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People of color

People of Color erzählen, welchen Rassismus sie bei Ärzten erlebt haben

"Er hat mich aus dem Nichts gefragt, woher ich komme, wegen meiner Schamhaare. Die seien ganz anders als bei Europäerinnen." – Becki, 35
Eine WoC sitzt im Wartezimmer beim Arzt
Foto: Imago | Emil Umdorf

Abgestandene, bakterienverseuchte Luft, schreiende Babys und unfreundliche Ordinationshilfen – kaum jemand würde einen Arztbesuch als freudiges Ereignis bezeichnen. Jetzt stellt euch vor, ihr müsst neben dem gesundheitlichen Grund für euren Besuch auch noch mit rassistischen Ärzten umgehen, die unpassende Fragen stellen und euch aufgrund eurer Hautfarbe schlechter behandeln. Ziemlich beschissener Gedanke, oder? Besonders für People of Color sind Arztbesuche oft sehr unangenehm und traumatisierend.

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Eine 2016 veröffentlichte US-amerikanische Studie hat ergeben, dass Schwarze Patienten und Patientinnen nicht ausreichend mit Schmerzmitteln versorgt werden. Der Grund dafür sollen unterbewusste Stereotypen sein. Laut der Studie glauben einige Mediziner weiterhin, dass Schwarze kaum oder wenig Schmerzen empfinden. Schwarze Haut soll dicker sein und Schwarze Menschen angeblich ein stärkeres Immunsystem haben.

Nicht einmal die US-amerikanische Tennisspielerin Serena Williams blieb von diesen Vorurteilen verschont. Nach der Geburt ihrer Tochter Alexis Olympia waren Blutklumpen in ihrer Lunge gefunden worden. Trotz einer bekannter Vorerkrankung und Atemnot soll sie nicht ernst genommen worden sein. Die USA haben ein großes Problem mit der Müttersterblichkeit, gerade wenn es um Schwarze Mütter geht: Laut Forschungen der CDC sterben Schwarze Mütter drei bis vier Mal häufiger als Weiße Mütter bei der Geburt ihres Kindes.

In Österreich gibt es dazu keine Studien. Wir haben mit PoC über ihre rassistischen Erlebnisse in Krankenhäusern und Arztordinationen gesprochen.


Noisey - Video: T-Ser gibt Wiens Schwarzer Jugend eine Stimme:


Jasmin, 33

Frau mit Brille

Foto: privat

"Von einer Sprechstundenhilfe wurde ich im schlechtesten Englisch angesprochen, obwohl ich ihr erklärt habe, dass ich Deutsche bin. Vor ein paar Jahren hatte ich krasse Verspannungen im Rücken. Ich dachte, ich hätte Nierensteine. Schmerzmittel habe ich erst bekommen, als mir der Schweiß die Stirn herunter lief und ich begann zu hyperventilieren. Ein anderes Mal musste ich nach einer Operation laut werden, um krampflösende Medikamente zu bekommen.

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Ich bin eine sehr große und kurvige Frau, ich wirke nicht zerbrechlich, das erschwert die Situation wahrscheinlich. Diese rassistischen Erlebnisse im Krankenhaus und in Ordinationen haben mir das Gefühl gegeben, als wäre ich nichts wert. So als würde ich stören und übertreiben und die Ärzte von ihren 'echten' Patienten abhalten."

Cat*, 23

Frau Rückenansicht

Foto: privat

"Ich musste im Krankenhaus unter Schmerzen und Tränen erklären, woher ich komme, weil mein Name so 'exotisch' klingt und 'ich so gut Deutsch spreche.' Als wäre das ein Widerspruch. Grundsätzlich ist das für mich nichts Neues, aber in diesem Setting hat es mich schon sehr überrascht. Außerdem wurde nur mit meinem Weißen Freund über meine Befunde gesprochen, nicht mit mir. Ich wurde stattdessen im Krankenhausbett ignoriert. Wenn mein Freund und ich gemeinsam zum Arzt gehen, kommt es oft vor, dass er am Empfang gefragt wird, ob ich überhaupt Deutsch spreche – das obwohl meine Mutter Österreicherin ist und ich in Österreich geboren wurde."

