Zu Tisch bei den Hundefängern von Kambodscha

Die dunklen Gassen in einem der Armenviertel in Phnom Phen sind mit dickem Rauch gefüllt, überall sieht man kleine Imbissstände. Unter Wellblechdächern sitzen Männer an biergetränkten Tischen, die nur von ein paar Neonröhren erhellt werden. Die Auswahl ist begrenzt: ein bisschen Salat, ein paar Saucen und eine einzige Eiweißquelle: Hundefleisch.

„Wir sind gut zwei Mal die Woche hier”, meint einer der Gäste, während er gerade ein paar Hundeinnereien und -rippchen mit seinen Freunden verspeist. „Sehr lecker, schmeckt ein bisschen süßlich.”

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Bis jetzt war Hundefleisch nicht so beliebt in Kambodscha wie in anderen ostasiatischen Ländern wie Vietnam, China und Korea. Jetzt verlangen aber scheinbar immer mehr Kambodschaner nach dieser zuweilen umstrittenen Fleischquelle.

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Eine Mitarbeiterin in einem Hundeimbiss versteckt ihr Gesicht vor der Kamera, während sie zwei Hundeköpfe serviert. Alle Fotos vom Autor

„Das ist gerade hier in Phnom Penh sehr beliebt geworden”, erklärt mir Pheakadey, der hier einen Hundeimbiss betreibt. „Es ist köstlich und hat auch eine medizinische Wirkung. Gut für die Manneskraft.”

Die Nachfrage nach Hundefleisch steigt. Imbisse wie der von Pheakadey beschaffen sich ihr Fleisch daher mehr und mehr über inoffizielle Wege. Dadurch ist ein richtiger Schwarzmarkt für gestohlene Haustiere oder Straßenhunde entstanden.

„Einige Hunde kaufen wir von Hundefängern, die sie klauen”, gibt Pheakadey zu. „Jeden Tag kommen hier Händler mit gestohlenen Haushunden vorbei.”

In einem anderen Stadtteil haben Lucy Haurisa und ihre Kollegen der kambodschanischen Tierschutzorganisation ein Tierheim für gut 100 Hunde aufgebaut, darunter auch Tiere, die vor dem Schwarzmarkt gerettet wurden.

„Das wird immer mehr zum Problem”, erklärt sie mir. „Ich glaube, das liegt auch daran, dass immer mehr kulturelle Traditionen aus Vietnam, Korea und Laos rüberschwappen, dort gehört Hundefleisch fast schon zum Alltag.”

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Hundefänger arbeiten meist mit brutalen und primitiven Methoden. Unter anderem werfen sie dem Tier eine Schlinge um den Hals und ziehen sie dann mit einem Motorrad durch die Straßen, bis der Hund bewusstlos ist oder erstickt

Wie Lucy sind auch andere Tierschützer besorgt, weil es immer mehr Fälle gibt, in denen Hunde gefangen werden, um mit ihrem Fleisch zu handeln.

„Oft werden Haushunde geklaut”, erklärt sie. „Sie sind zutraulich, meist ohne Krankheiten und leicht zu fangen, daher sind sie bei den Händlern heißbegehrt. Einige werden mit vergifteten Ködern gelockt, manchmal werden sie auch mit Schlingen oder Netzen eingefangen.”

Der Handel mit Hundefleisch ist gesetzlich nicht reguliert, was das Leiden der Tiere noch verschlimmert: „Es gibt keine richtigen Schlachtereien. Das meiste passiert in irgendwelchen Hinterhöfen. Meist sind das Leute, die keine professionelle Schlachterausbildung haben und nicht wissen, wie man artgerecht tötet”, meint Lucy.

Nach ein paar Telefonaten habe ich ein zwei Hundefänger ausfindig gemacht. Phek und sein „Komplize” Pek laden mich zum Essen ein. Wir sitzen auf einer zerfledderten Couch, aus der Anlage dröhnt kambodschanische House-Musik.

Tagsüber, so erzählen sie mir, fahren sie sonnenverbrannte Rucksacktouristen in Autorikschas durch die Gegend, damit verdienen sie umgerechnet zwischen sechs und acht Euro am Tag. Nachts aber—„wenn sich die Gelegenheit bietet”—klauen sie Hunde.

Ein gesunder Hund bringt umgerechnet über 25 Euro ein—das Dreifache dessen, was Pheak mit ehrlicher Arbeit verdienen würde.

„Was ich mit dem Rikschafahren verdiene, reicht nicht”, meint Pheak. „Davon geht etwas an meine Frau, dann etwas für die Schulbildung meiner Kinder und fürs Essen drauf und danach bleibt für mich nicht viel übrig. Wir sind eine große Familie und ich allein bringe das Geld nach Hause.”

Ein gesunder Hund bringt umgerechnet über 25 Euro ein—das Dreifache dessen, was Pheak mit ehrlicher Arbeit verdienen würde.

