Ich wollte mit Google herausfinden, wie man einen Geldtransporter überfällt

Vier Räuber laden eine Geldkassette in den Kofferraum ihres Fluchtwagens.

Disclaimer: Lasst es.

Ihr habt es wahrscheinlich mitbekommen: In Berlin haben am Freitag fünf teilweise mit Kalaschnikows bewaffnete Männer einen Geldtransporter eingekeilt, aufgeknackt und ausgeleert. Auf der Flucht beschossen die Räuber ein Polizeiauto und entkamen, jetzt werden sie gesucht.

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Seit das passiert ist, überbieten die Berliner Boulevard-Zeitungen sich gegenseitig mit möglichst genauen Rekonstruktionen des Verbrechens: Wir wissen mittlerweile nicht nur, dass die Räuber höchstwahrscheinlich gar nichts erbeutet haben, weil ihnen der eine Teil der Beute schon beim Losfahren aus dem Fluchtwagen gerutscht ist und sie den anderen Teil im Auto lassen mussten, weil ihnen die Polizei auf den Fersen war. Wir haben dank der Bild sogar ein Video, das fast den kompletten Überfall zeigt. Die B.Z. hat dafür zuvorkommenderweise gleich eine schematische Darstellung eines Geldtransporters veröffentlicht.

Man kann also sagen: Wer die Berichterstattung aufmerksam verfolgt hat, der weiß jetzt deutlich mehr darüber, wie man einen Geldtransporter knackt. Die Technik mit den Hydraulikspreizern ist zum Beispiel schon ziemlich cool (wenn ihr sowas auch haben wollt: gibt’s hier zu kaufen. Ist nicht billig, aber dafür gibt’s “speziell geformte Spitzen für höchsten Grip beim Spreizen”.)


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Allerdings: Die Berliner Räuber waren eben zu doof, den Überfall sauber nach Hause zu fahren. Um herauszufinden, wie ich es wirklich anstellen muss, um einen dieser fahrenden Träume-Transporter nicht nur zu knacken, sondern auch wirklich steinreich zu werden, musste ich mich ins Internet begeben. Irgendjemand wird irgendwo bestimmt detailliert aufgeschrieben haben, wie er das gemacht hat – gehört das bei erfolgreichen Verbrechern nicht zur Etikette?

Google weiß alles

Zuerst versuche ich es auf Deutsch. Aber ich stoße in deutschen Foren nur auf Anleitungen für Leute, die Geldtransporter in dem Videospiel GTA 5 knacken wollen. (“Um einen Transporter zu stoppen, müsst ihr diesen idealerweise rammen und/oder die Reifen gezielt zerschießen.”) Bestimmt gutes Training, aber ich brauche echte Erfahrungen – also mache ich auf Englisch weiter.

Das bietet sich an: Während in Deutschland in den vergangenen zehn Jahren im Schnitt 3,2 Geldtransporter pro Jahr überfallen wurden, sind es allein in den USA 25 bis 35 Fälle. Das heißt, es gibt da drüben zwangsläufig ein viel größeres Repertoire an Know-How und praktischer Erfahrung.

Zwei Räuber gehen mit Hydraulik-Spreizern auf die Heckklappe des Transporters zu.
Die Räuber machen sich bereit, ihre Hydraulik-Spreizer anzusetzen | Screenshot: Bild

Eigentlich hatte ich erwartet, dass ich tief in die dunkelsten Ecken des angelsächsischen Internets, ja vielleicht sogar in versteckte Foren des Darknets vordringen muss, um an die Antworten zu kommen. Stattdessen reicht eine einfache Google-Suche, um bei der freundlichen Webseite “Quora” zu landen, wo Menschen alle möglichen Fragen stellen – und meistens auch beantwortet bekommen.

Um die Antworten bei “Quora” zu lesen, muss ich mich allerdings mit meinem Google-Account anmelden. Das ist verschleierungstechnisch natürlich nicht so ideal – aber andererseits werde ich nach dem erfolgreichen Überfall ja sowieso meine widerliche Existenz als Lohnsklave hinter mir lassen und mir eine neue Identität zulegen, also yolo.

Und es lohnt sich: Bei Quora lerne ich gleich etwas darüber, wie man einen Geldtransporter überfällt. Und zwar gleich vom Chef. Nämlich:

Mit einer Bombe

Ich bin mir nicht ganz sicher, ob Martin Bayer da nicht einfach flunkert. Ein IED (Improvised Explosive Device) richtig zu timen, scheint mir irre kompliziert, wenn man nicht gerade einschlägige Erfahrung aus Workshops im Irak oder Afghanistan hat. Außerdem legt die Explosion möglicherweise das Fahrzeug lahm, öffnet aber nicht unbedingt den Kasten.

Fazit: Klingt kompliziert, gefährlich und ineffizient. Absolut nicht überzeugt.

Auf Quora ging das leider so weiter: Alle Infos wirkten mehr oder weniger wie Hörensagen. Wirklich hilfreich waren nur die Posts, die einfach Berichte über echte Fälle verlinkten. Vom echten Leben lernt man eben doch am besten! Zum Beispiel diese tolle Methode:

Mit einem Schaufellader

Das haben ein paar Typen 2016 in Montreal abgezogen, und es scheint sehr gut funktioniert zu haben: Ohne irgendjemanden verletzen zu müssen, haben die Räuber den Transporter zuerst gerammt und mit der Schaufel dann einfach die Rückseite aufgehebelt. Einfach, aber elegant.

