Alle echten Kids der 90er sollten sich noch an die sogenannten „Soap Shoes” erinnern. Für alle anderen Leute, die keinen blassen Schimmer haben, worum es geht: Damit sind Schuhe gemeint, an deren Sohle sich eine Plastikschiene befindet, dank der die „Soaper” auf Treppengeländern und Mauervorsprüngen grinden können. Man war quasi ein Skateboarder ohne Skateboard und sogar Sonic trug einst diese Schuhe. Cool, oder?
Hinter den Schuhen steckte der Inline-Skater Chris Morris, der 1997 damit begann, das Ganze zu vermarkten und ein Profi-Team zusammenzustellen. Das bestand dann aus sechs Typen, die ihre Tricks bei Demos in Schulen aufführten und diverse Promo-Videos drehten. Zu diesen legendären Soapern gehörte auch Ryan Jaunzemis, ein Skater aus Kalifornien, der mit 17 bei Soap unterschrieb und danach—zum Leidwesen seiner Mutter—sofort jegliche Studiumspläne über Bord warf.
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Obwohl seine Mutter die Schuhe (zurecht) für einen schnelllebigen Trend hielt, erinnert sich der inzwischen 35-Jährige daran, wie er von seinem eigenen Büro und dem Sex mit „heißen Soap-Groupies” geblendet war. Eines Tages führte eine desaströse E-Mail-Kette dann zu seinem Rauswurf und 2001 ging das ganze Unternehmen vor die Hunde. Derzeit arbeitet Jaunzemis als der „aggressivste Dating- und Verführungscoach von Las Vegas” (seine Worte), schreibt diverse Bücher und dreht als „Kandi King” YouTube-Tutorials über das Anfertigen von Perlenketten.
Ich wollte mehr über die Soap-Szene von damals herausfinden und entschloss mich deshalb dazu, den Tausendsassa anzurufen.
VICE: Wie wurdest vom Pro-Inline-Skater zum Pro-Soaper?
Ryan Jaunzemis: Ein Kumpel verkaufte mir meine ersten Grind-Schuhe für 10 Dollar. Die waren auch dementsprechend ramponiert und ich musste die Löcher mit Panzertape zukleben, um mich nicht zu verletzen. Aufgrund dieses Panzertapes konnte ich nur sehr langsam grinden und das gab mir viel mehr Kontrolle. So konnte ich viel schwierigere Tricks machen oder auf einem Bein 20 oder 30 Stufen runtersliden.
Damals hat man so etwas noch nie gesehen. Ich dachte, ich hätte das Geheimnis des Soapens gelüftet. Also habe ich mein Sponsorvideo gedreht und dabei Tricks durchgezogen, die kein anderer Soaper drauf hatte. Ben Kelly, einer meiner damaligen Kollegen, fand das richtig gut und hat mich deshalb ins Team geholt.
Wie hat es sich angefühlt, fürs Herumsliden bezahlt zu werden?
Richtig gut. Damals befand sich der HipHop in seiner Blütezeit und es fanden täglich Hauspartys statt. Und mittendrin war ich und verdiente mein Geld mit Touren und dem Grinden von richtig langen Treppengeländern.
Mein Video wurde in allen Skateshops der USA gespielt. Das war richtig cool. Und dann kamen da natürlich noch die 1.000 Dollar pro Tag dazu. Das war für mich als 17-Jährigen natürlich richtig krass.
„Damals waren Raves in Los Angeles das große Ding und mithilfe der Hohlräume in den Schuhen schmuggelte man dort Drogen rein.”
Gab es auch Groupies?
Soap schickte uns regelmäßig zu irgendwelchen Schulen, wo ein kleines Rail aufgebaut wurde und wir Sticker verteilen, sowie E-Mail-Adressen sammeln sollten. Damals gab es sowas wie Facebook oder Instagram noch nicht und deshalb waren E-Mail-Adressen so wichtig.
Ich habe immer meine Telefonnummer auf die Rückseite der Sticker geschrieben und das Ganze dann an die Mädels verteilt. Auf Tour kam es auch häufig vor, dass wir irgendwelche Typen dafür bezahlt haben, uns Alkohol zu besorgen. Dann haben wir in unseren Hotelzimmern Partys geschmissen, wo natürlich auch immer ein paar Soap-Groupies am Start waren, die uns richtig verehrten.
Noisey: Was ich alles durch mein Groupie-Dasein gelernt habe.
Und wie sah es mit Drogen aus?
Da gibt es eine ganz interessante Geschichte: Wenn man in Soap-Schuhen herumläuft, kann es auch schon mal passieren, dass man aufgrund der Plastikschiene auf Treppen wegrutscht. Deswegen entwickelte man die sogenannten „Maxwell Plates”—Füllbleche, mit denen die Soaps zu ganz normalen Schuhen wurden. Damals waren Raves in Los Angeles das große Ding und mithilfe der Hohlräume in den Schuhen schmuggelte man dort Drogen rein. So kam es, dass wir Ecstasy verkauften und die Leute total auf unsere Soaps standen.
Waren deine Eltern glücklich darüber, dass du mit 17 auf Tour gegangen bist und dabei so viel Unsinn getrieben hast?
Meine Mutter war definitiv nicht glücklich darüber, weil meine Noten so letztendlich den Bach runtergingen. Sie meinte die ganze Zeit, dass das ganze Soap-Ding sowieso bald vorbei sein würde und ich einen guten Schulabschluss machen müsste, damit ich später aufs College gehen kann und einen guten Job bekomme. Ich war aber der Meinung, dass ich ewig als Pro-Soaper oder Pro-Skater weiterleben könnte. Das machte sie richtig wütend und dann kamen da ja auch noch die Drogen und der Ladendiebstahl dazu. Als sie dann eines Tages mein Gras sowie meine riesige Bong fand, schmiss sie mich raus und ich musste für ein paar Wochen sogar in einem Park leben. Neben dem Gras hatte ich aber auch noch Acid, Pilze und Ecstasy im Haus versteckt.
