Mehr als 74 Prozent der österreichischen Frauen waren schon (mindestens) einmal Opfer sexueller Belästigung. Das kann von anzüglichen Nachrichten über unangebrachte Angebote bis hin zu ungewollten Berührungen reichen und auch geahndet werden; sprich: in Österreich ist das Gesetz, was sexuelle Belästigung angeht, glücklicherweise schon sehr weit.So ist es zwar nicht strafrechtlich relevant, wenn man zum Beispiel der Praktikantin schreibt, dass man sie in der Besenkammer treffen möchte, kann einen aber den Job kosten. Laut Gleichstellungsanwaltschaft sind noch immer zwei Drittel der TäterInnen am Arbeitsplatz Vorgesetzte oder Führungspersonen.
Seine Machtposition ausgenutzt zu haben, ist auch der Vorwurf an den vergangene Woche abberufenen Chefredakteur der Wiener Zeitung, der einer freien Journalistin eine unangebrachte Nachricht auf Facebook geschrieben und ihr in derselben Nachricht einen Job angeboten hat. Aber dieser Fall ist lediglich das Symptom eines größeren strukturellen Problems.
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Seit öffentlich wurde, dass der US-amerikanische Filmproduzent Harvey Weinstein jahrelang Frauen sexuell belästigt und missbraucht haben soll, äußern sich jetzt immer mehr Betroffene zum Thema. Unter dem Hashtag #MeToo berichten unzählige Frauen von ähnlichen Erlebnissen, die sich meist stark voneinander unterscheiden – was zu vielen Fragen geführt hat: Unter anderem, was man jetzt eigentlich "noch tun darf" und was nicht – auch wenn die Frage sein sollte, welche eigentlich selbstverständlichen Freiheiten Frauen in der Vergangenheit nicht hatten, in Zukunft aber haben sollten, wie Margarete Stokowski im Spiegel schreibt.Also: Warum gibt es plötzlich einen (neuen) Aufschrei, wenn ein Mann einer Frau unangebrachte Dinge schreibt? Darf man Frauen überhaupt noch Komplimente machen? Was ist höflich und was sollte man besser lassen? Wir wollen versuchen, euch zu erklären, was ihr lieber lassen solltet, wenn ihr kein Arschloch sein wollt.Ja.Wie so oft im Leben gilt hier das Prinzip der Einvernehmlichkeit. Wenn du dich mit einer Frau unterhältst, die an dir interessiert ist (also tatsächlich und nicht nur in deiner Vorstellung), spricht ab einem gewissen Punkt in eurer Beziehung wohl nichts dagegen, ihr zu sagen, dass du sie sexuell anziehend findest. Und wir haben das Gefühl, wir müssen das an dieser Stelle noch einmal betonen: Tu das nur, wenn du dir sicher bist, dass die Frau Interesse an dir hat. Denk ganz fest nach. Wenn du dir unsicher bist, FRAG NACH (obwohl die Unsicherheit vielleicht ein ganz guter Hinweis ist).Wenn du kein Interesse seitens der Frau feststellen kannst und/oder die Frau vielleicht sogar deine Angestellte ist, tu es nicht. Leg dein Handy weg. Kühl dich ab. Denk an was anderes. Zum Beispiel daran, wie beschissen die Situation wäre, wenn du an ihrer Stelle wärst. Schreib ihr auch nicht auf "subtile" Art und Weise spät nachts, schon gar nicht mit Zwinkersmiley, denn solche Nachrichten sind nie subtil.
Darf man Frauen die Türe aufhalten?
Ist es OK, Privatnachrichten zu verschicken und auf sexuelle Anziehung hinzuweisen?
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Ist es OK, wegen anzüglicher Privatnachrichten den Job zu verlieren?
Sind Frauen einfach ein bisschen überkorrekt geworden?
Hängt sexuelle Belästigung mit dem Sexualtrieb zusammen?
