Menschen

Wir haben Muskelberge gefragt, warum sie so hart pumpen gehen

"Als ich über 170 Kilo wog, hatte mein Körperbau negative Folgen für meinen Alltag. Ich passte in nichts mehr rein."
Nana Baah
London, GB
Drei Fotos zeigen extrem muskulöse Männer, die für die Kamera posieren und ihre Muskeln anspannen; wir haben sie gefragt, warum sie so hart im Fitnessstudio pumpen gehen
Alle Fotos bereitgestellt von den interviewten Personen

Sportliches Training lässt Menschen schnell obsessiv werden. Sie stehen dann um 6 Uhr morgens auf, um vor der Arbeit noch eine Runde Fitnessstudio, ein paar Bahnen im Schwimmbad oder eine Runde auf dem Fahrrad reinzupressen. Oder sie schwärmen die ganze Zeit davon, wie sehr Bouldern das Leben zum Positiven verändert. Oder sie stehen in der Büroküche und stürzen sich einen Proteinshake nach dem anderen die Kehle hinunter.

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Richtige Bodybuilder spielen aber noch einmal in einer ganz anderen Liga. Sie stemmen mühelos andere Menschen über den Kopf, zerquetschen Wassermelonen zwischen ihren Schenkeln und spannen ihren Bizeps an, der dann so groß wird wie der Kopf eines Kleinkindes. 

Es ist bestimmt cool, die ganze Zeit mit Arnold Schwarzenegger verglichen zu werden. Gleichzeitig muss man dafür das Sozialleben hintenanstellen, läuft ständig Gefahr, sich beim Training zu verletzen, und ist gezwungen, jeden Tag penibel auf die Ernährung zu achten. Plötzlich klingt es gar nicht mehr so verlockend, total muskelbepackt zu sein. Wir haben vier Muskelprotze gefragt, warum sie sich überhaupt dazu entschieden haben, wie wild zu trainieren.

Dave Crosland, 50: "Als ich über 170 Kilo wog, hatte mein Körperbau negative Folgen für meinen Alltag"

VICE: Wie hat deine Reise zum muskelbepackten Körper begonnen?
Dave Crosland:
Als Kind war ich fasziniert von He-Man-Figuren. Und ich schaute besonders gerne Filme, in denen Bodybuilder oder breitgebaute Typen mitspielten. Ich wollte schon früh so aussehen und diese Typen nachmachen.

Wann hast du losgelegt?
Mit 15 nahm ich zum ersten Mal richtige Gewichte in die Hand und meldete mich im Fitnessstudio an. Ich merkte schnell, dass mir das Training lag. Komischerweise fand ich nicht nur die persönliche Herausforderung gut, sondern auch die Schmerzen. Dass ich dazu auch noch schnell Muskeln aufbaute, war ein Bonus.

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Bist du derzeit am muskulösesten?
Nein, am meisten Muskeln hatte ich vor rund sechs Jahren. Zu meinen besten Zeiten brachte ich 165 Kilogramm auf die Waage: Ich war muskulös und stark, konnte mich aber immer noch normal bewegen. Als ich über 170 Kilo wog, hatte mein Körperbau negative Folgen für meinen Alltag. Ich passte in nichts mehr rein.

Du meinst Klamotten?
Ich meine alles: Kleidung, Autos, Busse, Züge.

Was ist der größte Irrglaube über extrem muskulöse Typen?
Gewisse Mittelchen spielen natürlich eine Rolle, aber viele Leute glauben ja, dass Bodybuilding ausschließlich darauf beruht und nichts mit harter Arbeit zu tun hat. Das ist falsch. Wenn man der Beste sein oder die Grenzen pushen will, muss man sich dafür auch richtig reinhängen.

Moteleola Makinde, 28: "Rein ästhetisch gesehen wollte ich schon immer lieber breit gebaut als dünn sein"

Ein junger, durchtrainierter Schwarzer Mann in knapper Unterhose spannt für die Kamera seine Muskeln an

VICE: Wann hast du ernsthaft mit dem Bodybuilding begonnen?
Moteleola Makinde:
Anfang 2013, da meldete ich mich im Fitnessstudio an, um richtig zu trainieren. Ob ich dabei am Anfang alles richtig gemacht habe, steht auf einem anderen Blatt.

Warum wolltest du überhaupt so muskulös werden?
Rein ästhetisch gesehen wollte ich schon immer lieber breit gebaut als dünn sein. Da habe ich einfach mehr Selbstvertrauen – sowohl bekleidet als auch nackt.

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Was ist das gängigste Vorurteil, das Leute über muskulöse Menschen haben?
Dass wir alle total eitel sind. Ich versuche aber, nicht darüber nachzudenken, was andere über mich sagen.

Was ist das Schönste und das Schlimmste am Bodybuilding?
Was mir am meisten gefällt, ist die ständige Herausforderung: Du setzt dir immer wieder neue Ziele – und es fühlt sich super an, diese Ziele zu erreichen. Das Schlimmste sind die Verletzungen. Ich habe mich bisher zum Glück nur selten verletzt, aber es ist einfach scheiße, wenn man nicht an dem Ort sein kann, der einem am meisten Freude bereitet.

