Heute nehmen uns unsere MUNCHIES-Kollegen mit in die Niederlande. Und es ist heiß. Was das bedeutet? Im Supermarkt ist das Eis ausverkauft, alle Männer laufen in den gleichen karierten Shorts rum und die gesamte Bevölkerung des Landes macht sich auf den Weg zum nächsten Café mit Terrasse oder wo auch immer man draußen sitzen kann, um ihre verschwitzten Pobacken auf die Stühle zu pflanzen und sich dort für die nächsten Stunden auch ja nicht wegzubewegen.
Das ist gut für Gastronomiebetreiber, denn was macht sie glücklicher als Gewinn. Doch für die Kellner ist das Ganze weniger schön. Eigentlich weiß fast jeder, dass man, wenn man etwas bestellen möchte, den Kellner nicht heranpfeift, mit den Fingern schnipst oder uns am Ärmel zupft. Doch mit den ersten Sonnenstrahlen scheint bei den Gästen – verblendet von ihrem Verlangen nach Alkohol und Sommerfeeling – auch das innere Arschloch herauszukommen.
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Bei einigen Dingen möchte man als Kellner am liebsten mit Dartpfeilen auf die Kunden werfen. Ich habe ein paar (Ex-)Kellner nach ihren schlimmsten Horror-Storys gefragt.
Auch bei MUNCHIES: Ein Blick hinter die Kulissen des Fine Dining im 108:
Raoul, arbeitet im Nel in Amsterdam
Vor zwei Jahren hatte ich drei Männern auf unserer Terrasse gerade eine neue Runde Bier gebracht und eine Wespe flog um einen Tisch. Ich wollte sie wegscheuchen, bin aber aus Versehen gegen ein leeres Glas eines der Gäste gekommen, das ihm dann in den Schoß fiel. Obwohl nur noch ein Spuckschluck drin war, passierte etwas Bizarres: Er stand einfach auf und klatschte mir eine. Ich war drei Sekunden sprachlos und fragte ihn dann total baff: “Entschuldigung, was tun Sie?” Er rastete nur noch mehr aus und alle auf der Terrasse sahen zu.
Meine Kollegen haben mich reingeholt, weg von dem Typen. Er setzte sich ruhig hin und trank sein neues Bier. Die zwei anderen waren total schockiert, schnauzten ihren Freund an und entschuldigten sich bei meinen Kollegen. Doch der Typ, der mir eine geknallt hat, hatte es immer noch nicht kapiert: Einer meiner Kollegen hörte, wie er seinen Freunden erzählte, dass er wirklich nicht verstand, was er falsch gemacht hatte. Als ich wieder rausging zum Arbeiten, applaudierten mir alle Gäste auf der Terrasse.
Ema, arbeitete früher im ‘Skek in Amsterdam
Am meisten nervt mich, dass die Leute denken, dass unsere Terrasse ihr eigener Privatstand sei, wo sie sie auf ihrem Handtuch im Bikini chillen und ihre eigene Musik hören können. Zum Beispiel saß bei uns einmal eine Gruppe Skandinavier mittleren Alters, die eine Art Midlife-Crisis-Ausflug nach Amsterdam gemacht hatten. Sie waren so zu zehnt und fingen plötzlich an, auf der Terrasse über ihre kleinen Lautsprecher AC/DC laufen zu lassen.
Ich bat sie höflich, die Lautsprecher auszustellen. Sie entschuldigten sich, aber statt die Musik auszumachen, stellten sie einfach nur die Lautstärke runter. Die Leute am Tisch neben ihnen hatten auch Lautsprecher und fingen ein Battle mit ihren skandinavischen Nachbarn an: Sie spielten kitschige deutsche Schlagersongs, die so schlecht waren, dass es wehtat. Irgendwann haben die Skandinavier die Message dann verstanden und gingen.
Ich habe irgendwann aufgehört mitzuzählen, wie oft ich angetrunkene Teenager erwischt habe, wie sie kalte, halb aufgegessene Nachos von leeren Nachbartischen klauten.
