Drogen

So geht es bei den geheimen Sexpartys an der Oxford-Universität zu

"Im Hauptzelt sah ich dann, wie meine Freundin auf der Bühne gerade eine andere Frau leckte – vor einer jubelnden Menge. Da wurde ich richtig wütend."
Eine Illustration zeigt mehrere junge Frauen und Männer, die bei einer Party Alkohol trinken, ausgelassen tanzen und miteinander reden – so könnte es auch bei den berüchtigten Piers Gaveston Bällen der Oxford-Universität zugehen
Illustration: Owain Anderson

Es ist kein Geheimnis, dass vor allem extrem privilegierte Menschen an der berühmten Oxford Universität in England studieren. Jedes Jahr versuchen zig Privatschulen, so viele ihrer Schülerinnen und Schüler wie möglich im Bewerbungsprozess der Eliteuni unterzubringen. Denn ein Studium dort kann einem exklusive Türen öffnen. Das gilt auch für die Partys.

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Als mein zweites Studienjahr in Oxford anfing, fand eine Kommilitonin eines Tages eine der heiß begehrten Einladungen zum sogenannten Piers Gaveston Ball in ihrer Post und fühlte sich wie Charlie Bucket, der gerade das goldene Eintrittsticket für Willy Wonkas Schokoladenfabrik erhalten hatte. Ich hatte noch nie etwas von dieser Veranstaltung gehört, aber für die Eingeweihten ist die sagenumwobene und angeblich total verruchte Party das Größte.

Nur wenige Leute werden zu einem "Piers Gav" eingeladen, und noch weniger sind bei der Organisation involviert. In den vergangenen Jahren hat die Klatschpresse die Gerüchteküche allerdings ordentlich befeuert: Der Schauspieler Hugh Grant und die Fernsehköchin Nigella Lawson wurden dort fotografiert – und Ex-Premierminister David Cameron soll bei einem Piers Gav seinen Penis in das Maul eines toten Schweins gesteckt haben.

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Laut Megan, die während ihres Studiums an der Oxford Universität mehrmals auf dem Piers Gaveston Ball gefeiert hat, müssen alle Anwesenden vorher eine Verschwiegenheitserklärung unterschreiben. Dazu komme, dass die auserwählten Feierwütigen in unauffälligen Bussen zu einer Location außerhalb der Stadt gebracht werden und man ihnen die Handys abnimmt, damit alles so geheim wie möglich bleibt.

Jasmine weiß noch, wie sie eines Sommers von einem Freund eingeladen wurde. "Das Motto war 'Mittelalter', also trug ich schwarze Spitzenunterwäsche und darüber ein silbernes Strandkleid, das wie ein Kettenpanzer aussah", sagt sie. "In Oxford stiegen wir am Treffpunkt in den Bus ein und fuhren zu einem Feld mitten im Nirgendwo."

Wie Jasmine erzählt, werden auf den Partys sehr viele Drogen konsumiert. "Es gab mehrere Zelte: eins zum Tanzen, ein loungemäßiges zum Abhängen, mehrere zum Sex haben und eins mit einer Bühne, auf der die Leute ganz offen Drogen nahmen", sagt sie. "An der Bar gab es jede Art von Alkohol und ein Dealer versorgte die Anwesenden mit allen Drogen, die sie sich nur wünschen konnten."

Die Piers-Gav-Bälle finden nicht nur alle Jubeljahre statt, es gibt sie mehrmals im Jahr: einmal im Frühling, einmal im Sommer und einmal an Weihnachten. Und das seit fast 50 Jahren. Veranstalter sind die Mitglieder der Piers-Gaveston-Gesellschaft, eines exklusiven Clubs, der in der Elite der britischen Aristokratie verwurzelt ist. Es gibt Gerüchte, dass der Namensgeber Piers Gaveston im 14. Jahrhundert der Liebhaber von König Eduard II. war.

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"Die Leute haben überall Sex gehabt, egal ob in den Zelten oder draußen auf dem Feld."

Nur Mitglieder der Piers-Gaveston-Gesellschaft dürfen Einladungen verteilen. So lädt der "innere Kreis" des Clubs zwölf Leute ein, die dann jeweils noch 25 weitere Leute einladen dürfen. Niemand weiß, nach welchen Kriterien die Gäste ausgewählt werden, aber die Eingeladenen sind normalerweise enge Freundinnen und Freunde der Mitglieder. Es geht also vor allem darum, wen man kennt: Die meisten Gäste hatten dieselben Privatschulen besucht. 