Ich war damals nicht nur Soap-Profi, sondern habe auch Cannabis verkauft und Rap-Songs geschrieben. Mit meiner CD Blunted wollte ich mein Geschäft richtig ankurbeln, weil ich ständig mitbekam, wie im HipHop die Musik als Mittel eingesetzt wurde, um Drogen zu bewerben. Ich wollte zum Kingpin von El Segundo aufsteigen.
Hast du damals wirklich gedacht, dass deine Soaping-Karriere länger andauern würde?
Natürlich waren diese Schuhe eher für Kids gedacht, die damit aus Spaß auf Treppen herumrutschen sollten. Aber für mich und die anderen vier Hauptakteure—Brendan Smith, Danny Lynch, Paul Cerfuentes und Eddie Ramirez—war das Ganze viel mehr. Wir sahen die Sache als richtigen Job an.
Für ein Foto-Shooting bekamen wir damals einen Stundenlohn von 200 Dollar. Durch die Werbungen kamen so täglich schon mal 1.000 Dollar zusammen—was für einen 17-Jährigen ein Haufen Kohle ist. Aber das Unternehmen sah Soaping nicht als Sport an. Sie meinten immer: „Von A nach B laufen? Das ist doch kein Sport.” Wir als Team wollten das Ganze jedoch immer größer machen. Letztendlich wurde ich auch deswegen gefeuert. Ich habe es zu weit getrieben und so meinen Chef gegen mich aufgebracht.
Warum genau wurdest du gefeuert?
Chris Morris, der Gründer von Soap, stellte mich als Marketing-Assistenten in der Unternehmenszentrale ein. Ich war damals 19 und hatte mein eigenes Büro, von dem aus ich das ganze Lager überblicken konnte—das fand ich schon ziemlich cool. Allerdings versuchte ich dann, diverse Anzeigen zu entwerfen und meine Vorgesetzten davon zu überzeugen. Sie meinten aber bloß, dass dafür gerade kein Budget da wäre und sie sowieso nicht wollten, dass Soap so dargestellt werden würde. Irgendwann hatte ich die Schnauze voll, weil wir wirklich täglich unser Herzblut in diese Sache steckten und quasi das Gesicht der Marke waren.
Ich hätte mich mit den 1.000 Dollar am Tag zufrieden geben können, aber im Vergleich zu anderen Extremsportlern verdienten wir viel zu wenig. Deshalb wollten wir, dass unser Gehalt entsprechend angeglichen wird.
Ich schrieb schließlich eine Hass-Mail, in der ich mich über alles auskotzte: „Scheiß auf diese Schuhe, vielleicht hätte ich hier nie unterschreiben und einfach weiter skaten sollen.” Eigentlich sollte diese Nachricht an meinen Kumpel Justin gehen, aber leider setzte ich dann aus Versehen meine komplette Kontaktliste inklusive dem Unternehmen auf die Empfängerliste—also konnte nicht nur Justin das Ganze lesen, sondern auch mein Bruder, meine Schulkameraden und eben auch mein Chef sowie jeder andere bei Soap.
Zehn Minuten später kam dann seine Sekretärin zu mir und meinte, dass Chris meine Mail gelesen hätte. Ich wusste erstmal gar nicht, worum es überhaupt ging. Sie sagte dann weiter: „Scheint so, als würdest du gar nicht hier sein wollen. Deshalb kannst du gehen, wann immer du willst.” Ich fragte daraufhin, ob sie mich feuern würden, und dem war dann auch so.
Wie ging es danach für dich weiter?
Ich habe noch ein paar Werbungen für Heelys gemacht, aber die hatten damals noch kein so Pro-Team wie heute. Ungefähr zur gleichen Zeit wurde auch noch meine Freundin schwanger und deshalb hing ich meine Soap-Karriere an den Nagel und trat der Navy bei.
Nach meinem Dienst an der Waffe bin ich mit meiner damaligen Frau nach England gezogen. Dann folgte jedoch eine ziemlich unschöne Scheidung und ich bin im Gefängnis gelandet. Ich darf wegen meiner kriminellen Aktivitäten jetzt auch nicht mehr ins Vereinigte Königreiche einreisen. So landete ich schließlich in Las Vegas und trat dieser verrückten Untergrundgemeinschaft namens „Seduction Community” bei. Irgendwann war ich dann der Kopf der ganzen Szene von Las Vegas und landete auf den Covern vom Las Vegas 7– und vom City Life-Magazin.
Warum bist du damals nicht einfach Skateboard gefahren?
Irgendwie hat das ganze Soap-Ding so etwas Geheimnisvolles an sich. Dafür muss man schon ein bestimmter Typ Mensch sein. Heute grinde ich zum Beispiel häufig durch die Casinos, was mit Inline-Skates natürlich niemals möglich wäre. Mit meinen Soaps nehme ich mir aber immer die Marmorwaschbecken vor und auch ein Spielautomat musste schon mal dran glauben. Das war echt witzig. Die Securitys fragten mich, was ich da machen würde, und ich antwortete, dass ich nur ein bisschen zu viel getrunken hätte. Danach war alles wieder gut. Wir Soaper, wir sind einfach aus einem anderen Holz geschnitzt. Wir sind schon irgendwie gestört.