Der Tod kommt mythisch, unerwartet und meist schlecht organisiert. Die Beerdigungsindustrie jedoch will das komplette Gegenteil sein. In Deutschland sterben jährlich 850.000 Menschen von denen jeder einen Sarg benötigt. In den USA werden pro Jahr 90.000 Tonnen Stahl und Kupfer und über eineinhalb Millionen Hektar Wald für die Sargproduktion verwendet, dazu kommen fast drei Millionen Liter Formaldehyd für die Einbalsamierung der Körper, um der Verwesung entgegenzuwirken. Bei einer Einäscherung musst du schließlich noch den Verbrauch einer großen Menge fossiler Energien hinzurechnen.
Da es mehr Tote als Plätze auf Friedhöfen gibt, trägt das Business auch noch zum Platzproblem in städtischen Gebieten bei. So werden die Gräber oft nach nur 20 Jahren neu vergeben. Als ich das kürzlich bei einem Verwandten erlebte, fand ich diese Vorstellung einigermaßen ernüchternd.
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Wir brauchen neue optionen, zur Behandlung von Menschen nach ihrem Tod
Doch es könnte auch anders, natürlicher und nachhaltiger laufen. Das Urban Death Project geht das Sterben von seiner rein biologischen Seite an und entwickelt ein Verfahren zur Kompostierung menschlicher Überreste—inklusive Beerdigungsritual und einer Option auf ein funktionales postmortales Dasein.
Das Projekt soll nicht nur eine Umwandlung deines Körpers in einen neuen organischen und sinnvollen Beitrag zum Leben auf unsere Erde ermöglichen, sondern auch zur Kontemplation über unseren Platz in der Natur einladen—und einen besonderen Weg bieten, um Abschied zu nehmen. Ein Ritual, um unsere Lieben in den fortlaufenden Kreis des Lebens zu verabschieden. Innerhalb weniger Monate wird dein Körper in einem aeroben Prozess mit Hilfe von Mikroben vollständig zersetzt und hinterlässt einen reichhaltigen Kompost.
Den Ausgangspunkt nimmt der Prozess dabei in einer begehbaren Anlage, die das Zentrum des Urban Death Project bildet. In dem Konzept der us-amerikanischen Architektin und Anthropologin Katrina Spade soll sich in einem Gebäude in Form eines dreistöckigen Kerns der Übergang zu deinem lebensspendenden Dasein nach dem Tod manifestieren. Hier werden die toten Körper zusammen mit kohlenstoffreichen Materialien platziert.
Die Verwandten und Freunde dürfen schließlich die entstandene nährstoffreiche Erde mitnehmen. So können sie selbst den Beginn neuen Lebens miterleben und damit in ihrem eigenen Garten, Balkon oder beim Anblick ihrer Zimmerpflanze den Verstorbenen bei sich haben. Möglicherweise könnten die Hinterbliebene ja sogar die Köstlichkeiten ihres Gemüsebeets mit dem Kompost nähren. (Ob die Pläne des „Urban Death Project” mit dem in Deutschland gesetzlich verankerten Friedhofszwang in Einklang zu bringen sind, ist allerdings fraglich.)
Der Tote kann bis zu zehn Tagen, bis zur Abschiedszeremonie, in einem gekühlten Raum gelagert werden. Es findet jedoch aufgrund der nachfolgenden Kompostierung keine Einbalsamierung statt. Der Leichnam wird bei der „Bestattung” lediglich in ein Leinentuch gehüllt und von den Trauernden zum obersten Punkt des Kerns getragen, wo sie sich verabschieden, den Toten ablegen und ihn mit kohlenstoffreichen Holzspänen bedecken. Die Außenwand des Kerns ist warm und bei seiner Berührung soll den Menschen der unglaubliche Prozess, der im Inneren stattfindet, vergegenwärtigt werden.
„Viele Menschen mit denen ich gesprochen habe, fühlen sich nach ihren Erlebnissen mit der Bestattungsindustrie verwirrt und nicht respektvoll behandelt”, so Katrina Spade die Geschäftsführerin von Urban Death Project gegenüber Fast Company. „Ob jemand kompostiert werden will oder nicht: Es ist Zeit neue Optionen dafür zu entwickeln, wie Menschen nach ihrem Tod behandelt werden möchten.”
