Es müsste sich um die dümmste Antifa-Gruppe der Welt handeln, wäre dieser Facebook-Account echt. Die AfD hat am Montag Einspruch gegen die NRW-Wahl erhoben und begründet das unter anderem mit einem Facebook-Post, den der Account “Internationalsozialistische Antifa” am 27. Juni abgesetzt hat. In dem mittlerweile gelöschten Post gibt die Gruppe indirekt zu, sich in Nordrhein-Westfalen als Wahlhelfer eingeschlichen zu haben. Die AfD witterte daraufhin Wahlmanipulation.
Tatsächlich war es bei der Landtagswahl am 14. Mai zu Unstimmigkeiten gekommen. In mehreren Wahllokalen wurden die für kleine Parteien wichtigeren Zweitstimmen nicht der AfD zugeordnet. Die Partei vermutet daher, dass auch in anderen Wahlbezirken bewusst bei der Stimmenauszählung manipuliert wurde und stützt sich dabei unter anderem auf die Antifa-Seite. Das Problem: Der Account ist mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Fake.
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Doch nicht nur die AfD hat den Post dankend weiterverbreitet. Auch der Stern berichtete über den Fall, zunächst ohne den Account einzuordnen. Wie auch das Magazin in einem späteren Artikel bemerkte, ist es jedoch relativ unwahrscheinlich, dass die Seite echt ist, wenn man die zahlreichen Hinweise auf einen Fake-Account beachtet.
Die Seite bedient genau die Feindbilder von Gegnern der Antifa. Auch wenn es sich dabei nur um Satire handeln sollte: Für AfD, Identitäre und Pegida ist sie ein Geschenk.
Das spricht gegen die Echtheit der Seite:
Der Name
Die Seite arbeitet immer wieder mit dem Stilmittel der Übertreibung. Bei gut gemachter Satire ist sie genau richtig dosiert. In diesem Fall übertreibt die Seite aber schon bei ihrem Namen “Internationalsozialistische Antifa” so unelegant, dass man unweigerlich darüber stolpern muss. Vielleicht muss man den Machern des Accounts auch noch mal sagen, dass Antifa für Antifaschismus steht und deshalb mit Nazionalsozialismus nicht so wirklich gut zusammenpasst. Wem das noch nicht deutlich genug ist, der sollte spätestens beim Facebook-Messenger-Namen stutzig werden: @internationalsozialisten.
Der Sexismus
Die Macher des Accounts geben sich große Mühe, die Schreibweisen linker Gruppen zu imitieren. So schreiben sie in einem Post von “muslimischen Beamt*innen” und “ein*e widerliche*r Rassist*in”.
An anderen Stellen fällt jedoch auf, wie sexistisch manche Posts sind. Wenn es in der Antifa in der Vergangenheit zu sexistischen Vorfällen kam, wurden diese oft auf Seiten wie Indymedia öffentlich diskutiert. Die Antifa positioniert sich außerdem eindeutig antisexistisch. Auch deshalb ist es sehr unwahrscheinlich, dass sie Posts wie diese absetzen würde: “Sexy, erotisch, Claudia Roth! Erdogan weiß gar nicht, wen er da vergrault.” Darunter ein Zeitungsausschnitt der Bunte, die als Boulevardmagazin bei Linksradikalen nicht gerade hoch im Kurs stehen dürfte.
Über ein Klassenfoto der Theodor-König-Gesamtschule in Duisburg schreiben die Account-Betreiber: “Ein bunter Traum! Ja, man wird da als Antifaschist*in auch leicht feucht.” Das Foto wurde ursprünglich von Bild verbreitet, ebenfalls kein Leitmedium unter Linken.
Werbung für etablierte Parteien
Neben Claudia Roth tauchen auch andere Politiker in der Timeline auf, allerdings nur, wenn dadurch Vorurteile von Rechtskonservativen bedient werden, wie in diesem Post zu Renate Künast.
Dass die Antifa die Aussagen von Politikern etablierter Parteien lobend erwähnen würde, gehört jedoch ebenfalls ins Reich der Träume. Außerdem ist der Satz, den die Seite hier Künast in den Mund legt, ein Fake, was uns zum nächsten Punkt bringt.
Verbreitung ausgewählter Fake-News
Unter anderem postete die Gruppe einen vermeintlichen Tweet der SPD Darmstadt, in dem Islamisten verharmlost werden. Wie sich allerdings später herausstellte, war der SPD-Account ein Fake. Trotzdem wurde der inzwischen gelöschte Tweet von zahlreichen rechtspopulistischen Blogs aufgenommen und weiter verbreitet.
Weil es nicht die eine Antifa gibt, ist es schwer, ihr eine einzige politische Linie zuzuordnen. Dennoch kann man mit ziemlicher Sicherheit sagen, dass sich alle Antifa-Gruppen von Sexismus genauso distanzieren, wie von etablierten Parteien und dem Nationalsozialismus. Darüber hinaus würde die Organisation wohl kaum Fake-News verbreiten, die vor allem ihren Gegnern nutzen.
Wenn die Macher mit der Seite Stimmung gegen die Antifa machen wollten, ist ihnen das teilweise gelungen. Bei der überwiegenden Mehrheit der Kommentatoren lösen sie mit ihren Posts die typischen rechtspopulistischen Beißreflexe aus. Denn die Seite schürt genau die Vorurteile, die Parteien wie die AfD aufgreifen – auch wenn der Account wohl kaum als Beweisstück für eine mögliche Wahlmanipulation taugt. Vereinzelt vermuten User in den Kommentaren sogar, dass die AfD selbst dahinter steckt, doch das ist reine Spekulation. Aber zumindest erkennen sie die Seite damit als das, was sie mit hoher Wahrscheinlichkeit ist: fake.