„Wenn uns also ein Hund über den Weg läuft und der Besitzer nicht dabei ist, dann, ja, warum nicht … Wir fangen ihn und das bringt ein bisschen Geld”, meint Pheak und schaut rüber zu Pek, den er bereits seit zehn Jahren kennt, und beide fangen an zu lachen.

Um die Hunde zu fangen, gehen sie so brutal wie auch primitiv vor. Sie fahren mit dem Motorrad durch die Straßen, wer hinten sitzt, hält die Schlinge, einen Holzstock mit einem Lasso und Metalldraht, und versucht damit den Hund am Hals zu fangen.

„Sobald die Schlinge um den Hals liegt, fahren wir einfach weiter und ziehen den Hund ein paar hundert Meter hinter uns her, bis er bewusstlos ist”, meint Pek. „Manchmal sterben sie auch. Dann bringen wir einfach den toten Hund ins Geschäft, der wird auch gekauft.”

Ich frage ihn, ob er sich nicht schlecht dabei fühlt, den Hunden so ein Leid zuzufügen.

„Ja, wir haben Mitleid. Aber Hundefleisch wird immer beliebter bei den Leuten, wie Hühnchen”, erklärt er.

Wie würden sie sich als Hundebesitzer fühlen, wenn sich jemand ihren Hund krallt und ihn isst?

„Ich wäre ziemlich wütend, auf jeden Fall”, meint Peak. „Aber weil wir arm sind, denken wir darüber nicht nach. Wir machen es einfach.”

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Pheak

Trotzdem die kambodschanische Wirtschaft seit Mitte der 90er stetig gewachsen ist, sind weite Teile der Bevölkerung immer noch arm. Zahlen der Weltbank zufolge hat sich die Armutsrate in den letzten zehn Jahren mehr als halbiert. Allerdings lebt immer noch die Hälfte aller Kambodschaner nahe der Armutsgrenze. Bei den kleinsten finanziellen Problemen würden viele wieder sofort in die Armut abrutschen.

Wer Hunde stiehlt und verkauft, ist auf schnelles Geld aus. Aber das Geschäft hat auch seine Risiken. In Vietnam wurden seit 2012 mindestens 20 Hundefänger von Anwohnern zu Tode geschlagen, die genug davon hatten, dass man ihnen ihre geliebten Vierbeiner klaut.

Pheak und Pek wurde bisher nicht geschnappt, sind ein paar Mal aber nur knapp entkommen.

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Pek

„Wir hatten Glück”, meint Pek. „Manchmal haben uns die Besitzer oder die Nachbarn erwischt und wir sind weggerannt.”

Wir machen eine kurze Pause, um etwas zu essen. Auf dem Tisch stehen Rippchen, Eingeweide, ein bisschen Fleisch und auch ein Tierkopf—unverkennbar der eines Hundes. Dazu gibt es Salat mit Bohnensprossen und Zwiebeln sowie ein paar Saucen aus Chili und Limettensaft.

Pek stürzt sich sofort auf den Kopf, schneidet ein Stück Fleisch direkt über dem Auge ab und reicht es mir rüber. Mit der Sauce ist das nicht allzu schlecht. Ein bisschen fade, aber das Fleisch ist sehr zart und schmeck ganz leicht nach Wild, fast wie Wildschwein.

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Pech Arun, professioneller Khmer-Boxer, isst vor einem Kampf gern zwei Hunde—wegen des Eiweißes

Pech Arun, ein professioneller Khmer-Boxer und Freund von Pheak und Pek, ist auch mit dabei. Er liebt Hundefleisch.

„Wenn ich kann, esse ich zwei Hunde vor einem Kampf”, erzählt er und öffnet sich eine Dose Angkor-Bier. „Da ist so viel Eiweiß drin. Von Hundefleisch wird man richtig stark.”

Um die unidentifizierbaren Eingeweide mache ich einen großen Bogen und probiere gleich die Rippchen, die ziemlich köstlich sind, natürlich mit Barbecue-Sauce, unglaublich fleischig und so lecker, dass man fast vergisst, dass man hier vielleicht das geliebte Haustier einer Familie verspeist. Brutal gefangen und nur wegen des Geldes getötet.

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Der Kopf ist das beliebteste Stück am Hund

Nach ein paar Bier werden die Hundefänger redseliger und gestehen, dass ihre Familien nichts von ihrem gesamten Zusatzverdienst wissen. Beim Hundefangen geht es wohl um mehr als nur darum, das Essen auf den Tisch zu bringen und für die Ausbildung der Kinder zu zahlen.

„Wir teilen das untereinander auf, dann haben wir einfach Spaß und trinken was”, meint Pheak.

„Manchmal”, meint er mit großem Lächeln, „fangen wir drei Hunde pro Nacht. Das ist viel Geld. Dann gehen wir ein paar Bier trinken und laden die hübschen Kellnerinnen ein.”