Auch wenn diese Herangehensweise an den Tod ungewöhnlich und äußerst weltlich erscheint, so klingen die Ritualisierung und die großen Gedanke über Leben, Sterben und den Übergang zu etwas Neuem gleichzeitig nach einer ökologischen und funktionalistischen Religionsversion. Eine utilitaristische Alternative zum Verstreuen der Asche—nur ohne die vorherige Verbrennung und ohne den Einsatz von Energie und den Abstoß von Feinstoffpartikeln in die Atmosphäre.
Auch in Kulturen wie dem Hinduismus oder dem Buddhismus werden Leben und Tod als Kreislauf verstanden und die Asche des Verstorbenen der Natur zurück gegeben. Die steinernen Andenken unserer Friedhöfe sind also nicht unbedingt die einzige Variante, einem Verstorbenen seine letzte Ehre zu erweisen. Und die Vorstellung einer langsamen Durchlöcherung von Würmern, Maden und Ameisen durch den Sargdeckel ist letztendlich nicht unbedingt angenehmer als die schnelle Zersetzung in einer respektvollen Kompostierungsanlage.
Gegründet wurde das Urban Death Project von Katrina Spade, eine Anthropologin mit, die sich mit ökologischen Lösungen in der Architektur beschäftigt. Nach ihrem Studium an der University of Massachusetts bekam sie von der Landwirtschaftsbehörde den Auftrag, ein Heizsystem für eine Kompostierungsanlage zu bauen, was die Basis für das in den vergangenen drei Jahren entwickelte Urban Death Project darstellt.
„Tod ist eine sehr persönliche Sache”, erzählt Katrina Space. „Viele Menschen werden sich darüber bewusst, dass die üblichen Möglichkeiten begrenzt sind. Sie suchen nach einer urbanen Alternative, die sie besser mit ihren Liebsten und auch der Erde verbindet.”
Die im Prozess entstehende Hitze tötet dabei zuverlässig Viren und Bakterien ab. Untersuchungen bei der Kompostierung von Vieh ergaben, dass die Temperaturen bis zu 60 Grad Celsius erreichen—ausreichend, um Krankheitserreger zu eliminieren.
Durch die Beigabe von Sägespänen und Holzstückchen sowie einem speziellen Belüftungssystem gibt der Prozess auch keine unangenehmen Gerüche ab, die das kontemplative Andenken stören könnten. Und wer jetzt sagt, dann kann ich mich ja gleich im Garten vergraben lassen: bitteschön. Das Projekt bezeichnet diese Herangehensweise als eine „herrliche Alternative für ländliche Gebiete. Das Urban Death Project ist darauf ausgelegt Stadtmenschen eine Möglichkeit der Aufbewahrung und des Umgangs mit den Toten zu geben.”
Ein ebenso hübsches Szenario sind Bestattungswälder, die in Deutschland in nahezu jeder Gegend zu finden sind. Dort wird die Asche des Verstorbenen unter einem Baum vergraben und alles weitere dem Kreislauf des Waldes überlassen. Die Möglichkeiten der Naturbestattung sind übrigens zahlreich und bieten für jeden Interessenten die passende Ruhesituation. Leider gibt es auch hier jedoch wieder das Feinstaub- und Energieproblem, welches trotz offensichtlicher Natürlichkeit doch noch einen letzten CO2-Fußabdruck hinterlässt.
Anfang des Jahres gewann Katrina Spade mit dem Urban Death Project übrigens 60.000 Euro für ein zweijähriges Stipendium von Echoing Green, damit sie Vollzeit an ihrem Projekt arbeiten und einen ersten Prototyp in Seattle fertig stellen kann.
Ihr Ziel ist es eine Art Werkzeugkasten herzustellen, mit dem sich jede Gemeinde ihre eigene Kompostierungsanlage bauen kann. „Ich vergleiche das gerne mit einem Büchereisystem mit verschiedenen Ablegern in jeder Stadt. Jede Niederlassung soll sich den regionalen Gegebenheiten anpassen”, so Spade.