Wie alle Partys sind auch die Piers-Gav-Bälle für Gäste eine Möglichkeit, wild miteinander rumzumachen und sich gehen zu lassen. Laut Jasmine handelt es sich im Grunde um eine Sexparty. "Die Leute hatten überall Sex, egal ob in den Zelten oder draußen auf dem Feld. Weil es so dunkel war, hat man aber nicht viel gesehen", sagt sie. "Eine Frau hatte mitten in einem der Lounge-Zelte einen Dreier mit zwei Typen. Ich selbst habe keine große Lust darauf, so was in der Öffentlichkeit zu machen, aber dort war mir der ganze Sex egal. Die Atmosphäre war ja trotzdem entspannt."

Felicity ist einmal mit ihrem Partner zu einem Piers Gav gegangen. Sie erzählt, dass die Weihnachtsausgabe oft in einem riesigen Gutshaus und nicht in den üblichen Zelten stattfinde. "Ein Pärchen kam zu uns und fragte, ob wir in einem anderem Zimmer Gruppensex haben wollten. Wir lehnten dankend ab und feierten weiter", sagt sie und lacht. "Einer meiner Freunde erzählte mir danach, dass er in einem der Sexbereiche einen geblasen bekam. Dabei kreuzten sich zufällig die Blicke von ihm und seinem Cousin, der gerade ebenfalls Sex hatte. Für seinen Ständer war das natürlich ein richtiger Stimmungskiller."

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Beth, die auch schon mal bei einem Piers Gav war, sagt, dass sie sich während ihres Oxford-Studiums die meiste Zeit eher außen vor gefühlt habe. Deswegen sei der Ball für sie auch nicht wirklich schön gewesen. "Ich bin mit meiner damaligen Freundin und dem Typen hin, der uns eingeladen hat", sagt sie. "Ich verlor die beiden eine Weile aus den Augen. Im Hauptzelt sah ich dann, wie meine Freundin auf der Bühne gerade eine andere Frau leckte – vor einer jubelnden Menge. Da wurde ich richtig wütend. Gleichzeitig war ich mir nicht sicher, ob ich überreagierte, oder ob so etwas bei solchen Partys einfach normal ist."

"Was die Piers-Gav-Bälle überhaupt so anziehend macht, sind der sexuelle Mythos, die Geheimniskrämerei und die Vorstellung von einem mächtigen inneren Zirkel."

Während die Piers-Gav-Partys auch heute noch organisiert werden, sind die Veranstaltungen ein Relikt aus Oxfords bizarrer, hypermaskuliner Vergangenheit. Ich selbst hatte große Angst, als ich mein Studium dort begann, und befürchtete, auf dem Campus nur auf Miniversionen von Boris Johnson zu treffen. Die Realität war dann aber, dass die meisten meiner Kommilitoninnen und Kommilitonen bisher nur Gerüchte über die Partys gehört hatten und selbst noch nie dort gewesen waren.

Was die Piers-Gav-Bälle überhaupt so anziehend macht, sind der sexuelle Mythos, die Geheimniskrämerei und die Vorstellung von einem mächtigen inneren Zirkel. An einer Universität, in der viele Studierende schon ihr ganzes Leben eine Art Sonderstatus innehatten, sind die exklusiven Partys eine Möglichkeit, sich erneut über das eigene Umfeld zu stellen und weiter das Gefühl zu haben, zur Elite zu gehören. Immerhin wird man ja zu einer Veranstaltung eingeladen, über die die ganze Uni tuschelt.

Unterm Strich ist der Piers-Gaveston-Ball aber eigentlich gar nicht so besonders. Denkt immer daran: Ihr habt noch den ganzen Rest eures Lebens Zeit, bei einer Party nichts außer Gaffer-Tape zu tragen, mit wildfremden Personen zu bumsen und ordentlich zu koksen – wenn ihr nur wisst, in welchen Keller ihr abbiegen müsst. Und dafür ist es nicht nötig, auf eine teure Privatschule gegangen zu sein.

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