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Kann man gleichzeitig Polizistin sein und Instagram-Star?

Polizistin und Instagram Like Blasen

Social Media und die Polizei, das ist wie Tumblr und Pornos, Merz und Kramp-Karrenbauer oder die Deutsche Bahn und Pünktlichkeit. Sie schließen sich nicht aus, aber passen auch nicht ganz zusammen.

Die Frage, wie und ob sich Polizisten auf Instagram selbst inszenieren dürften, wurde zuletzt öffentlich, als Adrienne Koleszar sich zwischen ihrem Job als Dresdner Polizeikommissarin und ihrem 500.000 Follower Account entscheiden sollte.

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Mehtap Öger ist Kommissarin bei der Schutzpolizei Berlin. Die 34-Jährige betreibt einen dieser Accounts, der das Polizei-Emoji in der Biografie stehen hat und auf dem sie regelmäßig Selfies vom Job teilt, neben privaten Outfit-Posts. Klingt normal, ist es aber nicht. Denn als Beamtin repräsentiert Mehtap eine Behörde und ist in der digitalen Welt nicht so frei, wie Dieter Bohlen mit seiner Instagram-“Tagesschau”.

In Berlin-Mitte ist Mehtap auf Streife unterwegs. Während sie und ihre Kollegen auf den nächsten Einsatz warten, schießt sie ein Selfie und lädt es später auf ihrem Account hoch. Ihren fast dreitausend Followern gefällt das, aber gefällt es auch der Polizei? Wir haben Fragen.

Instagram Profil einer Polizistin
Zum Zeitpunkt des Interviews, stellte Mehtap ihren Account @melos.vanellope auf “Privat” um

VICE: Du zeigst dich ganz öffentlich und stolz als Polizistin bei Instagram. War das schon immer so?
Mehtap: Nein, auf keinen Fall. Ich habe sogar lange geheim gehalten, dass ich mich zur Polizistin ausbilden lasse. Meine Eltern sollten das erstmal nicht wissen, für sie hätte so ein Job nicht zu einer Frau gepasst.

Wieso können Frauen denn nicht bei der Polizei arbeiten?
Naja, meine traditionellen Eltern wollten nicht, dass ich nachts die ganze Zeit unterwegs bin und mit vielen Männern zusammenarbeite. Und dass ich mich in diesem Job Gefahren aussetze. Nachdem ich meine Prüfung bestanden habe und in den gehobenen Dienst übergegangen bin, wollte ich es nicht länger geheimhalten. Ich hatte Angst vor der Reaktion meines Vaters, aber er war sehr zurückhaltend und sagte: “Ich hoffe, du machst das Richtige.” Und damit war die Sache gegessen. Meine Brüder haben mich auch gefragt, was ich als Frau bei der Polizei will und konnten sich das nicht vorstellen. Meine Schwester und beste Freundin wusste von Anfang an Bescheid. Am Ende sind nun alle sehr stolz auf mich.

Wissen deine Vorgesetzten von deinem Instagram-Profil?
Ich bin nie hingegangen und habe meinen Account gezeigt. Mir folgen aber ein paar bekannte Social-Media-Accounts der Polizei, deshalb können meine Vorgesetzten das durchaus mitbekommen haben. Aber wer geht zu seinem Chef und zeigt direkt seine persönlichen Profile? Das macht man in anderen Jobs auch nicht. Und das müssen wir als Polizisten auch nicht machen.


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Wieso zeigst du so viele Selfies in Uniform?
Ich bin sehr stolz auf das, was ich mache. Warum sollte ich das nicht zeigen? Dieser Job ist ein Teil von mir. Früher wollte ich niemanden bewusst an meinem Leben teilhaben lassen und mich dauernd zeigen. Aber dann habe ich Profile von anderen Polizistinnen gesehen, die auch Berufliches und Privates bei Instagram mischen. Besonders die Amerikaner hypen solche Accounts. Es war nicht meine Intention, eine halbe Million Follower zu bekommen oder Influencer zu werden – dieser Account hat mir über eine Trennung hinweg geholfen und mein Selbstbewusstsein gestärkt. Und ich bin gerne ein Vorbild, besonders für junge Mädels, die auch gern Beamtin werden möchten.

https://www.instagram.com/p/Bp8pSH2BmIJ/

Leute sagen, Instagram sei toll, weil sie sich selbst verwirklichen können. Geht das auch als Polizistin?
Mein Job erfüllt mich total, ich gehe gern zur Arbeit. Deshalb fühle ich mich dort auch frei. Klar, es ist ein Job, der Regeln und Vorschriften hat, aber das hat nichts mit meiner persönlichen Freiheit zu tun. Bei mir fängt Selbstverwirklichung schon damit an, dass ich knallroten Lippenstift im Dienst tragen kann und davon ein Bild hochlade.

Gibt es Regeln für eure Accounts?
Wir sind freier als viele denken aber nicht so frei, wie Menschen in anderen Jobs. Ich bin eh in der Öffentlichkeit und habe nach meinem Abschluss zwei Interviews gegeben. Davor wurde ich gefragt, ob ich plane je zu einer Spezialeinheit zu gehen, aber das ist nicht meins. Deshalb muss ich mich nicht bedeckt halten und kann diesen Account betreiben. Klar, bei Selfies im Dienst muss meine Kennung oder der Name abgedeckt werden, ich darf nichts vom Einsatz fotografieren oder Leute ohne Einwilligung zeigen. Als Person des öffentlichen Lebens droht mir sonst ein Disziplinarverfahren. Ich habe von einer Polizistin gehört, die auch sehr aktiv bei Instagram ist und die so ein Verfahren am Hals hat. Sie musste ihr Profil auf privat umstellen.

