekt 01. Seine Filmempfehlung zum Thema Johanngeorgenstadt und Uran: 'Die Sonnensucher' von Konrad Wolf

Johanngeorgenstadt

Lange besaß Johanngeorgenstadt den größten Schwippbogen der Welt. Seit 2016 ist es nur noch der schwerste Schippbogen, gebaut aus 700 Tonnen Stahlbeton

Johanngeorgenstadt
Johanngeorgenstadt
Johanngeorgenstadt

Ein Passant antwortete auf die Frage nach der Limousine: "Ich sach ma so, es gibt auch kleinere Autos. In Tschechien kommste damit nich mal durch den Kreisverkehr. Is halt sehr amerikanisch so ein Auto"

Johanngeorgenstadt

Ein Gramm Crystal Meth, gekauft auf einem Markt in Tschechien

Johanngeorgenstadt
Johanngeorgenstadt

Modell der Uranstollen unter der Altstadt

Johanngeorgenstadt
Johanngeorgenstadt

Wenn abends der vietnamesische Markt im tschechischen Potůčky schließt, öffnen die Table-Dance-Bars und Bordelle ihre Türen

Johanngeorgenstadt
Johanngeorgenstadt
Johanngeorgenstadt
Johanngeorgenstadt

Auf den Märkten im benachbarten Potůčky findet man eine ganze Reihe von Neonazi-Merchandise