Sebastian, 28

Mann mit Dreads

Foto: privat

"Ich bin mit einem gebrochenen Zeh ins AKH gefahren. Als ich aufgerufen wurde, ging ich ins Behandlungszimmer, wo der Arzt mich mit: 'Wo kommen Sie her?' begrüßt hat.

'Aus Oberösterreich', habe ich geantwortet und gefragt, warum er das wissen will.

Der Arzt hat mir geantwortet, dass man bei 'uns' seinen Hut abnimmt, wenn man einen geschlossenen Raum betritt, weil ich ein Cap trug. Ich habe ihm dann gesagt, dass er sich ja auch nicht meinen Kopf ansehen soll, sondern meinen gebrochenen Zeh."

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Parissima, 28

Frau lacht

Foto: privat

"In einer Psychotherapie wurde mir gesagt, dass ich Schwierigkeiten in meiner Beziehung akzeptieren muss. Weil die Männer hier Weiße Frauen wollen und es schwierig sein wird, einen anderen Mann als meinen Partner zu finden, der mich schön findet.

Mir wurde außerdem gesagt, dass meine Eltern rassistisch sind, weil sie gemeinsam ein Kind gezeugt haben, das 'gemischt' ist. Es sei von Anfang an klar gewesen, dass 'so ein Kind' keine Identität habe, was meine Eltern nicht bedacht hätten.

Ich musste mir anhören, dass ich Luxusprobleme habe, im Gegensatz zu 'wirklich' Schwarzen Menschen, und mich nicht reinsteigern soll.

Bei Bluttests im Labor habe ich auch rassistische Erfahrungen gemacht. Da wurde mir gesagt, wie gut ich doch Deutsch spreche. Ich hab der Ordinationsassistentin erzählt, dass ich Angst vorm Blutabnehmen habe. Daraufhin meinte sie, sie dachte, dass 'Leute wie ich schmerzunempfindlich sind'".

Becki*, 35

Vermummte Frau

Foto: privat

"Als ich ein Kind war, hatte ich sehr starke Magenschmerzen und meine Mutter fuhr mit mir ins Kinderkrankenhaus. Dort wurden wir in ein Wartezimmer gesteckt, in dem keiner außer mir und meiner Mutter saß. Wir haben fünf Stunden auf einen Arzt gewartet, aber nichts hat sich getan. Irgendwann kam zufällig jemand vorbei und hat gefragt, was wir hier machen. Es hat sich herausgestellt, dass wir 'vergessen' wurden.

Meine Mutter ist daraufhin ausgerastet und hat sich beschwert. Sie wurde als wütende Schwarze Frau abgetan, die emotional reagiert. Wir gingen, ohne dass ich untersucht wurde.

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Diese Situation werde ich auch nie vergessen: Als junge Erwachsene bin ich zu einem Gynäkologen in Wien gegangen. Ich saß untenrum frei auf dem Untersuchungsstuhl und er begann mit Smalltalk, während er Abstriche gemacht hat. Er hat mich aus dem Nichts gefragt, woher ich komme – wegen meiner Schamhaare. Er hat gesagt, dass sie ganz anders sind als bei Europäerinnen. Er fand meine Schamhaare anscheinend sehr interessant. In dem Moment hätte ich heulen können. Leider war ich zu jung und zu schüchtern, um etwas zu sagen. Heute würde ich ihn wissen lassen, dass das nicht okay ist."

Ron, 27

Mann lehnt an Gitter

Foto: privat

"Ich hatte mal einen Arzt, der 'Hey Dante!' rief, wenn ich mit Afro zu ihm kam, in Anspielung auf den brasilianschen Fußballspieler Dante. Ich musste nachfragen, wen er denn meint. Als ich mit Cornrows zu ihm kam, rief er 'Yo Snoop Doggy Dog!'. Das war das letzte Mal, dass ich bei diesem Arzt war. Er wollte wohl witzig sein. Aber ich bin ein eigenständiger Mensch, kein Dante- oder Snoop Dog-Abklatsch, nur weil ich Schwarz bin und meine Haare offen oder geflochten trage."

*Namen von der Redaktion geändert

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