Fazit: Wirklich smooth. Allerdings braucht man wohl einige Erfahrungen mit der Bedienung von Schaufelladern, um das schnell und geschmeidig zu exekutieren, das macht diesen Plan etwas zu arbeitsintensiv. Und wenn ich arbeiten wollte, würde ich ja wohl nicht googeln, wie man Geldtransporter überfällt.

Mit einer Säge? Während der Fahrt? Ohne bemerkt zu werden?

Das hier ist die absolut beste Methode, auf die ich während der Recherche gestoßen bin: 1999 haben es Unbekannte geschafft, einen Geldtransporter während der zweistündigen Fahrt auszuräumen, ohne dass die Fahrer das mitbekamen. Dazu haben sie oben in den Truck ein Loch gesägt – auch das wollen die Wachen nicht bemerkt haben – und das Geld dadurch entfernt. Sowohl von den Tätern als auch vom Geld fehlt bis heute jede Spur.

Fazit: Das ist ohne Zweifel die eleganteste und coolste Methode, um einen Geldtransporter auszuräumen. Leider habe ich auch nach längerer Suche nirgends einen Post von einem der Original-Täter gefunden, in dem er genau erklärt, wie sie das gemacht haben (uncool!), und deshalb taugt auch diese Taktik nicht wirklich als Vorlage.

Indem man das Ding selbst fährt

Liegt nahe: Wenn man die Schlüssel hat, dann kann man sich den ganzen Stress mit dem Rammen, Rumschreien und Aufhebeln sparen. Da macht man es einfach so wie der Geldtransporterfahrer aus Hamburg, der im Januar einfach einen kurzen Zwischenstopp eingelegt und 2,3 Millionen Euro aus seinem Transporter in ein anderes Auto umgepackt hat. Die Methode ist allerdings so beliebt, dass die Fahrer eigentlich immer als Erste verdächtigt werden – man muss sich also sehr gut überlegen, wie man danach weitermacht. Wahrscheinlich empfiehlt es sich, mit dem Geld gleich in einem benachbarten Bürgerkriegsland zu verschwinden. Wie man danach allerdings unter gar keinen Umständen weitermachen sollte: einfach zu Hause bleiben.

Fazit: Angenehm, weil man es praktisch im Sitzen machen kann. Unangenehm, weil man die Beute entweder mit Beifahrerin oder Beifahrer teilen oder sie erschießen muss. Und sich danach in ein anderes Land absetzen – wo man sich dann mit einer neue Sprache, anderen Umgangsformen und komplizierten Wechselkursen herumschlagen muss.

Indem man den Fahrer überfällt, wenn er nicht im Wagen sitzt

Viele Geldtransporter fahren ja nicht einfach von einem Panzerschrank zum anderen. Stattdessen tingeln sie oft durch die ganze Stadt, wo sie das Geld bei Banken, Geschäften oder Geldautomaten einsammeln. Das ist eigentlich der beste Zeitpunkt, um zuzuschlagen: Man rennt zur Fahrerin, hält ihr eine Knarre ins Gesicht und zwingt sie, die Kassette oder den Beutel zu übergeben. Die Summen sind zwar kleiner, dafür ist die Erfolgsquote deutlich höher – wie zum Beispiel bei diesem Fall im März in Köln.

Allerdings gerät man bei dieser Methode öfter in blöde Situationen, zum Beispiel, wenn die Person sich wehren möchte. In Deutschland sind die vielleicht nicht ganz so erpicht auf Schießereien, in Amerika sind die aber zum Beispiel derart darauf trainiert, dass manche Räuber sie einfach prophylaktisch immer erschießen, ohne sich auch nur vorzustellen. Auch dafür muss man natürlich die notwendige moralische Flexibilität mitbringen.

Fazit: Angenehm, weil man statt eines Panzerwagens ein weiches Ziel hat. Unangenehm, weil man dem weichen Ziel höchstwahrscheinlich weh tun muss, um an das Geld zu kommen.

Abschließendes Ergebnis

Es gibt allerlei Methoden, um Geldtransporter auszurauben, auch durchaus elegante, und man findet zu jeder auch genügend Beispielvideos und -artikel online, um sich mit der Materie vertraut zu machen.

In gewisser Weise ist der Überfall aber auch gar nicht das Problem, wie auch unsere Berliner Vorbilder gezeigt haben: Das Problem ist nämlich, das Geld dann auch sicher abzutransportieren und dann auch noch möglichst lange genüsslich ausgeben zu können. Denn mittlerweile sind immer mehr von diesen Transporten durch irgendwelche hinterlistigen Farbkartuschen oder unsichtbare DNA-Tinte gesichert.

Und auch wenn man das seltene Glück hat, “sauberes” Geld in die Finger zu bekommen – die Wahrscheinlichkeit, dass man den Fahndern wirklich auf Dauer aus dem Weg gehen kann, ist extrem gering. Ach, ich lass es. Zum Glück bin ich auf was gestoßen, wo man mit viel weniger Körpereinsatz viel mehr Geld klauen kann, ohne dass es jemanden interessiert.

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