Sex

Menschen erzählen, wie sich ihr Sexleben in der Pandemie verändert hat

"Ich habe mir geschworen, ein Jahr lang keinen Sex zu haben. Das fällt mir nicht leicht, weil ich gerade richtig Lust habe, aber es ist besser so."
Nana Baah
London, GB
Eine Illustration zeigt eine junge Frau, die in einem unordentlichen Zimmer auf ihr Handy schaut; vielleicht hat sich auch ihr Sexleben während der Corona-Pandemie verändert
Illustration: Alice Skinner

Lust ist nur noch eine verblassende Erinnerung.

Am Anfang der Pandemie standen uns gefühlt noch alle sexuellen Türchen offen. Aufreizende Social-Media-Posts waren noch an der Tagesordnung, weil der Sommer in greifbarer Nähe war, und die Flammen-Emoji-Reaktionen auf diese Selfies waren heiß begehrt. Inzwischen ist ein Jahr vergangen und es gibt keine sexy Fotos mehr, sondern nur noch Homeoffice und traurige Spaziergänge um den Block.

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Die Langeweile des Lockdowns wirkt sich auf alle Aspekte unseres täglichen Lebens aus. Olivia lebt seit 2019 mit ihrem Freund zusammen. Sie sagt, dass der Alltag im Lockdown die Dynamik ihrer Beziehung verändert hat – vor allem beim Sex.


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"Wir sind jetzt mehr wie so ein stereotypisches altes Ehepaar. Ich finde das aber nicht schlimm, es ist ja auch schön, nur zu kuscheln und Netflix anzumachen" sagt Olivia. "Ab und an schlafen wir noch miteinander, ungefähr einmal pro Woche, aber spontan passiert das nicht mehr. Früher ließ er mir zum Beispiel noch ein heißes Bad ein, wenn ich gerade auf dem Heimweg war. Oder ich schickte ihm ein sexy Bild, wenn er auf der Arbeit war. Aber da wir jetzt quasi rund um die Uhr aufeinandersitzen, ist dieses Knistern verloren gegangen." 

Bei Loren und ihrem Freund war es das Coronavirus selbst, das für tote Hose im Bett sorgte. Nach ihrer COVID-Erkrankung las die junge Frau eine Studie, die besagte, dass sich das Virus negativ auf die Libido auswirken könnte.

"Trotz meines milden Krankheitsverlaufs war ich sehr besorgt, als ich las, dass Leute durch Corona ihre Libido verloren haben", sagt Loren. "Während meiner Erkrankung, während meiner Genesung und während der Quarantäne hatte ich dann wirklich keine Lust mehr auf Sex. Mein Freund und ich schreiben uns häufig versaute Nachrichten, wenn einer von uns unterwegs ist, aber auch dazu war ich absolut nicht in der Stimmung. Ich hatte echt Angst, dass das alles für immer weg ist." 

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Zum Glück ist Lorens sexuelles Verlangen zurückgekehrt. Aber dann ist ihr Freund für ein paar Monate bei ihr und ihrer Familie eingezogen, weshalb es kaum Gelegenheit für Sex gab. "Idealerweise würden wir jeden Tag miteinander schlafen wollen", sagt Loren. "Aber bei meiner Familie zu Hause sind die Wände recht dünn. Und wir hatten nur ein Einzelbett. Wie soll man da in Stimmung kommen, wenn außerdem noch ständig jemand an der Zimmertür vorbeiläuft?"

"Wir brauchen diesen menschlichen Kontakt, den man alleine oder bei den Eltern nicht bekommt."

Während sich Menschen in Beziehungen in Sachen Sex der Situation anpassen müssen, ist es bei Singles etwas komplizierter.

Eigentlich verstößt es gegen die Pandemie-Vorschriften, Sex mit Menschen zu haben, die nicht dem eigenen Haushalt angehören. So hat die britische Wohltätigkeitsorganisation Terrence Higgins Trust vergangenen August einen Guide für sicheren Sex während der Pandemie veröffentlicht – man solle sich zum Beispiel nicht küssen, beim Sex einen Mund-Nasen-Schutz tragen, nur Stellungen wählen, bei denen man sich nicht ansieht, und vor und nach dem Sex die Hände waschen. Einen Monat später legte das britische Gesundheitsministerium mit eigenen Richtlinien nach: Frische Pärchen sollen sich demnach an die Social-Distancing-Regeln halten, während "etablierte Pärchen" Sex haben können.

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Phoebe ist Single und lebt noch bei ihrer Familie zu Hause. Sie ist der Meinung, dass die Regierung auch mal an die vielen Menschen in ihrer Situation hätte denken sollen.

"Zwischen Juni und Oktober hatte ich immer mal wieder Sex mit dem gleichen Mann", sagt sie. "Die Regierung hat nicht an die Menschen gedacht, die sich in Beziehungen befinden oder miteinander schlafen, aber noch nicht zusammenwohnen. Ich glaube, dass es sich nicht groß auf die Infektionszahlen auswirkt, wenn man wegen emotionaler oder sexueller Bedürfnisse zu jemandem nach Hause geht und dabei auf die Hygienevorschriften achtet. Wir brauchen diesen menschlichen Kontakt, den man alleine oder bei den Eltern nicht bekommt." Die Situation nerve Phoebe total, aber sie wolle auch nicht gegen die Lockdown-Regeln verstoßen oder ein zu großes Risiko eingehen, nur um ihren Partner zu sehen.

Stattdessen gibt sich Phoebe gezwungenermaßen damit zufrieden, mit ihrem Typen zu sexten. "Ganz ehrlich: So toll ist das aber nicht", sagt sie. "Im dem Moment bin ich schon erregt, aber es ist halt nicht das Gleiche. Der Drang kommt danach schneller wieder. Meine Libido kommt und geht entsprechend meiner Stimmung. Jetzt während des Lockdowns ist sie aber relativ stark."

"Früher war ich zufrieden mit meinem Single-Dasein, weil ich ja noch ausgehen konnte."

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Die verschiedenen Lockdowns haben auch die Herangehensweise der 28-jährigen Jay an Sex und Dating verändert. "Im August hatte ich Sex mit jemandem, mit dem ich früher mal zusammen war", erzählt sie. "Das war keine gute Idee und ich konzentrierte mich danach auf andere Dinge wie etwa Fitnesstraining. Und ich habe mir geschworen, ein Jahr lang keinen Sex zu haben. Das fällt mir nicht leicht, weil ich gerade richtig Lust habe, aber es ist besser so."

Es sind oft die Dinge, um den Sex herumn – die Vorfreude und die Intimität –, die wir am meisten vermissen. So geht es auch Jade, die alleine wohnt. Sie erzählt von einem Tweet, in dem von einem Kissen für Menschen, die das Kuscheln vermissen, geschwärmt wird. Jade fehlt zum Beispiel aber auch das Flirten.

"Ich vermisse die Aufmerksamkeit", sagt sie. "Früher war ich zufrieden mit meinem Single-Dasein, weil ich ja noch ausgehen konnte. Dafür machte ich mich immer richtig schick und fühlte mich wohl in meiner Haut. Jetzt hänge ich nur noch zu Hause rum und trage jeden Tag Jogginghosen. Natürlich ginge das auch anders, aber meistens habe ich nicht mal Lust dazu, mir die Haare zu kämmen."

Phoebe freut sich aber nicht nur Sex, wenn die Maßnahmen gelockert werden: "Ich habe mindestens genauso viel Lust darauf, endlich wieder mit meinen Freundinnen abzuhängen."

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