Tom Hemming, 25: "Bodybuilding hat mich vor einigen Situationen bewahrt, die sehr schlecht für mich hätten ausgehen können"

Ein junger, muskulöser weißer Mann in schwarzem Tanktop, roten Shorts und rot-grauen Sneakern steht in einem Fitnessstudio und schaut in die Kamera

VICE: Was hat dich dazu bewegt, ernsthaft mit dem Pumpen anzufangen?
Tom Hemming:
Ich glaube, das ist bei vielen ähnlich und hat mit fehlendem Selbstvertrauen zu tun. So eingebildet das jetzt auch klingt, aber anfangs wollte ich vor allem Muskeln aufbauen, um Frauen zu beeindrucken. Mit der Zeit wurde das Ganze aber immer mehr meine Leidenschaft und fast schon eine Obsession.

Wer hat dich inspiriert?
Mein Cousin, der ist ein semi-professioneller Fußballspieler. Er war schon damals richtig fit und athletisch, er inspirierte mich dazu, ins Fitnessstudio zu gehen. Wenn es um richtiges Bodybuilding geht, dann ist es der sechsfache Mr. Olympia, Dorian Yates.

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Wann wurde das Muskeltraining für dich mehr als nur ein Hobby?
Vor sechs oder sieben Jahren. Damals war ich drei Monate lang in Kalifornien und trainierte im berühmten Gold's Gym. Als ich dort die ganzen Bodybuilder sah, wurde mir sofort klar: Diesen Weg will ich auch gehen, diesen Körperbau will ich auch haben, diesen Lifestyle will ich auch leben.

Wie hat das Bodybuilding dein Leben verändert?
Das Ganze ist jetzt mein Leben, 90 Prozent meiner Freundschaften sind durchs Bodybuilding entstanden. Ich habe meine Partnerin im Fitnessstudio kennengelernt, jetzt haben wir zusammen ein Kind. Bodybuilding hat mein Leben zum Besseren verändert, weil ich davor einen ziemlich extremen Charakter hatte. Ich glaube, Bodybuilding hat mich vor einigen Situationen bewahrt, die sehr schlecht für mich hätten ausgehen können.

Gibt es etwas, das viele Leute über muskulöse Menschen denken, das aber gar nicht stimmt?
Dass wir alle eingebildet sind und glauben, über allem zu stehen. Die meisten meiner Freunde aus dem Bodybuilding hatten früher nur wenig Selbstvertrauen. Viele sind auch heute noch introvertiert, wir mögen es eigentlich gar nicht, wenn man uns anschaut. Uns geht es mehr darum, uns selbst weiterzuentwickeln. 

Samson Dauda, 35: "Als ich zum ersten Mal im Rampenlicht stand, legte sich in mir ein Schalter um"

Ein extrem muskulöser schwarzer Mann steht nur mit einem blauen Slip bekleidet auf einer Bühne und spannt seine Muskeln an

VICE: Warum hast du damit angefangen, dir krasse Muskeln anzutrainieren?
Samson Dauda:
Früher spielte ich Rugby, irgendwann sagten mir meine Teamkameraden, dass ich einen tollen Körperbau hätte und mehr daraus machen sollte. Sechs Monate später nahm ich an meinem ersten Bodybuilding-Wettbewerb teil und gewann direkt.

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Und nach deinem ersten Wettbewerb war es um dich geschehen?
Davor war ich sehr schüchtern. Ich zog am Strand nicht mein T-Shirt aus und wollte beim Teamsport nie zu sehr auffallen. Bei den Bodybuilding-Wettbewerben stehst du aber quasi nackt auf der Bühne. Ich musste mich erstmal 20 Minuten lang psychisch darauf einstellen. Als ich dann zum ersten Mal im Rampenlicht stand, legte sich in mir ein Schalter um, ich wurde zu einem komplett anderen Menschen.

Bodybuilding hat also dein Selbstvertrauen gestärkt?
Absolut. So etwas wie dieses Interview hätte ich vorher nicht machen können. Egal ob beim Reisen oder beim Kennenlernen neuer Leute, ich bin jetzt viel selbstbewusster.

Wie viel kannst du an Muskeln noch zulegen?
Ganz ehrlich, ich bin erst am Anfang. Bodybuilder können zwischen 30 und 50 ihren körperlichen Höhepunkt erreichen, manche treten sogar noch danach bei Wettbewerben an. Ich kann mich also auf jeden Fall noch weiterentwickeln.

Hat Bodybuilding dein Leben verändert?
Definitiv, das ist jetzt mein Beruf. Ich habe vor Kurzem meinen ersten Profivertrag unterschrieben. Ich konnte es kaum glauben, so nach dem Motto "Ich werde jetzt wirklich dafür bezahlt, jeden Tag ins Fitnessstudio zu gehen und an mir zu arbeiten?". Ich habe wirklich unglaubliches Glück, dass ich mit meiner Leidenschaft auch meine Familie unterstützen kann.

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