Anastasia, arbeitete früher im Rose’s Cantina in Amsterdam
Heiße Tage in Kombination mit Alkohol bringen die schlimmsten Seiten bei einigen Gästen hervor. Wenn es draußen warm ist, kommen oft Gruppen 16-Jähriger zu uns und trinken Cocktails – häufig zum ersten Mal. Und nach der ersten Margarita sind sie schon hinüber. Bei uns werden oft Nachos bestellt – ich habe irgendwann aufgehört mitzuzählen, wie oft ich angetrunkene Teenager erwischt habe, wie sie sich kalte, halb aufgegessene Nachos von leeren Nachbartischen klauten. Ein Mädchen hat sich einmal eine Schüssel mit Guacamole von einem leeren Tisch geschnappt und sie mit den Fingern geleert. Mein Chef hat das mitbekommen und weil die Gruppe eh scheinbar einen Schnelligkeitsrekord im Cocktailtrinken brechen wollte, bekam ich die Aufgabe, sie rauszuschmeißen.
Und nicht zu vergessen die Typen mit freiem Oberkörper. Gastfreundschaft finde ich auch total wichtig, aber niemand sollte sich so sehr zu Hause fühlen, dass er anfängt, sich auszuziehen. Einmal bin ich an den Männertoiletten vorbeigegangen und sah, wie ein Typ sich seinen verschwitzten Bauch und seine Achseln mit Wasser und Handseife wusch. Hygienisch: Schon, ja. Appetitlich: Nein.
Denk immer dran: Der Stuhl, auf dem du mit deinem verschwitzten Arsch sitzt, gehört uns.
Was mich jedoch richtig aufregt, sind die Leute, die nachmittags im Park relaxt und getrunken haben und dann danach zu uns kommen, total betrunken und benehmen sich daneben. Eine Gruppe hat mal ihren eigenen Wein mitgebracht und die Gläser unterm Tisch nachgefüllt, sobald ich mit dem Rücken zu ihnen stand. Ich habe sie nett gebeten, sich entweder was zu bestellen oder zu gehen. Denn es gibt da so etwas, das sich Realität nennt, wo man im Außenbereich auch etwas kaufen muss. Denk immer dran: Der Stuhl, auf dem du mit deinem verschwitzten Arsch sitzt, gehört uns. Sie haben dann hochrot und beschämt unseren Laden verlassen.
Eva, arbeitet beim Van Velsen in Utrecht
An einem Tag war es draußen richtig voll und eine Gruppe hatte einfach nicht verstanden, wie es in einem Café abläuft: Sie haben es nie hinbekommen, auch mal mehr als nur einen Drink auf einmal zu bestellen. Ich musste den ganzen Nachmittag hin und herlaufen, immer mit einem einzigen lausigen Glas auf meinem Tablett. Nach dem vierten Mal fragte ich mich, ob sie sich einfach nur eine Spaß daraus machten, also habe ich dann die anderen Gäste zuerst bedient. Einem der Männer der Gruppe hat das nicht gefallen, also versuchte er mich anzutippen, um meine Aufmerksamkeit zu bekommen, aber sein Arm war nicht lang genug. Also nahm er sein großes Weizenglas – das ist länger als ein normales Glas – als Verlängerung und tippte mir damit auf den Arsch. Ich stand einfach nur schockiert da. Zum Glück war mein Chef auch auf der Terrasse, er wurde sofort wütend und regelte die Sache.
Annelot, arbeitete im Villa in Amsterdam
Wir hatten eine ziemlich große Terrasse, teilweise überdacht. Am meisten frustriert hat mich, dass Gäste gern kurzerhand alles umstellten. Am schlimmsten war eine Gruppe von fünf Frauen mittleren Alters, die sich für die Königinnen der Terrasse hielten. Anspruchsvoll wäre noch eine Untertreibung: Eine von ihnen wollte nicht in der Sonne sitzen, eine andere schon, also suchten sie sich einen Tisch mit dem perfekten Verhältnis zwischen Sonne und Schatten und ich musste ihnen ihre Wünsche erfüllen. Jedes Mal, wenn ich ihnen ihre Getränke bringen wollte, hatten sie sich an einen anderen Tisch gesetzt, weil der “einfach ein bisschen günstiger stand”. Sie haben sich fast die Arme ausgerenkt, als sie versuchten, mich ranzuwinken. Als ich aus Versehen ihre Getränke an den falschen Tisch brachte, wurden sie sauer. Und sie wollten auch immer, dass ich ihren neuen Tisch sofort sauber wischte.
Als sie dann bezahlen wollten, meinten sie mit einem süffisanten Lächeln und einem fetten Augenzwinkern, dass ich gern noch 50 Cent Trinkgeld draufschlagen darf. Nur mit großer Mühe konnte ich ein “Danke” über die Lippen bringen. An dem Abend habe ich mich besoffen, um diese schrecklichen Menschen aus meiner Erinnerung zu löschen.
Dieser Artikel erschien ursprünglich auf Niederländisch bei MUNCHIES NL.