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Um die Antwort kurz zu halten: 1. Einen ausgeprägten Sexualtrieb haben auch genügend Leute, die in ihrem Leben noch nie jemanden sexuell belästigt haben. 2. Stell dir vor, du wirst als Mann von einem anderen Mann grundlos geschlagen – würdest du dann als Ausrede gelten lassen, dass der Typ womöglich einfach ein besonders ausgeprägtes Aggressionspotenzial hat und nur Opfer seiner selbst geworden ist? Um es in den Worten eines skifahrenden Internetphänomens zu sagen: I doubt it.Die Sache mit den Komplimenten bringt die deutsche Familienministerin Barley im Spiegel ziemlich gut auf den Punkt: "Viele Männer verstehen nicht, dass in ihren Bemerkungen etwas Gönnerhaftes liegt, dass die Bewertung der Frau auch zeigt, dass der, der bewertet, die Macht hat, dies zu tun."Das heißt aber nicht, dass man keine Komplimente mehr machen darf. Darf man nämlich schon. Menschen mögen Komplimente oft sogar. Auch weibliche Menschen. Ein ehrlich gemeintes Kompliment zielt sogar per Definition in erster Linie darauf ab, das Selbstvertrauen der Person, die das Kompliment erhält, zu stärken. Was etwas Gutes ist.Aber jetzt kommt der Knackpunkt: Ein Kompliment an die Freundin ist etwas anderes als ein Kompliment an die Praktikantin. Ein Kompliment über den neuen Rucksack ist etwas anderes als ein Kompliment über die vollen Lippen. Ein Kompliment über die gute Arbeit ist etwas anderes als ein Kompliment über den Hintern in dieser Hose. Ein Kompliment am Gang ist etwas anderes als ein Kompliment quer über den Konferenztisch.
Darf man Frauen noch Komplimente machen?
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Ist es ein Kompliment, wenn ich einer Frau nachpfeife?
Darf man Frauen sagen, dass man gerne Sex mit ihnen hätte?
Darf man fremden Frauen sagen, dass sie mal lachen sollen?
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Stell dir statt der Frau, mit der du redest, einfach Dwayne "The Rock" Johnson vor. Würdest du Dwayne "The Rock" Johnson, wenn er eine ernste Mine aufgelegt hat, sagen, dass er doch einmal lachen solle? Lass uns die Frage für dich beantworten: Nein, würdest du nicht. Würdest du von The Rock verlangen, dass er gefälligst nett zu dir ist, sich für Hinweise auf seine körperlichen Vorzüge bedankt, nicht so eine Spaßbremse bei sexuellen Avancen ist oder automatisch für dich kocht? Würdest du auch nicht. Außer du willst mit dem Kochen eigentlich nur auf einen Spruch aus seiner Wrestling-Karriere hinweisen. If you smell what The Rock is cooking.Wenn du helfen willst, konzentriere dich auf das Opfer und nicht auf den Täter – das rät zumindest der Forscher David Urschler. Sprich das Opfer an und hole es schnellstmöglich aus der Gefahrensituation. Frag, ob du etwas tun kannst. Greif nicht erst ein, wenn die Situation schon eskaliert, denn dazu neigen wir Menschen aufgrund einer Art Kosten-Nutzen-Rechnung, die wir in unserem Kopf anstellen.Das ist ziemlich einfach beantwortet: Wenn dir eine Frau sehr klar und eindeutig zu verstehen gibt, dass sie gerne ein Penisfoto von dir hätte: Ja. In allen anderen denkbaren Situationen im Leben: Nein. Einfach nein.Natürlich kann man Frauen genau wie Männer für ihre Arbeit kritisieren – unter zwei Voraussetzungen: Kritisiere sie nur, sofern es auch tatsächlich (also: inhaltlich) etwas zu kritisieren gibt. Und kritisiere sie auf einer sachlichen Ebene. Spar dir sämtliche Bemerkungen zu ihrem Aussehen, der Größe ihrer Brüste, spar dir die Frage, ob sie gerade ihre Tage hat, spar dir pauschale Aussagen über die allgemeinen Fähigkeiten von Frauen und spar dir verdammt noch mal sexistische Beleidigungen (siehe: The-Rock-Test).Wir würden dir raten, es nicht zu tun. Denn es gibt eine Frage, die eine schlecht gelaunte Frau garantiert noch wütender macht: "Hast du gerade deine Tage oder warum bist du so zickig?" Mit dieser Frage unterstellst du der betreffenden Frau (die genauso wie jeder Mann aus den verschiedensten Gründen gerade schlechte Laune haben kann), dass sie Opfer ihrer Hormone ist und sich selbst nicht unter Kontrolle hat. Wenn du das tust, solltest du dich fragen, warum du es nötig hast, dein Gegenüber derart zu entmündigen und wie gern du es hättest, immer auf deinen Östrogen- oder Testosteron-Spiegel reduziert zu werden. Lass. Es. Einfach. Sein.Unter den vielen Reaktionen zum Hashtag #MeToo konnte man oft tatsächlich genau das beobachten: Männer schreiben hier, dass die Thematik rund um Weinstein und die unzähligen Berichte von Frauen sie dazu gebracht hätten, ihr eigenes Verhalten zu überdenken und es sein könne, dass auch sie schon die Grenzen einer Frau überschritten hatten – oft, ohne es zu merken oder es zu wollen.
