Die ignorante Schweiz hat Nativ das Herz gebrochen: Auf ‘Baobab’ schüttet er es aus

Nativ – "Baobab" / Jojo Schulmeister

In der Rap-Schweiz ist Weihnachten schon im November, die Geschenke bringt ein 1,90-Meter-Hüne mit Dreads: Am 2. November beschert uns Nativ das zweite S.O.S-Soloalbum in nur fünf Wochen, Baobab.

Dass Nativ und Dawill nicht gekommen sind, um rumzuposen, ist seit ihrem Durchbruch mit “Candomblé” klar. Die reflektierten politischen Messages von S.O.S flashten die Szene und verschafften der Crew einen sonnigen Platz am Gipfel des Mundartrap-Games. Auf Pause gedrückt haben die Berner seitdem nie.

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Während Dawill letzten Monat auf Moringa Herzschmerz plagte, ist es bei Nativ nun Weltschmerz. Auf Baobab rappt er sich quer durch alle gesellschaftlichen Probleme der Schweiz. Die elf Tracks zeigen, dass Nativ sich weiterentwickelt hat. Es klingt, als wären dem Typen, der schon vor zweieinhalb Jahren gepreacht hat, die Augen erst richtig aufgegangen.


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Einen Turn-up- oder Poser-Track sucht man vergebens auf Baobab. Dafür wächst der Rapper mit Wurzeln in der Elfenbeinküste über seine eigenen Probleme hinaus. “Jigeen” etwa ist ein brutal schöner Track, in dem er eingesteht, dass er Frauen nicht immer richtig behandelt hat. “Doris” erzählt die Geschichte eines Jungen, der fast an einer Überdosis stirbt.

Natürlich beschäftigt sich Nativ weiterhin mit Rassismus und Chancengleichheit. Auch hier zeigt er sich reflektierter und empathischer als früher. Nativ äussert nicht mehr den jugendlichen Frust in “FCKYU“- oder ACAB-Parolen. Er sucht und kritisiert lieber die Mechanismen hinter den Problemen: Wieso macht sich die Schweiz mit Waffenexporten die Hände blutig? Warum diskriminieren ihn Mitmenschen aufgrund seiner Hautfarbe?. “All the fucking racism, nei sie meined’s nid eso // ihri Kids chönt nüt defür, wil ihri Eltere si so”, rappt Nativ etwa auf “Noir”.

Dass Baobab so gesellschaftskritisch geworden ist, erklärt Nativ gegenüber Noisey so: “Ich habe mit dem Schreiben fürs Album angefangen, als ich aus Afrika zurückkam. Bereits während meiner Reise habe ich viel über mich und meine Umwelt reflektiert.” Zurück in der Schweiz habe er nach kurzer Zeit gemerkt, wie schnell man im Alltag in gewohnte Muster zurückkehre – in ignorante Verhaltens- und Lebensweisen. “Während des ganzen Prozesses führte ich diesen Kampf mit mir selbst innerhalb einer ignoranten und zerrütteten Gesellschaft. Danach hat sich das Album gerichtet. Selbst wenn ich nichtssagende Songs machen wollte, es ging einfach nicht. Ich hatte den Drang, etwas zu sagen. Quasi als Selbsttherapie.”

Der Schweiz würde etwas Therapie definitiv auch gut tun. Vielleicht hilft ja Baobab bei der Heilung.

Nativ –

‘Baobab’ ist ab Freitag, 2. November, überall zum Download verfügbar.

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