Frau in Spiegel

Werden eure Selfies kontrolliert?
Nein, aber ich möchte trotzdem vorsichtig sein. Es gibt Leute, die gezielt nach Fehlern suchen und ich möchte nicht, dass mich ein Selfie den Job kostet. Es geht in meinem Account nur um mich. Fotos mache ich nur in der Umkleide oder im Polizeiauto, sodass man nichts vom Revier sieht. Ich setze keine Geotags und schreibe nur “Berlin” – es muss niemand wissen, wo genau ich gerade bin. Auch für meine Sicherheit.

Ich präsentiere nur besondere Dinge vom Job, wie einen schönen Sonnenuntergang am Brandenburger Tor oder wenn wir von der Polizei auf Klaas Heufer-Umlauf treffen und zusammen ein Foto machen. Arbeit bleibt trotzdem Arbeit, wir sind nur mal am Handy, wenn wir gerade keinen Auftrag haben und einen Moment Luft.

Du benutzt oft den Hashtag “Girls with Guns”. Fühlst du dich durch die Dienstwaffe mächtig?
Die Waffe gehört zu meiner Ausrüstung. Das fühlt sich so an, als ob ich im Privaten Schmuck oder Schminke trage. Außerdem dürfen wir auch nicht mit der Waffe posieren. Manchmal, wenn mich jemand anderes fotografiert, sieht man die Waffe an der Seite. Aber die sorgt nicht dafür, dass ich stark rüberkomme. Es schreiben eher fremde Kollegen: “Wow, ihr habt ja schon die neue Waffe!” und wir fachsimpeln. Den Hashtag fand ich witzig und auch ein bisschen heiß, deshalb benutze ich ihn.

Hast du Probleme, dass Kollegen oder Leute dich aufgrund deiner Attraktivität nicht ernst nehmen? Oder weil du Selfies im Polizeiwagen machst?
Es zählt der Job, den ich mache und meine Leistung bei der Arbeit und nicht wie ich geschminkt bin oder ob ich mich privat freizügiger kleide. Ich bekomme genau so viel Verantwortung wie andere auch. Klar, beim Einsatz kommen gern mal Typen auf mich zu und wollen sich “festnehmen” lassen. Das ignoriere ich.

Männliche Kollegen neigen dazu, einen Beschützerinstinkt zu haben. Aber sie wissen, was ich drauf habe. Ich gehe locker mit mir selbst um und sage: Oh, dabei könnte ich mir einen Nagel abbrechen. Mir ist sogar letztens einer abgebrochen und ich habe ein Pflaster drüber geklebt, das war’s. Dann blödelt einer zurück: Hey willst du lieber zur Maniküre als zum Einsatz? Und wir lachen alle gemeinsam.

Frau schaut in Kamera

Wie viel Hass bekommt man ab, als Polizistin mit einem öffentlichen Account?
Ich bekomme zum Glück fast keinen ab. Online ist das Gegenteil der Fall. Wenn ich ein Foto hochlade, bekomme ich circa 60 bis 70 private Nachrichten. Ein Drittel davon wollen mich direkt treffen oder meine Nummer haben. Der Rest schreibt sowas, wie “Sexy”, “Du bist so heiß” oder manchmal auch Liebes-Gedichte. Vielen antworte ich gar nicht erst. Wenn die es häufiger probieren, obszöne Kommentare schreiben und aufdringlich sind, dann blockiere ich sie.

Es gab einmal einen Kommentar, da schrieb jemand, ich sein ein “Attention-Seeker”, hätte kein Selbstwertgefühl und könne nichts anderes, als gut auszusehen. Es stellte sich heraus, dass dieser Kommentar sehr wahrscheinlich von einer Kollegin stammte. Als Polizist sollte man nicht nur aufpassen, wie man sich darstellt, sondern auch wie man öffentlich kommentiert.

Kannst du verstehen, warum manche Menschen Polizistinnen in Uniformen eher anzüglich als autoritär finden?
Es ist einfach nur Arbeitskleidung und schade, dass Frauen in Uniformen zum Vorbild für Sexfantasien werden. Dieses autoritäre Bild, das viele haben, turnt Leute an und nervt ziemlich. Als ich meine Vereidigung hatte, musste ich die Polizeimütze tragen und durfte mir anhören “Du siehst aus wie eine strenge Stripperin”. Es ist uncool auf sein Äußeres reduziert zu werden, wenn man gerade einen beruflichen Erfolg hingelegt hat. Aber das kann man nicht ändern.

Letztlich machen wir einen ernsten Job und gehen mit Straftätern um und haben mit Leid und schlechten Dingen zu tun. Ich erinnere mich an einen Suizid, wo wir intervenieren wollten aber es schon zu spät war und eine Frau vom Hochhaus gesprungen ist. Sowas macht einen fertig. Sobald ich meine Uniform anziehe, trage ich auch viel Verantwortung. Wenn sich Leute an Karneval als sexy Polizistin verkleiden oder in der Pornoindustrie Frauen in Uniformen als Sexobjekt dargestellt werden, degradiert das den eigenen Job.

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