Dieses Phänomen kann auch noch weiter gehen: Oft wollen selbst Vergewaltiger nicht wahrhaben, was sie getan haben und beteuern, dass alles einvernehmlich war, weil es den Tätern schwer fällt, das Bild von sich selbst als gutem Menschen aufzugeben und sich eine solche Tat einzugestehen. Wenn schon sonst nichts, sagt das zumindest einiges über die Schwere solcher Taten aus.Die Frage mag absurd erscheinen – ist sie aber nicht. Sexuelle Belästigung in Clubs ist ein riesiges Problem. Sehr viele Männer halten das Getümmel auf Tanzflächen für einen Freifahrtschein, um sich Frauen gegenüber völlig daneben zu verhalten, weil sie in Clubs viel zu selten mit Konsequenzen für ihr Verhalten rechnen müssen. Das reicht von anzüglichen Sprüchen bis hin zu handfesten körperlichen Übergriffen. Dabei wäre es eigentlich so einfach: Im Club gelten dieselben Regeln, wie sonst auch. Wenn dir eine Frau IM VORAUS klar zu verstehen gibt, dass sie Lust hat, mit dir zu tanzen, dann tanz mit ihr. Soll heißen: Schleich dich nicht wie ein Creep aus dem Hintergrund an und berühr ihre Hüften, sondern stell sicher, dass sie wirklich Interesse hat. Wenn das der Fall ist, berührt euch, wo ihr wollt, ihr süßen Pervs. Wenn nicht, gilt auch hier: Lass es.Wenn du nicht im Stande bist, die Mimik und Gestik einer Frau auf der Tanzfläche zweifelsfrei zu lesen, frag nach. Selbst wenn sie am Anfang interessiert gewirkt haben mag, dir aber zu einem späteren Zeitpunkt verbal oder non-verbal signalisiert, dass sie keine Lust mehr hat, dann akzeptiere das und probier es erst gar kein zweites oder drittes Mal mehr.Im Zweifelsfall gilt immer noch der sehr anschauliche Vergleich aus diesem YouTube-Video: Sex ist wie Tee. Selbst wenn jemand einmal gesagt hat, dass er gern eine Tasse hätte, heißt das nicht, dass die Person sie austrinken muss. Oder dass sie das in der Geschwindigkeit und zu den Bedingungen tun muss, die du aufgestellt hast. Es heißt noch nicht mal, dass sie wirklich Tee annehmen muss und es sich nicht anders überlegen darf. Es heißt einfach gar nichts, außer dass die betreffende Person zu einem Zeitpunkt gerne Tee gehabt hätte. Und wenn dir das Prinzip von Teetrinken zu hoch ist, fang am besten noch mal oben zu lesen an.Sonst viel Spaß bei allen einvernehmlichen Späßen! Und bitte sei einfach kein Arschloch. Bussis, danke!Folgt VICE auf Facebook, Instagram und Twitter.